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Das Missverständnis mit den humorlosen Autokraten

Wer als Politiker Satire nicht hinnehmen kann, hat nicht ein Problem mit dem Humor, sondern mit seinem Amtsverständnis.

Viktor Hermann

Recep Tayyip Erdoğan tobt. Deutsche Spaßvögel haben ein Video mit einem Song produziert, der die diktatorische Medienpolitik des Möchtegern-Sultans auf die Schippe nimmt. Dank Erdoğans Wutanfall haben mittlerweile Millionen Menschen das Video gesehen.

Donald Trump hat einen Comedian verklagt, weil der zwei Fotos nebeneinanderhielt: eines von Trump mit seiner leicht orangefarbenen Sturmfrisur und eines von einem Orang-Utan mit ähnlicher Haarfarbe. Der Milliardär verstand keinen Spaß, als der Comedian unterstellte, da könnte abstammungsmäßig ein Zusammenhang bestehen. Dank Trumps Klage wurde aus einem rüden Witz für einen Tag eine über drei Monate andauernde Debatte über die Vorfahren Trumps (Affen oder nicht?).

Im Russland Wladimir Putins riskieren Journalisten, die sich gegen den Herrn Präsidenten stellen, nicht nur den Zorn des Herrschers, sondern Leben und Gesundheit. Ähnlich empfindlich reagieren aber auch die Mächtigen in Ungarn und Polen auf "unbotmäßige" Kritik in der Öffentlichkeit.

In westlichen Ländern lachen wir gerne über diese Zornesausbrüche à la Rumpelstilzchen und nennen sie humorlos. Damit machen wir uns aber einer schweren Fehleinschätzung schuldig. Erdoğan, Trump, Putin, Orbán, Kaczyński und Konsorten fehlt es nicht an Humor, es fehlt ihnen am rechten Amtsverständnis. Wer auf Kritik und Satire mit dem Richter reagiert, der vergisst, dass er als gewählter Politiker zwar der erste Diener seines Landes ist, aber vor allem noch immer ein Diener all jener Menschen, die ihm das Amt des Regierungschefs oder des Präsidenten anvertraut haben.

Dieser Diener der Bevölkerung hat ja auch nicht mehr nur seine eigene Klientel, seine eigenen Wähler zufriedenzustellen, sondern das ganze Land, die gesamte Bevölkerung. Es ist die Pflicht und Aufgabe der Medien, dem Herrscher beständig einen Spiegel vor Augen zu halten und ihn ununterbrochen daran zu erinnern, welche Rolle er in einer Demokratie übernommen hat.

Je mehr Freiheiten sich ein Politiker in seiner Wortwahl herausnimmt - und dabei Menschen durch Pöbelei vor den Kopf stößt wie Trump -, desto größer muss seine Bereitschaft sein, sich kritisieren, ja sogar anpöbeln zu lassen. Denn auch hier gilt, dass es aus dem Wald so zurückschallt, wie man hineinruft.

Je offener ein Präsident wie Erdoğan gegen Journalisten auftritt und die Pressefreiheit verhöhnt, die ja ein integraler Bestandteil des politischen Diskurses in einer Demokratie ist, desto mehr wird er scharfer Kritik ausgesetzt sein und muss sich den Hohn der Medien gefallen lassen.

Wer als gewählter Politiker die Allüren eines absolutistischen Herrschers zeigt, darf sich nicht wundern, wenn er auch so attackiert wird wie ein Tyrann.