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Dokumentarfilm "Mozart's Sister" feiert Premiere in Salzburg: Das Wunder in Mozarts Schatten

Wäre Maria Anna Mozart auch berühmt, wenn sie die gleichen Chancen gehabt hätte wie ihr Bruder? Ein Film stellt diese Frage neu.

Alyona Popova als Maria Anna Mozart in der Spieldoku „Mozart’s Sister“.
Alyona Popova als Maria Anna Mozart in der Spieldoku „Mozart’s Sister“.

In dem Brief, den Maria Anna Mozart von ihrem Bruder aus Rom bekommt, schickt er ihr nicht nur Grüße, sondern auch großes Lob: "Ich habe mich recht verwundert, daß du so schön Componiren kanst", schreibt der 14-Jährige seiner 18-jährigen Schwester, "mit einem Wort, das lied ist schön, und probiere öfter etwas."

Es ist das Jahr 1770, Wolfgang Amadé Mozart ist mit seinem Vater Leopold auf großer Italien-Reise, wo er die wichtigen musikalischen Strömungen seiner Zeit einsaugen kann. Maria Anna, von allen Nannerl genannt, ist mit ihrer Mutter zu Hause in Salzburg geblieben. Wenige Jahre zuvor ist die Familie noch gemeinsam durch Europa gereist, um die beiden pianistischen Wunderkinder der staunenden Öffentlichkeit zu präsentieren. Jetzt ist Maria Anna fast erwachsen - und hätte als Frau im 18. Jahrhundert keine Perspektive, Musik zu ihrer Profession zu machen. Fürstenhöfe, vor allem aber die Kirche sind für Musiker die wichtigsten Arbeitgeber: "Und eine Frau als Instrumentalistin oder gar Komponistin war in der Kirche damals undenkbar", erläutert Eva Neumayr, Musikforscherin und Gründerin der Salzburger Maria-Anna-Mozart-Gesellschaft, in dem Film "Mozart's Sister".

Was wäre aber, wenn die hochbegabte Schwester die gleichen Chancen gehabt hätte wie der hochbegabte Bruder? Oder wenn sie tatsächlich mehr komponiert hätte, ihre Musik aber einfach verschwunden wäre wie ihre Briefe, die (im Gegensatz zu jenen von Wolfgang und Leopold) meist auch nicht in der Familienkorrespondenz aufgehoben wurden? Solchen Fragen geht die australische Regisseurin Madeleine Hetherton-Miau in der Sky-Spieldokumentation nach, die nach ihrer Premiere beim Sydney Film Festival nun in Salzburg präsentiert wird.

In der Geburtsstadt der Mozart-Kinder war Hetherton mit der Kamera viel unterwegs - in den Mozart-Museen und im Autografen-Keller der Internationalen Stiftung Mozarteum ebenso wie im Archiv der Erzdiözese, deren Musiksammlung die Mozart-Forscherin Neumayr leitet. Interviews führte die Regisseurin aber auch in Australien, England oder den USA mit Menschen, die Maria Anna aus dem Schatten des Weltstars Mozart holen wollen.

Welche Rolle die Entfernung spielt, aus der ein Blick auf die Historie geworfen wird, zeigt sich dabei freilich auch. Während hierzulande die Geschichte der zwei Wunderkinder berühmt ist, die als Klaviervirtuosen Europas Adel verzückten, erzählt die New Yorker Schauspielerin Sylvia Milo, wie verblüfft sie gewesen sei, als sie erstmals das Gemälde gesehen habe, das beide Geschwister am Klavier zeigt. "Wer war die Frau auf dem Bild?", habe sie sich gefragt, "und warum reden wir nie über sie?"

Als Erwachsene führte Maria Anna tatsächlich lange Zeit ein Leben zwischen Salzburg und St. Gilgen, das von familiären Pflichten dominiert war. Ihre pianistische Virtuosität gab sie aber nie auf. Sylvia Milo hat unter dem Titel "The Other Mozart" eine erfolgreiche Off-Broadway-Show kreiert, mit der sie Maria Anna "zurück auf die Bühne" holt.

Dirigent Paul Dyer wiederum stellt die Frage, ob Maria Anna ihrem achtjährigen Bruder bei seiner ersten Symphonie nur mit der Niederschrift half oder ihr eigentlich eine Co-Autorschaft zustünde. Und ein australischer Musiker hat für seinen Verdacht, dass sich im berühmten Notenbuch für Maria Anna nicht nur die Handschriften von Leopold und Wolfgang, sondern vielleicht doch auch jene der Tochter finden könnte, sogar eine Forensikerin engagiert. Die Geschichte der Musikerin in Mozarts Schatten reizt auch zu Spekulationen. "Das Traurige ist", resümiert die junge Komponistin Alma Deutscher, "dass wir wohl nie wissen werden, was wir an ihr verloren haben."

Ö-Premiere: "Mozart's Sister", 21. 11.2024, Salzburg, Mozartkino
Free-TV-Premiere: Servus TV, 26.12.2024, 11:45 Uhr

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