SN.AT / Kultur / Kunst

Trackshittaz wackeln sich nach Baku

Im Rhythmus einer Traktorfahrt geht’s mit den Trackshittaz ins Hinterland: Eine Stil- und Textkritik.

Trackshittaz wackeln sich nach Baku
Trackshittaz wackeln sich nach Baku


Wir wollen nicht gleich prüde werden. Dass sich in einem Popsong alles um die vier Buchstaben dreht, ist an sich weder bemerkenswert noch ist es die tiefe Kehrseite einer Kultur, die sich sonst immer brav über der Gürtellinie bewegt. Im Gegenteil: Anhand vieler einschlägiger Hits ließe sich eine ganze Kulturgeschichte des Allerwertesten in der Popmusik verfassen.

Nur ein paar Beispiele: ORF-Liebling Sido landete mit "Beweg Dein Arsch" einen Hit. Für die deutsche Band Die Ärzte wurde der Song "Schrei nach Liebe", dessen Refrain aus dem wiederholten Wort "Arschloch" besteht, zu einer ihrer erfolgreichsten Singles. Auch Popstar Prince besang im Lied "Sexy MF" einen kreisenden Hintern. Queen verfassten ein Loblied auf "Fat Bottomed Girls". Und mit "Shake Your Booty" haben KC and the Sunshine Band schon anno 1976 einen Hit gelandet, der sich auf Mühlviertlerisch ziemlich wörtlich mit "Woki mit deim Popo" übersetzen ließe. Womit wir hinterrücks auch schon beim Thema wären.

Der Sieg des Mühlviertler Duos Trackshittaz bei der ORF-Ausscheidung zum Songcontest in Baku mit ihrem Song "Woki mit deim Popo" sorgt seit dem Wochenende für Debatten. Billig, primitiv, genial, unterhaltsam, genau, was das Land verdient - all diese Attribute stimmen, wenn man den Song nur genau analysiert.

Genial ist, wie in den Holzhammer-Beat feine Sprengsel der Popgeschichte als leicht erkennbare Widerhaken für die Erinnerung eingezogen sind: Etwa am Ende der ersten Refrainzeile das markante "Uuh Uuh" aus "Let’s All Chant", mit dem die Michael Zager Band 1978 einen Disco-Hit schaffte. Und das "Shake Your Booty" taucht in einer Zeile ganz direkt als Zitat auf: ". . . dann kanns springa springa, Bootyshake, schlimma Finger." Es gelingt auch die Pioniertat, in der deutschsprachigen Popmusik ein total ländlich tiefes Synonym für die Entblößung weiblicher Brüste einzubauen: ". . . aussa mit de Depf" (dt. Töpfe). Die Trackshittaz, Lukas Plöchl und Manuel Hoffelner, berufen sich als Inspirationsquelle ihres schwitzigen Tuns auf der Suche nach Erfüllung erotischen Begehrens unter anderem auf Rapper wie 50 Cent. Schablonenhaft zeichnen sie in vielen ihrer Songs thematisch und stilistisch das Genre des harten Rap nach. Sexismus, Machismus und der Verzicht auf das Einziehen jeder literarischen Ebene sind prägend. Eine Distanz zwischen Erzähltem und Erzähler gibt es da nicht. Trackshittaz nehmen keine Beobachterposition ein. Es ereignet sich keinerlei ironische Brechung des Berichteten, aus dem sich selbst mit bescheidenen Mitteln auch so etwas wie eine tanzbare Analyse männlicher Verhaltsweisen kreieren ließe. Man meint aber sich selbst, wenn es heißt: "Wia san am Start . . . Mundort yeah wir zwa san Stars, plündern Bars . . ." Selbstüberhöhung ist Prinzip. Die Übersetzung einer solch großen Gangsta-Rap-Welt in die Gegebenheiten der Mühlviertler Hügellandschaft fällt dann halt nur halb so lässig aus wie jedes Original. Versteifung auf Anmachrituale"Woki mit deim Popo" bereitet mit der Feinfühligkeit eines Traktors die Anbahnung körperlichen Vollzugs des Zwischenmenschlichen vor. Zurückhaltung gilt da nichts. Da drängt sich das Y-Chromosom in den Vordergrund. Song geworden ist hier die Versteifung auf eine simple Vorgehensweise: anbaggern, aufreißen, abschleppen.

Der Bewegungsradius, in dem sich der Song ereignet, ist noch überschaubar: Ö3, Formatradios und als nächste Live-Auftrittsorte Wiener Neustadt und Oberpullendorf. Und im Mai halt Baku. Wie Europa es vertragen wird, wenn ihm mit dem Wackelarsch ins Gesicht gefahren wird?

Grundsätzlich hat der Songcontest entgegen vieler wohlmeinender Rechtfertigungen nicht gar so extrem viel mit inhaltlichem oder musikalischem Niveau zu tun. Es geht eher um . . . was auch immer. Oft reicht es, Eindruck zu hinterlassen: ob mit sehnsüchtigen Großballaden, Ethno-Folkpop oder hingedroschener Dorfdisco-Anhabigkeit und Striplokal-Fantasien, spielt keine Rolle.

KULTUR-NEWSLETTER

Jetzt anmelden und wöchentlich die wichtigsten Kulturmeldungen kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.