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Politikerbeschimpfung ist zu einfach

Die Sprüche von Politikern vor und nach einer Wahl gleichen oft Textbausteinen. Worthülsen und inhaltsleere Stehsätze haben Hochsaison. Doch muss man zugeben, dass die Kommentare zum Wahlergebnis ebenso Klischees mit Halbwahrheiten prägen.



So heißt es, der jeweils letzte Wahlkampf war besonders inhaltsleer. Richtig ist, dass eine Mehrheit der Fernseh- und Zeitungsberichte sich nur auf den Wettbewerb als solchen beziehen. Doch werden zwecks Empörung über den Pferderennen-Journalismus, wer vorne liegt, nicht von vielen Kritikern in den Medien genauso vorhandene Inhaltsangebote aus der eigenen Wahrnehmung ausgeblendet? Überall gab es genug Serien und Schwerpunkte, welche seriös die Konzepte der Parteien darstellten, um sie anschließend analytisch zu vergleichen. Die TV-Diskussionen aller Sender liefen gar nach dem fixen Schema ab, dass durch die Moderation fixe Themen abgearbeitet wurden.

Das Internet macht darüber hinaus sowieso zugänglich, was immer eine Partei oder ein Politiker jemals themenbezogen meinte. In Summe ist das kein schlechtes Angebot von Inhalten. Wunschvorstellungen, dass jeder Wähler im Stil eines wissenschaftlichen Seminars vorher fünf Bücher von A wie Agrarpolitik bis Z wie Zuwanderung als Pflichtliteratur liest und es nachher Referate plus Diskussion gibt, wären naiv.

Im Gegenteil, man sollte nichts Irreales fordern, um sich im Image der intellektuellen Überheblichkeit zu sonnen. Ähnlich unrealistisch ist die Hoffnung auf 100 Prozent Wahlbeteiligung. Es stimmt, dass ein Rückgang von mehreren Prozentpunkten zu bedauern ist. Gleich doppelt absurd ist allerdings die Eigendynamik, einen Wähleranteil von über 70 Prozent mit Krokodilstränen als Katastrophe zu beklagen. Einerseits waren es beispielsweise in Polen 2011 unter 50 Prozent, und in keinem Land ohne Wahlpflicht gibt es höhere Werte.

Andererseits sollte niemand leichtfertig eine Wählermobilisierung um jeden Preis verlangen, weil manch schrille Inszenierung statt inhaltlicher Tiefe mehr Wähler mobilisiert. Wenn es vor dem Wahltag entweder Kriegsankündigungen gibt und/oder auf dem Stimmzettel "Unten Ohne-Photos" der Kandidaten abgebildet würden - den entblößten oberen Körperteil zeigten zwei Kandidaten ohnehin medial -, erhöht das die Beteiligung und ist dennoch Unsinn. Politische Bildung muss längerfristig geplant und gestärkt werden.

Zu guter Letzt entsteht der Eindruck, dass unabhängig vom Ergebnis in der Politik sowieso alle meschugge seien. Es ist zu einfach, mit pauschalen Politikerbeschimpfungen schenkelklopfendes Grölen auszulösen. Die dringend notwendige Kritik- und Kontrollfunktion beinhaltet eine Verpflichtung, bei Vorwürfen an populistische Politiker nicht selbst der Verlockung des Aberntens zu billiger Lacher zu erliegen.