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Parteienvielfalt auf Österreichisch

Die Krise der angestammten Parteien schafft Raum für Neues. Aber wer kann ihn ausfüllen?

Österreich hat ein Zweieinhalb-Parteien-System? SPÖ und ÖVP teilen sich das Land auf? Nur in Kärnten haben auch Freiheitliche an der Macht genascht und diese missbraucht? Die Erneuerung Österreichs beschränkt sich auf die Grünen als Parlaments- und in bisher drei Bundesländern auch Regierungspartei?

Nein. Denn die Aufstellung neuer Parteien in Volksvertretungen ist lang. Sie beinhaltet etwa die Liste Burgenland, das Bürgerforum Tirol - plus Bürgerklub und bald Vorwärts Tirol -, oder die Kommunisten in der Steiermark. Auf Bundesebene auch Liberales Forum, BZÖ und Team Stronach. Zuzüglich Hans-Peter Martin samt Konsorten im EU-Parlament und einen christlichen Präsidentschaftskandidaten.

Hinzu kommen Piraten im Innsbrucker und Grazer Gemeinderat. Vielleicht einmal Neos und "Der Wandel". Viele kommunale Bürger- und Namenslisten gar nicht mitgezählt. Zwar schaffen wenige von - Karteileichen inklusive - über 900 registrierten Parteien ein Mandat, doch immerhin.

Falsch ist freilich, dass Korruptionsfälle jüngeren Datums diese Abwendung von Traditionsparteien bewirkt hätten. Dafür tummeln sich in Neuparteien zu oft Altpolitiker mit wechselnder Parteifarbe. Zudem gab es früher von Bauring (1973) bis AKH (1980) genauso Skandale und trotzdem absolute Mehrheiten. Doch haben Parteien ihre Patronagefunktion und damit Chance zur Klientelpolitik verloren. Das ist eine banale Logik der Organisationstheorie. Man tritt irgendwo bei, um etwas einzubringen - Mitgliedsbeiträge und Stammwählerschaft - und umgekehrt Vorteile zu haben. Diese können als gemeinsames Gesellschaftsbild ideell oder handfest materiell sein.

Beides klappt nicht mehr. Etablierte Parteien haben einerseits ideologisch eher verschwommene Konturen als ein Fundament. Es regieren Pragmatismus und beim Stimmenfang diffuse "catch all"-Strategien. Andererseits scheitern die meisten Versuche, als Partei Wohnung, Job, Sozialleistungen und das Ende der Eurokrise zu versprechen.

Die dafür fehlende Glaubwürdigkeit haben Regierungsparteien mit Geldverschwendung, Postenschacher, Intransparenz & Co. mitverschuldet, doch handelt es sich um eine soziologische Entwicklung. Die Welt ist derart komplex geworden, dass niemand umfassende Lösungskompetenz besitzt.

Nur Pensionistenstimmen aus Gewohnheit halten da ehemalige Großparteien noch an der Macht. Ansonsten entsteht Platz für Neues. Mit zwei Schönheitsfehlern. Kommt da erstens wirklich Besseres nach? Zweitens gibt es echte Veränderungen erst, wenn viele Parteien realistisch und längerfristig Teil der Regierung sein könnten. Dagegen sprechen sowohl rot-schwarze Systemblockaden als auch Qualitätsmängel bei den Alternativen dazu. Punktuelle Farbtupfer der Marke Milliardärshobby, Kurzzeitpopulismus und/oder virtuelle Freibeuterei helfen nicht weiter.