SN.AT / Kultur / Kunst

Ethan Gutmann: Auf den Spuren der Schlächter

Enthüllungsjournalist Ethan Gutmann zeigt grausame Facetten des chinesischen Organhandels auf. Für eine Leber wird gemordet - und der Staatsapparat gibt die Morde in Auftrag. Der Autor im SN-Interview.

Ethan Gutmann: Auf den Spuren der Schlächter
Ethan Gutmann: Auf den Spuren der Schlächter
Ethan Gutmann: Auf den Spuren der Schlächter
Ethan Gutmann: Auf den Spuren der Schlächter
Ethan Gutmann: Auf den Spuren der Schlächter
Ethan Gutmann: Auf den Spuren der Schlächter

Tausende Menschen verschwinden in China spurlos. Die Verschleppten kehren nie wieder zurück. Dafür ihre Organe - als "Ersatzteile" für "Organtouristen". Ethan Gutmann beleuchtet in seinem neuen Buch den chinesischen Organhandel. Im SN-Interview fasst der US-Autor die Hintergründe der Bluttaten zusammen. Er beschreibt, wie man an solch delikate Information herankommt und wieso China dennoch der "beste Platz der Welt" sein kann.

SN: Ihr Buchtitel, "The Slaughter", erinnert an einen Massenmörder wie Jack the Ripper. Es steckt jedoch viel mehr dahinter.
Gutmann: Der Titel war nicht meine erste Wahl. Ich wollte das chinesische Wort für "Slaughter" (Gemetzel, Anm.). Davon wurde mir abgeraten. Kein Titel ist perfekt. Und es stimmt: Es steckt mehr dahinter.

SN: Was steckt dahinter?
Ein perfides System. Von offizieller Seite aus wurden Hunderttausende verfolgt, die dem Regime nicht gut zu Gesicht standen. Viele von ihnen wurden ohne Prozess ins Arbeitslager geschickt. Allein zwischen den Jahren 2000 und 2008 wurden von mindestens 65.000 dieser Gefangenen Organe geraubt.

SN: Besonders Anhänger der religiösen Bewegung Falun Gong sind betroffen.
Die Regierung sieht in Falun Gong eine Bedrohung - deshalb verfolgt man sie. Dazu kommt, dass sie weder rauchen noch trinken. Sie sind also perfekte "Organspender".

SN: Wie wird "gespendet"?
Die Gefangenen werden untersucht, etwa ihre Niere, Leber oder Hornhaut. Sobald eine Exekution durchgeführt wird, werden die Gefangenen so angeschossen, dass sie nicht sofort sterben. Die Organe werden dann Krankenhäusern gegeben, etwa für Organtouristen.

SN: Wie haben Sie derart prekäre Informationen bekommen?
Mein Rechercheassistent Leeshai Lemish praktiziert selbst Falun Gong. Gemeinsam haben wir rund fünf Jahren lang 120 Personen befragt. Viele sind Falun-Gong-Anhänger, die im Exil leben, etwa in Kanada oder Thailand.

SN: In China selbst haben Sie aber nicht recherchiert.
Nein. Als ich mein Buch "Losing the New China" geschrieben habe, habe ich in China gelebt. Seit dieser Zeit bin ich in China nicht sehr willkommen . . . Ich bin de facto verbannt. Aber der Blick von außerhalb hat nicht geschadet. Im Gegenteil: Die Betroffenen konnten sprechen, ohne Repressalien zu erwarten.

SN: Wurden Sie selbst unter Druck gesetzt?
Mein Assistent hatte Probleme, aber es war nicht schlimm. Wir sind weiß. Und die chinesische Regierung ist nicht blöd.

SN: Ist es schwer, die Betroffenen zu Aussagen zu bewegen?
Ja, es ist sehr schwer. Man muss zum Teil mehrere Tage mit den Menschen verbringen.

SN: Das heißt, Empathie ist im Investigativjournalismus besonders wichtig?
Mit Menschen umgehen zu können, ist sicher besonders wichtig. Jeder hat seine Talente. Mein größtes Talent ist wohl Vertrauen aufzubauen. Näher als wir rangekommen sind, wird man kaum rankommen.

SN: Werden Sie jemals wieder nach China reisen?
Ich würde gerne zurückkehren. Doch das wird wohl nie möglich sein. Ich lebe de facto selbst im Exil. Aber Peking wird meine Lieblingsstadt bleiben, weil ich mich persönlich wohlgefühlt habe. Es stimmt zudem, dass China der weltbeste Platz ist, um zu wirtschaften.

SN: Dem Thema "Menschenrechte" bleiben Sie aber treu.
Ja, ich bezeichne mich auch gerne als Menschenrechtsjournalist. Und in diesem Bereich gibt es viel zu tun. Es wird meiner Ansicht nach zu viel Aktivismus betrieben. Es braucht mehr Grundlagenrecherche - und nicht nur T-Shirts, Twitter-Hashtags oder Facebook-Postings.Zur Person: Ethan GutmannEthan Gutmann hat jahrelang in China gearbeitet, etwa als Berater für US-Unternehmen. Der 56-jährige Amerikaner ist mittlerweile Autor und Freier Journalist. Sein Buch "The Slaughter" ist seit Kurzem im Buchhandel sowie online erhältlich und wird aller Voraussicht nach 2015 auch auf Deutsch erscheinen.

KULTUR-NEWSLETTER

Jetzt anmelden und wöchentlich die wichtigsten Kulturmeldungen kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.