Bleiben nach Gaza- oder Ukraine-Krieg bloß sprachlose Trauer? Der aus Argentinien stammende kanadische Schriftsteller Alberto Manguel gab am Wochenende dazu eine beachtenswerte Sichtweise, indem er an die Dramen von Euripides über die kriegerische Vernichtung Trojas erinnerte: Darin wird geschildert, wie sich jene gefühlt haben, die von griechischen Kriegern besiegt worden sind, wie sich das Weinen anfühlt, wenn Männer, Eltern und Kinder getötet sind, wenn nach dem Massaker nur die Schmach bleibt. Ein literarisches Werk wie von Euripides könne ein "Feuer" in einen Dialog transformieren, sagte Alberto Manguel. Das Erzählen einer Geschichte eröffne das Nachdenken darüber - etwa in Euripides" "Troierinnen" die Reflektion der Griechen über ihren eigenen Sieg. Und hier wie in jeder erzählten Geschichte sei der letztliche Zweck: "Vergesst nicht!"
Dieses humanisierende Kraft von Erzählen und Lesen hob Alberto Manguel in seiner Dankesrede für den internationalen "Premio Nonino" hervor, der ihm am Samstag in Percoto in der Nähe von Udine verliehen worden ist. Der italienische Grappa-Hersteller Noninio verleiht seit 1975 fast jedes Jahr Kulturpreise - für bäuerliche Kultur ebenso wie für Literatur und gesellschaftliche Leistung. Mit Stolz wird daran erinnert, dass fünf der seither Ausgezeichnten spätere Nobelpreisträger geworden sind.
Alberto Manguel, der mit Büchern wie "Geschichte des Lesens", "Die Bibliothek bei Nacht", "Die verborgene Bibliothek" oder "Eine Stadt aus Worten" Furore gemacht hat, wurde als unermüdlicher Advokat für Bibliotheken und als Vermittler der Freude am Lesen geehrt.
Der Premio Nonino wurde auch in weiteren Kategorin verliehen, etwa jene für "bäuerliche Kultur" an die Bäuerinnen-Kooperative "Früchte des Friedens" in Bosnien-Herzegowina. Als "Meisters unserer Zeit" wurde die US-amerikanischen Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes gewürdigt. Die Harvard-Professorin hat aufgedeckt, wie gezielte Desinformation den Konsens zerstöre, dass es Ziel der Wissenschaft sei, die Lebensbedingungen zu verbessern. Als Beispiel für Bereiche, in denen Lobbyisten oder bestimme Industrien die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft gezielt unterminiert und damit Menschenleben gefährdet hätten, nannte sie Tabakwerbung, Klimawandel oder Covid-Impfungen.