Zwei australische Spaziergänger zückten letzte Woche das Smartphone, als sie in einer Flussmündung einen Zwergpinguin sahen - er wurde gerade von einem Hai bedrängt und flüchtete lautstark aus dem Wasser. Rasch tippten sie "Pinguin vermisst" in die Google-Suche auf dem Handy und wurden fündig: Dirk, der in Gefangenschaft geborene Zwergpinguin, war am Vortag aus dem "Sea World"-Themenpark in Gold Coast gestohlen worden. Bingo. Dirk wurde von herbeigeholten Helfern zurück ins Gehege gebracht und drei junge Männer wegen der Tat verhaftet. Moment, wie kam das denn? Ganz einfach, sie hatten auf Facebook mit ihrer Tat geprahlt. Die australische Polizei hatte ebenfalls gegoogelt.
Hätten Sie auch so gemacht, werden Sie vielleicht sagen. Nein, nicht wehrlose kleine Pinguine entführen, aber im Internet nachschauen. So wie neulich: Wie lang war noch mal die Öresundbrücke? 7845 Meter, kommt es beinahe wie aus der Pistole geschossen. Wikipedia weiß die Antwort, und noch einiges mehr. Egal was, Information zu allem und jedem ist à la Minute via Tablet oder Smartphone serviert. Doch wie smart und brauchbar ist diese Information? Ist sie wertvoll und wichtig, oder nur stupides Buchstaben- und Zahlenwerk, das den raschen Sensationshunger befriedigt, aber im Grunde wertlos ist.
Wissen ist Macht, formulierte Sir Francis Bacon, zumindest behauptet das eine mit Google gefundene Zitateseite, auf der auch noch eine chinesische Weisheit zu finden ist: Die Wissenden reden nichts, die Redenden wissen nichts. Wissen ist Macht, doch was ist mit der Macht, wenn alle alles wissen können? Wenn wir uns zu einer geschwätzigen Gesellschaft entwickeln, in der viel geredet, aber wenig gesagt wird? In dieser Gesellschaft führen wir mit Fakten aufgeladene Dialoge. Den echte gesellschaftliche Diskurs aber bringen wir längst nicht mehr zustande. Politiker, Manager, Schüler wie Studenten protzen mit Zahlen und Zitaten, haben aber trotzdem wenig zu sagen. Wissensshows im Hauptabendprogramm stehen hoch im Kurs, aber von Bildung sind sie weit entfernt.
Wie viel Macht geht noch von Wissen aus? Wissen, das jederzeit verfügbar, kopierbar und damit auch reproduzierbar ist? Alles, was im Überfluss vorhanden ist - besagt eine ökonomische Theorie -, verliert irgendwann seinen Wert. Ist demnach all unser Wissen wertlos, weil es überall und jederzeit greifbar ist? Und hat durch immer genauere Google-Suchergebnisse und bessere Wikipedia-Einträge auch das Paradigma ausgedient, wonach man nichts wissen müsse, es reiche zu wissen, wo man suchen muss?
Offenbar bewegen wir uns auf einen Supermarkt der Gratisinformation zu, der uns irgendwann alles Wissen der Menschheit offeriert, vom Fahrplan aus Salzburg, Wien oder New York über den Bau einer Bombe (mit und ohne Atom), die Anleitung zum Hacken von Websites, das Erkennen von Masern und Mumps bis zum Vermisstenregister für verlorene Pinguine. Alles, jederzeit und überall.
Ob uns dieses Gratis-Wissen auch brauchbar sein wird oder doch umsonst?
Was uns Google genauso wenig abnehmen kann wie Kollegen und Freunde, ist die persönliche Bewertung, Einschätzung und Einordnung dieser Information in ein Gesamtbild. Darum müssen wir uns bilden, ständig weiterbilden, sonst bleibt dieses Wissen immer Stückwerk, und wir müssten frei nach Neil Postmans "Wir amüsieren uns zu Tode" dann formulieren: "Wir suchen uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter von Google".
Zum Autor
Thomas Hofbauer ist Leiter der Online-Redaktion der "Salzburger Nachrichten".


