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Alles aufessen, so lautet die Devise

Unkraut? Gibt es nicht. Quasi direkt vor unserer Haustür wachsen unzählige essbare, gesunde und wohlschmeckende Pflanzen.

Wildkräuterexpertin Inge Waltl beschäftigt sich seit ihrer Kindheit mit Wildkräutern und hat zwei Bücher samt Rezepten darüber geschrieben.
Wildkräuterexpertin Inge Waltl beschäftigt sich seit ihrer Kindheit mit Wildkräutern und hat zwei Bücher samt Rezepten darüber geschrieben.

Im frühen Herbst beginnt die Natur schön langsam, sich zurückzuziehen. Seit dem Frühling haben Pflanzen alle Kraft ins Wachstum gesteckt, Blätter und Blüten ausgebildet, die nun zu Früchten geworden sind. "Aktuell sammle ich Kornelkirschen, Süßdolde und Holunderbeeren, die grünen für Hollerkaviar, die reifen schwarzen für Hollerkoch - aber vor allem hole ich mir die Brennnesselsamen, die es jetzt überall gibt", erzählt Wildkräuterspezialistin Inge Waltl. Sie teilt ihr umfangreiches Wissen bereitwillig und hat bisher zwei Kochbücher geschrieben mit unkomplizierten Rezepten zum Nachkochen. "Bald kommen die Hagebutten, die ein wunderbares Mus oder Marmelade ergeben", sagt sie und ergänzt, dass man die Früchte der Wilden Rose auch entkernen (ein wenig mühsam) und getrennt voneinander trocknen kann. Die Kerne ergeben einen feinen Tee, das gemahlene Fruchtfleisch peppt jeden Salat oder jedes Müsli mit reichlich Vitamin C auf.

Aus der Schafgarbe entsteht Sirup oder Likör.
Aus der Schafgarbe entsteht Sirup oder Likör.

Die Samen der Brennnessel beispielsweise sind eine wichtige pflanzliche Proteinquelle, wahre Kraftpakete und ein richtiges Superfood. Sie enthalten ungesättigte Fettsäuren, Vitamine - vor allem Vitamin E -, Kalium, Kalzium, Eisen, Schleimstoffe, Flavonoide und Carotinoide. Gesundheitsbewusste backen sie ins Brot, streuen sie über Salate oder Eierspeisen und rühren sie ins Müsli. "Im Winter streue ich sie, so wie viele andere Wildkräutersamen, auf ein befeuchtetes Küchentuch und lasse sie keimen. Das sind Kraft- und Vitaminspender in der kalten Jahreszeit."

Von August bis Oktober trägt die Pflanze ihre Samen, ergiebig sind vor allem die dicken Trauben der weiblichen Brennnessel. Wie Spinat verkocht, schmecken im Frühjahr die ersten, 20 Zentimeter langen Triebe am besten, später werden nur die obersten Blätter und Triebspitzen gesammelt. Zum Pflücken empfehlen sich Handschuhe, für die Weiterverarbeitung verhindert das Überbrühen mit kochendem Wasser oder das kräftige Auswalken mit einem Nudelholz die schmerzhaften Begegnungen beim Verarbeiten. Die Brennnessel wirkt blutreinigend und -bildend, entschlackend und lindernd bei Gicht oder Rheuma: ideal für eine Frühjahrskur, als Tee, im Salat oder in der Suppe.

"Nur sehr wenige Wildkräuter sind giftig."
Inge Waltl
Kräuterexpertin

Die beste Zeit, um Wildkräuter zu sammeln, ist der Frühling: Bärlauch, Löwenzahn, Gänseblümchen, Giersch, Knoblauchrauke, Wiesenschaumkraut, Hirtentäschel und Co. wachsen saftig um die Wette und punkten mit ihrem frischen Aroma. Finden lässt sich aber auch im Herbst einiges, wie etwa Labkraut, immer noch Löwenzahn, Spitz- und Breitwegerich, Dost, Wilde Möhre, Schafgarbe oder Quendel.

Unkraut ist wohlschmeckend und gesund

Das, was gemeinhin als Unkraut bezeichnet wird, verdient auf alle Fälle einen genaueren Blick. Sehr häufig handelt es sich um Wildformen von dem, was wir als Salat oder Gemüse verspeisen. Und sie punkten vor allem mit jeder Menge gesunder Inhaltsstoffe, die ihnen als Kulturpflanzen abhandengekommen sind. Die meisten in der Küche verwendeten Wildkräuter schmecken nicht nur gut, sondern sie sind gleichzeitig auch wichtige Heilkräuter. Wer sich auf die Suche nach Wildkräutern und Wildgemüse begibt, sollte ein paar Grundregeln beachten. "Es gibt nur sehr wenige Wildkräuter, die giftig sind. Die sollte man jedoch kennen und bei Unsicherheit lieber die Finger davon lassen", betont die Wildkräuterexpertin.

Sie rät überdies dazu, sich eine bestimmte Wegstrecke auszusuchen und diese während des ganzen Jahres über zu gehen. "Manches Pflänzchen erkennt man erst, wenn es blüht, aber da ist es oft mit der Schmackhaftigkeit schon wieder vorbei, weil die jungen Blätter und Triebe das sind, was wir wollen. Wenn ich also weiß, wo welches Kraut blüht, kann ich es in der nächsten Saison in einem Frühstadium an einem bestimmten Standort finden." Empfehlenswert sind Wiesen abseits viel befahrener Straßen sowie Wander- oder Spazierwege. "Ganz lassen sich Feinstaub, Düngemittel und Umweltgifte wohl nie vermeiden, aber ich kann mir abgelegenere Gegenden suchen."

Unkraut sollte man aufessen, nicht ausrotten

Gar nicht freut es sie, wenn sie an den wohlgepflegten Gärten mit kurz geschnittenem Rasen vorbeikommt, wo sich nicht einmal Gänseblümchen oder Löwenzahn wohlfühlen. Auch dem Argument, dass Wildkräuter mit Chemikalien bekämpft werden müssen, kann sie nichts abgewinnen. In ihrem eigenen Garten lässt sie allerhand sprießen und plädiert vor allem dazu: "Lieber aufessen und genießen, als sie mit Gift auszurotten." Bei dieser Gelegenheit fallen ihr zwei besonders verteufelte, nicht heimische Arten ein, die mit viel Engagement bekämpft werden, weil sie sich gerne an unerwünschten Stellen breitmachen: der Japanische Knöterich und das Indische Springkraut mit seinen rosa Blüten, das übrigens mit unserem heimischen, gelb blühenden Springkraut verwandt ist. In der Kindheit war es beliebt, weil die Samenkapseln auf Druck so lustig aufsprangen.

Der Japanische Knöterich ist mit unserem Rhabarber verwandt und schmeckt im jungen Zustand auch so ähnlich. "Er lässt sich wunderbar zu Kompott und Marmelade, als Kuchenbelag oder pikant zu einer Sauce für Spaghetti verkochen. Aus den Springkrautblüten stelle ich Sirup oder Gelee her und die Samen schmecken wunderbar nussig. Je mehr ich sammle, desto weniger neue Pflanzen wachsen im nächsten Jahr nach." Die rosa Blüten produzieren überdies viel Nektar und sind daher eine wichtige Bienen- und Insektenweide im Spätsommer und Frühherbst, wo sonst kaum noch etwas blüht. In China und Japan wird der Knöterich wegen seiner Inhaltsstoffe (Emodin und Resveratrol) geschätzt und bei Entzündungen, zur Stärkung des Immunsystems sowie unterstützend bei der Krebstherapie eingesetzt.

SN-Veranstaltungstipp: MEINE GESUNDHEIT - Kräuter

Wie einen Kräuterheilkunde gut durch die kalte Jahreszeit begleiten kann: 19. November 2025, 19 Uhr, SN-Saal

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