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Von wegen "Lügenpresse" - die Lügner sitzen ganz woanders

Der Vorwurf, die Medien vertuschten kriminelle Taten von Asylbewerbern, trifft nicht. Viele "Vorfälle" sind böswillig frei erfunden.

Viktor Hermann

Diskussion und Auseinandersetzung von verschiedenen Meinungen sind wesentlicher Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft. Zeitungen, TV- und Radiostationen müssen sich die Funktion des Diskussionsforums seit Langem mit den sogenannten sozialen Medien teilen. Freilich haben Facebook und Co. einen großen Nachteil: Niemand kontrolliert mehr den Wahrheitsgehalt dessen, was da ins Netz eingespeist wird.

Vielmehr gibt die tatsächliche oder vermeintliche Anonymität im Netz allen möglichen Trollen die Möglichkeit, mit Geifer abzusondern, was sie im direkten Gespräch nie zu sagen wagten. Pöbelige Eiferer gegen die Integration der Ausländer (hoppala, das sieht ja aus wie die Abkürzung Pegida) führen gerade in den sozialen Medien ihren Rassismus und ihre Xenophobie äußerln, als wären das Kampfhunde ohne Leine und Beißkorb.

Dieselben Leute schreien jedes Mal "Lügenpresse", wenn ihnen die Berichterstattung von Zeitungen, TV- oder Radiostationen nicht in ihr vorurteilsbeladenes Konzept passt. Dabei sind sie selbst es, die Falschmeldungen produzieren, auf die so manche Zeitung und so mancher Politiker hereinfallen. FPÖ-Chef Strache zum Beispiel wurde dabei erwischt, wie er eine dieser per Facebook produzierten Lügen wiederum per Facebook weiterverbreitete. Es ging um das Gerücht, Asylbewerber hätten einen Supermarkt überfallen und ausgeraubt. Nur wusste der betroffene Supermarkt nichts davon und die Geschichte erwies sich als erstunken und erlogen.

Immer wieder tauchen im Netz diese Geschichten auf: über Gruppen von Asylbewerbern, die Frauen vergewaltigt, Hunde oder Pferde geschlachtet, Supermärkte ausgeraubt hätten. Meist ist es schwierig, Zeugen zu finden, weil - so wie schon bei den Urban Legends à la "Die Spinne in der Yucca-Palme" - der Berichterstatter immer den Bekannten eines Bekannten zitiert.

Nun gibt es eine verdienstvolle Website (www.hoaxmap.org), deren Autoren sich der mühevollen Arbeit unterziehen, derlei Falschmeldungen zu entlarven. Auf einer Landkarte sind derzeit 209 Orte in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingetragen, an denen solche angeblichen Vorfälle gemeldet wurden, die sich allesamt als falsch herausgestellt haben. Aufgedeckt werden die Falschmeldungen meist durch lokale Medien, die allesamt nicht unter dem Verdacht stehen können, sie seien Teil einer "Lügenpresse-Verschwörung".

Niemand hat je behauptet, es gebe nicht auch unter den Asylbewerbern Kriminelle. Die Autoren der oben zitierten Falschmeldungen aber verfolgen das Ziel, alle Flüchtlinge in ein schlechtes Licht zu setzen. Es ist ihnen gelungen, vor allem die Rassisten und Xenophoben unter unseren Mitbürgern als Lügner bloßzustellen.