SN.AT / Kolumne / Scholls Welt / Scholls Welt

Das erleben die Krimtataren nicht zum ersten Mal

Erst zum Ende der Sowjetunion konnten die Tataren wieder auf die Krim zurückkehren. Nun werden sie erneut vertrieben.

Der einzige tatarische Fernsehsender ist geschlossen. Rund 25.000 Angehörige dieser verfolgten ethnischen Gruppe sind geflüchtet. Und der 71. Jahrestag der Deportation der Tataren unter Stalin durfte nicht begangen werden. Oder besser: Er wurde von den neuen Behörden der Krim mit einer lieblosen Kranzniederlegung begangen, die direkt Betroffenen durften keine eigene Gedenkkundgebung veranstalten. Das alles wird in der russischen Propaganda natürlich nicht erwähnt. Dort ist nur die Rede von glücklichen Bewohnern der Krim.

Die Realität sieht anders aus. Verfolgung und Repression gegen alle, die die Annexion der Krim an Russland nicht gutheißen, sind an der Tagesordnung. Bei den Tataren gibt es ständig Hausdurchsuchungen - es wird nach Waffen und verbotener Literatur gesucht. Was aber verboten ist, weiß dabei eigentlich niemand so genau. Was die wirtschaftliche Lage betrifft, so sieht diese noch schlimmer aus als im Rest der Ukraine. Denn Hilfe aus Russland kommt, so sagen die enttäuschten Bewohner der Krim, sehr viel zögerlicher als zur Zeit der Annexion versprochen. Ganz zu schweigen von den Touristen, die überhaupt ausbleiben.

An der besonders prekären Lage der Tataren ändert übrigens auch die Tatsache nichts, dass der russische Präsident Wladimir Putin gleich nach der Annexion ein Gesetz unterschrieben hat, das die Rehabilitation der einst unter Stalin deportierten Volksgruppen - darunter auch der Tataren - festlegte. Denn es wird nicht umgesetzt. Die tatarische Gemeinschaft auf der Krim fühlt sich in jene Zeit zurückversetzt, als man als Angehöriger dieser Bevölkerungsgruppe stets unter strenger Beobachtung stand, nicht auf die Krim durfte und allgemein als "Volksfeind" qualifiziert wurde - an die Sowjetzeit. Unter Stalin deportiert und danach bis zum Ende des Imperiums geächtet und an der Rückkehr gehindert, mussten sich die Krimtataren auch nach dem Ende der Sowjetunion ihr Recht auf ihre Heimat schwer erkämpfen. Ihre Häuser waren zerstört oder von anderen bewohnt, ihre Heiligtümer geschändet und entweiht und ihre Rückkehr nicht gern gesehen. Knapp 20 Jahre später sind sie heute wieder gezwungen, die Krim zu verlassen.