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Bildungssystem: Ineffizient, teuer, undurchlässig

Die Blockade der Reform des Bildungswesens ist unverständlich. Sie schadet nicht nur den betroffenen Menschen, sondern der gesamten Wirtschaft.

Marianne Kager

Die ÖVP sagte bisher nein zur Gesamtschule der 10-14-Jährigen, die SPÖ zu Studiengebühren. Man blockiert sich gegenseitig, auf der Strecke bleiben der Schüler, der Student, die Familien und letztlich die Wirtschaft und der Steuerzahler. Schlecht ausgebildete junge Menschen, zuwenig Forschung und Entwicklung, ein teures aber ineffizientes Bildungssystem, vom Steuerzahler finanziert. Es ist auch nicht familiengerecht. Wer kennt nicht die Probleme mit der Kinderbetreuung nachmittags oder in den Ferien. Und das österreichische Bildungssystem ist extrem undurchlässig, d.h. nicht die Begabung eines jungen Menschen bestimmt den Bildungsweg, sondern nach wie vor seine soziale Herkunft. Für ein Land, das seit 40 Jahren den freien Zugang zur Bildung propagiert kein gutes Zeugnis.

Was ist die Ratio hinter dieser Blockade? Beginnen wir mit der Gesamtschule. Was ist schlecht an ihr? Alle Experten bestätigen, dass die Festlegung des Bildungsweges mit 10 Jahren für Kinder zu früh kommt. Wer sagt, dass es in einer Gesamtschule keine individuelle Förderung geben kann? Im Gegenteil, Zweck soll ja u.a. sein, die Begabungen des einzelnen herauszufinden und zu fördern. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Schulversuch zeigen, dass diese Schulform von den Familien angenommen wird, so sehr, dass sie selbst von ÖVP Landeshauptleuten - zuletzt von Platter aus Tirol - explizit gefordert wird. Wenn diese Form der "neuen Mittelschule" dazu führt dass unsere Kinder besser ausgebildet werden, ist das die beste Form der Wirtschaftsförderung. Schon Maria Theresia hat erkannt, dass Bildung den Wohlstand nährt und hat die allgemeine Schulpflicht eingeführt. Warum war eine Partei wie die ÖVP, die sich als Wirtschafts- und Familienpartei definiert bisher dagegen? Weil Sie sich gegen "ihre" Lehrergewerkschaft nicht durchsetzt? Nur zur Information, nicht nur das Gehalt der österreichischen Lehrer erreicht im EU- Vergleich einen Spitzenwert (Rang 2) ,sie haben auch weniger Schüler zu betreuen. Aus den gesellschaftspolitischen Grundsätzen der ÖVP lässt sich die Blockade der Gesamtschule wohl nur schwer ableiten.

Studiengebühren: Die SPÖ sagt nein. Doch sind es wirklich die Studiengebühren die den Zugang zu den Unis für ärmere Bevölkerungsschichten hemmen? Nein. Ein Hemmschuh ist schon die Undurchlässigkeit des Schulsystems. Ein anderes Beispiel: Fachhochschulen verlangen Studiengebühren; dennoch ist bei diesen der Anteil der Studenten aus niedrigen oder mittleren Einkommensschichten weit höher als an Universitäten. Warum also keine Studiengebühren? Vom Standpunkt der Verteilungsgerechtigkeit - ein Ziel das sich die SPÖ zuschreibt - ist das nicht zu argumentieren. Der Anteil der studierenden Kinder ist in Familien mit überdurchschnittlichem Einkommen viel höher als in einkommensschwachen Familien. Die Gruppe der "Reichen" profitiert daher relativ stärker vom "Gratiszugang" zur Universität. Vom Blickwinkel der Verteilungsgerechtigkeit wären daher Studiengebühren und ein vernünftiges Stipendiensystem (Vorschlag von Landeshauptfrau Burgstaller) sozial gerechter.

Außerdem sind überlaufene Universitäten, die zügiges Studieren verhindern, für sozial schwache Schichten ein größeres Hindernis als moderate Studiengebühren. Bleibt zu hoffen, dass die massive internationale Kritik am österreichischen Bildungssystem die Reformblockade überwinden hilft.