Der jüngste Außenminister der Welt hat die Diplomatie in Österreich wieder salonfähig gemacht. Über Jahre hatte die Außenpolitik der Republik ein Schattendasein geführt. Seit Sebastian Kurz am Minoritenplatz 8 am Ruder ist, wird die österreichische Meinung in Europa und auf der Welt gehört, ja sogar nachgefragt. Fast wie zu Bruno Kreiskys Zeiten, als Österreich im Nahostkonflikt eine gewichtige Rolle spielte und als eine der ersten Nationen Jassir Arafat und den Palästinensern eine Stimme verlieh. Es war auch Kreisky, der eine internationale Organisation nach der anderen in das damals noch verschlafene Wien gelockt hat.
Dann war für lange Zeit Ruhe. Österreichs Diplomatie beschäftigte sich in erster Linie mit sich selbst. Bei großen internationalen Themen segelte Felix Austria meistens im Windschatten Deutschlands. Der Fall des Eisernen Vorhangs und die EU-Osterweiterung rückten das Land nur für kurze Zeit in eine Mittlerrolle in Europa.
Jetzt ist Dornröschen wieder aufgewacht. Innerhalb weniger Monate brachte Kurz sein diplomatisches Korps auf Vordermann. Er verordnete dem ehrwürdig verstaubten Laden eine Frischzellenkur. Die frischen Auftritte des eben erst 28 Jahre alt gewordenen Jungpolitikers gerieten zu überzeugenden Darbietungen.
Richtig aufhorchen ließ Kurz zuletzt mit seiner Haltung zur Russland-Ukraine-Krise. Er verurteilte die Vorgangsweise des russischen Präsidenten auf der Krim und in der Ostukraine scharf. Er brachte als Erster die Neutralität nach österreichischem Muster für die Ukraine als zukünftiges Staatsmodell ins Gespräch. Er kritisierte aber auch die vielleicht zu ungestüme Umklammerung der Ukraine durch die Europäische Union.
Kurz war einer der ersten EU-Politiker mit einer differenzierten Sicht des Konflikts vor unserer Haustür. Russland macht Fehler. Schwere Fehler. Aber andere aber auch. Ein Scheit allein brennt meistens nicht.
Das weiß auch Kanzler Werner Faymann, der von der Umtriebigkeit des beinahe halb so jungen Außenministers offenbar angesteckt worden ist. Auch er setzt auf diplomatische Lösungen, hat Putin in Wien getroffen, was ihm prompt Kritik eingebracht hat. Am Donnerstag hat er mit ihm telefoniert, um ihn zur Beendigung der Auseinandersetzungen zu drängen.
Im Gegensatz zu vielen Kritikern kennt Faymann den russischen Präsidenten persönlich. Er weiß, wie der Machtmensch im Kreml tickt. Und er weiß, wie man ihn vielleicht packen kann. Unter anderem bei seiner Eitelkeit. Man muss Putin klar sagen, dass er im Unrecht ist, ihm aber gleichzeitig die Möglichkeit geben, gegenüber seinem Volk, das zum Großteil noch hinter ihm steht, das Gesicht zu wahren.
Mit Druck von außen allein können
Politiker vom Schlage eines Wladimir Putin kaum in die Knie gezwungen werden. Zwar treffen die Sanktionen des Westens die Russen zunehmend. Aber dieses stolze Volk ist hart im Nehmen. Und wenn die Eskalation weiter vorangetrieben wird, ist es auch bereit zur Gegenreaktion. Die tut uns derzeit nicht wirklich weh. Ein paar Äpfel oder Speckschwarten weniger nach Moskau, daran geht die österreichische Wirtschaft nicht zugrunde. Aber was ist, wenn uns Gazprom den Hahn zudreht? Natürlich braucht Russland die Einnahmen aus dem Energiegeschäft dringender denn je. Die Frage ist nur: Wer hält es länger aus? Die Russen ohne unser Geld, oder wir ohne deren Gas?
Die Sanktionen sind wichtig, weil sie zeigen, dass es Werte wie das Recht auf Freiheit und staatliche Unversehrtheit gibt, die in Europa höher eingeschätzt werden als Geld. Aber ohne die Diplomatie bleibt die wirtschaftliche Flagge ein schlaffer Lappen.
Die Debatte um den Konflikt muss versachlicht werden. Die von beiden Seiten eingebrachten Emotionen verstellen den Blick auf Lösungen. Man hat das Gefühl, dass hüben wie drüben nur noch Scharfmacher am Werk sind. Dieses Bild spiegelt sich auch in vielen Medien wider.
Putin ist nicht nur böse, und die Ukrainer sind nicht nur gut. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß. Die Chance einer neutralen Diplomatie à la Österreich ist es, mit dieser Erkenntnis an einer für beide Seiten akzeptablen Lösung zu arbeiten, bei der sich keiner von vornherein als Verlierer fühlen muss.