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Warum ein Kriegsende denn so kriegerisch feiern?

Viele finden, dass man die Verdienste der Roten Armee im Kampf gegen Hitler nicht gebührend feiert. Schuld daran ist vor allem Putin.

Es war immer schon absurd, das Ende eines verheerenden Kriegs mit militärischen Aufmärschen zu feiern. Ja, die Rote Armee hat einen großen Teil Europas und auch Österreichs unter unglaublichen Opfern vom verbrecherischen Naziregime befreit. Und ja, diese Opfer dürfen nie vergessen werden.

Jedoch: Die heutige russische Armee unter dem Oberbefehlshaber Wladimir Putin ist nicht die Rote Armee, die einst die Nazis besiegt hat. Und zwar trotz Stalin und nicht dank Stalin! Die großen Opfer wurden nämlich auch notwendig, weil Stalin alles tat, um diese am Ende siegreiche Rote Armee zu schwächen.
So weit die Geschichte.

Die heutige Armee Putins aber feiert an diesem 9. Mai - an dem in Moskau des Endes des Zweiten Weltkriegs gedacht wird - nicht das Ende einer Schreckensherrschaft, eines Terrorregimes. Sie feiert sich selbst. Und jene, die heute in der Ukraine einen Krieg führen gegen eine Bevölkerung, die Russland stets als Bruderstaat verstanden hat.

Diese Armee feiert auf Geheiß eines Präsidenten, der sich gegen den allgemeinen Wunsch seiner Bevölkerung, es möge nur ja nie wieder Krieg geben, auf eine Militäraktion im Nachbarland eingelassen hat, die ihm und Russland und der Ukraine nur Unglück bringen kann. Die Erklärung ist ebenso verlogen wie alt. Auch die Afghanistan-Invasion, die ja das Ende der Sowjetunion eingeleitet hat, wurde mit der Notwendigkeit, internationale Solidarität zu üben, gerechtfertigt.

Über die Militäraktion in der Ukraine heißt es jetzt, man habe die russischen Brüder dort beschützen müssen. Diese Brüder, die im Übrigen Ukrainer russischer Sprache sind, wollten aber gar nicht gerettet werden. So sind Tausende von ihnen vor ihren Rettern in den nicht geretteten Westteil der Ukraine geflüchtet. Das ist der Stand der Dinge. Und diesen kann man nicht unterstützen, wenn man ein halbwegs denkender Mensch ist.

Die Verdrehung von Opfer- und Täterrolle hat natürlich auch Tradition. Und zwar nicht nur in Russland, wie alle gelernten Österreicher nur zu gut wissen. Russland sieht sich heute als Opfer einer groß angelegten Verleumdungskampagne und einer Einkreisung durch "den Feind". Genau unter diesen Vorzeichen soll heuer in Moskau die Veranstaltung zum Kriegsende am 9. Mai aufgezogen werden. Man wird sich gegenseitig versichern, dass man sich von den "bösen USA" und vom "bösen Europa" nicht kleinkriegen lassen wird. Man wird das mit einer großen Militärparade untermauern. Nicht mehr die wirklich heldenhaften Veteranen des Kriegs gegen die Nazis werden im Mittelpunkt stehen, sondern jene, die heute in der Ukraine schießen. Dabei geht es offenkundig nicht um mahnendes Erinnern, sondern um militärische Kraftmeierei.

Gut, dass der österreichische Bundespräsident das erkannt und entsprechend reagiert hat. Denn an einer solchen Feier kann ein demokratischer Politiker nicht teilnehmen.