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Elterngeld in Deutschland: Wenn Kinderbetreuung plötzlich nichts mehr wert ist

Hohes Einkommen, billiges Kind? Mit einer Reform des Elterngeldes vergrault Deutschland gut verdienende Familien.

Katharina Seyfried
Es ist völlig irrelevant, ob jemand 30.000 oder 150.000 Euro im Jahr verdient. Die Arbeit, die Eltern für die Gesellschaft leisten, indem sie Kinder großziehen, muss gewürdigt und entlohnt werden.
Es ist völlig irrelevant, ob jemand 30.000 oder 150.000 Euro im Jahr verdient. Die Arbeit, die Eltern für die Gesellschaft leisten, indem sie Kinder großziehen, muss gewürdigt und entlohnt werden.

Innerhalb der deutschen Ampelkoalition rumort es gewaltig. Neben dem neuen Heizungsgesetz sorgt auch die Kürzung des Elterngeldes für heftige Debatten in der Bundesrepublik. Das Elterngeld entspricht in etwa dem österreichischen Modell des Kinderbetreuungsgeldes. Es ist als Einkommensersatz für Mütter und Väter in den ersten Lebensjahren ihres Kindes gedacht und ist mit 1800 Euro monatlich gedeckelt, je nach Einkommen und Bezugsdauer.

Künftig werden jedoch viele deutsche Familien auf das Elterngeld gänzlich verzichten müssen, denn Familienministerin Lisa Paus (Grüne) setzt den Rotstift an, um die Sparvorgaben, die ihr Finanzminister Christian Lindner (FDP) auferlegt hat, umzusetzen. Die Einkommensgrenze für Haushalte beim Elterngeld wird gesenkt - von bisher 300.000 Euro (zu versteuerndem) Einkommen auf 150.000 Euro pro Jahr und Paar. Im Klartext heißt das: Etwa 60.000 Paare in Deutschland haben keinen Anspruch auf Elterngeld mehr, das sind fünf Prozent der Bezieherinnen und Bezieher. Die geplante Regelung erhitzt die Gemüter. Eine Petition gegen die Streichung unterschrieben innerhalb weniger Tage mehr als eine halbe Million Deutsche.

Nun könnte man aus sozialpolitischer Sicht argumentieren, dass ein Wegfall des Elterngeldes für Familien in dieser Einkommensklasse keine Katastrophe bedeutet. Doch aus frauen- und familienpolitischer Sicht ist die Kürzung ein Armutszeugnis. Sie zeigt auf, was dem deutschen Staat die Versorgung von Säuglingen wert ist - in diesen Fällen nämlich gar nichts.

Dabei ist es doch völlig irrelevant, ob jemand 30.000 oder 150.000 Euro im Jahr verdient. Die Arbeit, die Eltern für die Gesellschaft leisten, indem sie Kinder großziehen, muss gewürdigt und entlohnt werden. Die Pläne der deutschen Ministerin sind ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich für eine faire Entlohnung und Sichtbarmachung von Care-Arbeit einsetzen, sei es bei der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen.

Die neue Elterngeld-Regelung wird zwangsläufig noch mehr Frauen in die finanzielle Abhängigkeit von ihren Partnern drängen. Und sie lässt den Eindruck entstehen, Frauen in Karenz seien nicht mehr als ein notwendiges Übel, ja gar eine Last für den Staatshaushalt, die hoffentlich nur vorübergehend ist, weil sie ehestmöglich wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen und damit dem Personalmangel entgegenwirken. Sieht so Wertschätzung für zukünftige Generationen aus? Wohl kaum.

Gleichberechtigung darf kein Luxus sein, der als Erstes gestrichen wird, wenn es im Staatsbudget eng wird. Bleibt zu hoffen, dass sich Österreich kein Beispiel am Nachbarn nimmt.