SN.AT / Kolumne / Hinter den Zahlen / Hinter den Zahlen

Das Bargeld abschaffen - ist das klug?

Das Bargeld abschaffen - ist das klug?Staaten, die das Verwenden von Bargeld einschränken, greifen in die Privatsphäre der Bürger ein und liefern sie "Big Data" völlig aus.

Marianne Kager

Der russische Dichterfürst Dostojewski schrieb einst: "Geld ist die geprägte Freiheit." Ist die uneingeschränkte Verwendung von Bargeld unsere letzte Freiheit vor staatlicher Überwachung und vor dem uneingeschränkten Zugriff von Google und Co. auf unser Privatleben?

Immer mehr Regierungen überlegen, die Verwendung von Bargeld zu beschränken. Nach Italien, Spanien und Frankreich diskutiert auch Deutschland Limits für das Verwenden von Bargeld. Das erste Argument, das man den Bürgern verkauft, ist, dass man so Terrorismus und andere Verbrechen besser bekämpfen kann. Doch weder der IS noch die Mafia brauchen heute den sprichwörtlichen Geldkoffer, um Geschäfte abzuwickeln. Es gibt genügend Finanzplätze, an denen relativ leicht Geld gewaschen werden kann, das dann über diverse Kanäle an seinen Bestimmungsort fließt.

Anders verhält es sich mit dem zweiten Argument, man könne mit dem Verbot großer Bargeldtransaktionen auch die Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen. Steuerhinterziehung im großen Stil eher nicht, die läuft nicht über Bartransaktionen. Und um Steuerhinterziehung zu bekämpfen, könnte man mit einer Änderung der EU-Richtlinien mehr erreichen. So werden in der EU jährlich ca. 100 Mrd. Euro an Mehrwertsteuer hinterzogen, auf eine neue Richtlinie konnte man sich aber nicht einigen.

Was bedeutete das Beschränken der Verwendung von Bargeld für Wirtschaft und Bürger? Zum einen hat nur Bargeld eine unmittelbare schuldbefreiende Wirkung in einer Gläubiger- Schuldnerbeziehung, wogegen bei jeder andern Zahlungsform die Erfüllung erst mit dem Eingang auf das Konto des Gläubiger erfolgt. Kreditkartenzahlungen sind auch nicht kostenlos, weder für den Inhaber noch für jenen, der eine Zahlung mittels Kreditkarte akzeptiert.

Man kann nicht wegreden, dass ein Beschränken der Bargeldverwendung ein Eingriff in die Privatsphäre der Bürger wäre. Wer will schon, dass der Preis eines teuren Geschenkes über die Kreditkartenabrechnung auf dem gemeinsamen Konto ersichtlich ist? Das größte Problem dabei ist aber, dass der Staat die Geheimhaltung dieser finanziellen Transaktionen nicht garantieren kann. Und es ist ein Unterschied, ob ich meinen "Fingerabdruck" durch die Benutzung von Internet, sozialen Netzwerken und Kreditkarten oder Handytransaktionen freiwillig im Netz hinterlasse oder ob ich durch Gesetze - wie dem Verbot großer Bargeldtransaktionen - dazu gezwungen werde.

Man mache sich keine Illusionen: schon heute werden sekündlich unvorstellbar große Datenmengen abgeschöpft. Und die Verwertung elektronischen Zahlungen geschieht ganz legal, abgesichert durch den Kreditkartenvertrag. Diese Informationen finden sich dann auf Listen, mit denen gehandelt wird. Die Auswertung erfolgt durch intelligente Algorithmen, und es entsteht "hinter dem Bildschirm" ein Bild von uns, von dem wir nicht wissen, ob es stimmt. Und wer es wofür benützt. Zu glauben, irgendein Staat könne uns davor schützen oder jene kontrollieren, die diese Bilder entwerfen, ist eine Illusion. Daher ist die Beschränkung des Bargelds nicht nur eine Beschränkung der persönlichen Freiheit. Es ist auch ein Stück Auslieferung der Bürger an jene Unternehmen, die " Big Data" für ihre Zwecke verwenden. Das sollte sich ein Staat sehr gut überlegen.