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Warum schreit jetzt keiner: "Sperrt ihn ein!"?

Donald Trump hat vorsorglich festgelegt, wie mit Politikern zu verfahren ist, die Geheimnisse nicht bewahren können.

Viktor Hermann

Donald Trump weiß, wie man die Massen begeistert. Er hat im Wahlkampf bewiesen, dass er eine große Zahl von Anhängern in einen Taumel der Begeisterung versetzen kann, indem er ihnen zwei Dinge verspricht: Amerika wieder groß zu machen einerseits; und all jene zu verfolgen, zu bestrafen und einzusperren, die diesem hohen Ziel im Wege stehen.

Nach der Wahl ist vor der Wahl - und Donald Trump hat schon nach nur hundert Tagen seiner Amtszeit im Weißen Haus die ersten Fernsehspots schalten lassen, in denen er sich für fulminante Erfolge lobte, die freilich sonst niemand wirklich wahrnehmen konnte. Mit geradezu rührender kleinkindlicher Geste erzählt Trump seither in nahezu jedem Interview, wie wunderbar er mit den Großen und Mächtigen der Welt auf gleicher Stufe stehe.

Das ist aus zwei Gründen verblüffend: Zum einen gibt er diese Interviews selbst jenen Medien, die er als Produzenten von "fake news" diffamiert. Und zweitens sollte es selbst ein schlichtes Gemüt nicht verwundern, dass der mächtigste Mann der Welt von den zweit- und drittmächtigsten Männern der Welt hofiert wird - ganz zu schweigen von den Staats- und Regierungschefs der mittleren und kleineren Staaten. Trump wirkt da wie ein Siebenjähriger, der seinen gleichaltrigen Freunden permanent bestätigen muss, wie cool und klass er doch sei.

Freilich muss selbst der Präsident der USA erkennen, dass seine persönliche Macht von einem dichten Zaun an Regeln und Vorschriften, von den sogenannten "checks and balances", umstellt und somit durchaus eingeschränkt ist. Es ist halt ein Unterschied, ob einer der Chef seines eigenen Unternehmens ist, in dem er wie ein Patriarch durchgreifen kann, Leute anheuern und feuern kann, wie es ihm beliebt, und der auch im Umgang mit Konkurrenzunternehmen den Ton setzt. Oder ob einer der Präsident eines Landes ist, das so mächtig ist, dass es jederzeit über Krieg und Frieden entscheiden könnte, die halbe oder die ganze Welt in Schutt und Asche legen könnte - und der gerade deshalb von einem Parlament kontrolliert wird, dem eine starke Justiz gegenübersteht und der starker Kontrolle sogar von Beamten unterworfen ist.

Kein Wunder also, dass ihn das Justizministerium kurz und bündig darüber informiert hat, dass ab sofort ein Sonderermittler prüfen werde, ob der Präsident mit seinem losen Mundwerk höchst geheime Informationen ausgerechnet einem der größten Gegenspieler der USA verraten hat, nämlich Russland.

Dabei kommt Trump - vorerst - noch ganz gut weg. Ginge es nach dem, was Donald Trump unter dem Jubel seiner Anhänger für Hillary Clinton verlangte, weil sie mit heiklen E-Mails sorglos umgegangen war, dann müssten er selbst und vor allem seine Anhänger jetzt lauthals brüllen: "Sperrt ihn ein!"