Nicht allein Wissen verleiht Macht. Wäre das noch immer der Fall, lebten wir in einer Welt der Klugen, der Wissenden, derer, die Macht auf der Kenntnis von Fakten und deren Verknüpfung erwerben und nutzen. Die Entwicklung von politischem Verhalten und der Kommunikationstechnik hat die Gleichung von Wissen und Macht verschoben - hin zu einem Zustand, in dem Manipulation zum Normalzustand geworden ist.
Die Fähigkeit, das Wissen anderer zu beeinflussen und womöglich auch noch zu lenken, entscheidet weitgehend darüber, wer die Lufthoheit über den elektronischen Stammtischen erobert, und damit auch, wer Einfluss auf das Denken der anderen hat - und wer Wahlen gewinnt.
Der Schock der Brexit-Abstimmung in Großbritannien und der Schock der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten haben der Welt vor Augen geführt, wie weit der Einfluss raffiniert gesteuerter Falschinformation gehen kann. In Großbritannien haben nationalistische Gefühle weit mehr zur Entscheidungsfindung beigetragen als die Kenntnis von Fakten. In den USA stellt sich heraus, dass der Präsident nicht regiert, sondern lediglich mehrfach pro Tag Eitelkeiten und Gemeinheiten per Twitter in die Welt hinausbläst.
Doch wer glaubt, Facebook, Twitter und Co. seien die Alleinverantwortlichen für Manipulation und für den Vorrang dumpfer Gefühle vor klaren Gedanken, der irrt. Schon seit vielen Jahren tummeln sich in der Welt der Kommunikation Mitspieler, die zwar nicht notwendigerweise so lügen wie die Produzenten von "Fake News". Doch sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass das Publikum abgestumpft ist, überfordert von einer riesigen Welle der Überinformation. Es geht dabei nicht notwendigerweise um den berühmten Sack Reis, der irgendwo in China umgefallen ist und Gegenstand ausführlichster Berichterstattung wird.
Doch man muss nur die klassischen Medien verfolgen, Fernsehen, Radio und auch viele Printmedien, um zu sehen, wie der Konsument von Information überschwemmt wird mit irrelevantem Geplauder und Gewäsch. Es erinnert schon ein wenig an die "Brot und Spiele"-Methode zur Gewinnung der Massen im klassischen Rom.
Die Berichterstattung über ein Großereignis beginnt nicht am Tag des Geschehens, sondern lange vorher. Geradezu hektisch schrieben und redeten viele Medien (vor allem der Boulevard) die Ereignisse des G20-Gipfels herbei, lange bevor der erste Regierungschef in Hamburg eingetroffen war, lange bevor der erste Autonome seinen Rucksack mit Wurfgeschossen und Sturmhaube bestücken konnte und lange bevor der erste Polizist einen Schlagstock auch nur angeschaut hat.
Eine Öffentlichkeit, die schon so sehr mit relevanter und irrelevanter Information, mit Bedeutendem und völligem Quatsch überschüttet wird, verliert die Lust daran, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Und damit wird sie eine leichte Beute jener, die mit Lügen (= Fake News), mit Hasspostings in den diversen Netzwerken zur Verwirrung beitragen. Kein Wunder, wenn sich Menschen schließlich in ihre Filterblasen und Echokammern zurückziehen, wo sie fast nur noch das lesen und hören, was ihren eigenen Ansichten entspricht.
Dann haben jene Verführer leichtes Spiel, die lauthals schreien: "Wir sind das Volk", wiewohl sie bei Wahlen zwischen 15 und 30 Prozent pendeln, also präpotent 70 bis 85 Prozent des Volkes einfach aus ihrer Definition von "Volk" ausschließen.
Es gibt freilich auch den einen oder anderen Silberstreif am Horizont. Der mächtigste Populist der Welt, US-Präsident Donald Trump, hat seine Fake-News-Twitter-Herrschaft so sehr übertrieben, dass ihm nun ernsthafter Widerstand aus den Reihen der Republikaner entgegenschlägt. Nicht nur, dass sie ihm wiederholt die Abschaffung von Obamacare verweigerten. Nun hat einer der prominentesten republikanischen Senatoren, John McCain, seinen eigenen Parteifreunden die Leviten gelesen. Mit der Kritik, dass sie in sieben Jahren eines republikanisch beherrschten Kongresses nichts bewirkt hätten, als die Spaltung Amerikas zu vertiefen, hat sich McCain aus der republikanischen Echokammer herausgekämpft und den Blick darauf gerichtet, dass Kooperation im Kongress nottut, wenn die Politik wieder das tun will, wozu sie da ist: den Bürgerinnen und Bürgern zu dienen.