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Wandern mit Diabetes: "Immer auf den eigenen Körper hören", rät der Experte

Gekühltes Insulin im Rucksack: Für Menschen mit Diabetes ist Wandern eine gesundheitsfördernde Sportart, doch einige Vorsichtsmaßnahmen gehören beachtet.

Eine Studie, die Pilger auf dem Jakobsweg untersuchte, konnte zeigen: Wandern ist für Menschen mit Diabetes ein guter Einstiegssport, steigert Wohlbefinden und Lebensqualität.
Eine Studie, die Pilger auf dem Jakobsweg untersuchte, konnte zeigen: Wandern ist für Menschen mit Diabetes ein guter Einstiegssport, steigert Wohlbefinden und Lebensqualität.

Wandern boomt und ein wichtiger Erfolgsfaktor dafür ist, dass man mit gutem Schuhwerk und passender Bekleidung sehr schnell, sehr unkompliziert losstarten kann. Prinzipiell gilt dieser niederschwellige Zugang auch für Menschen mit Diabetes; gleichzeitig gehören in dieser Gruppe Vorbereitungen getroffen und Vorsichtsmaßnahmen eingehalten, damit die Wanderlust nicht in Wanderfrust umschlägt und es zu keinen von der körperlichen Anstrengung beim Wandern ausgelösten medizinischen Komplikationen kommt.

"Bewegung an der frischen Luft fördert den Stoffwechsel und senkt den Blutzuckerspiegel", nennt Andreas Gsenger zwei gesundheitsfördernde Effekte des Wanderns, die diesen Sport für Menschen mit Diabetes attraktiv machen. Regelmäßige Wanderungen, sagt er, hätten zudem positive Auswirkungen auf den Langzeitblutzucker und senkten den HbA1c-Wert, ein wichtiger Parameter zur Beurteilung des Zuckerstoffwechsels. Nicht zuletzt helfe Wandern beim Abnehmen und unterstütze einen niedrigeren Blutdruck, beschließt Gsenger die Aufzählung, "was sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirkt"

Wandern ist guter Einstiegssport für Menschen mit Diabetes

Gsenger ist Pflegeexperte, freiberuflicher Diabetesberater und Vertreter des Bundeslands Salzburg im Verband Österreichischer DiabetesberaterInnen (VÖD). Eine wissenschaftliche Pilotstudie bestätigt seine Liste gesundheitsfördernder Effekte des Wanderns für Diabetiker. 2023 begleiteten Forschende der Deutschen Sporthochschule Köln erstmals Menschen mit Diabetes bei einer fünftägigen Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg in Spanien. Die dabei gewonnenen Daten zeigen: "Wandern ist für Menschen mit Typ-2-Diabetes mellitus eine gute Einstiegssportart, steigert das Wohlbefinden und die Lebensqualität und führt bei den Betroffenen zu keiner außergewöhnlichen Belastung im Diabetesmanagement."

In Österreich leiden etwa 800.000 Menschen an Diabetes mellitus, rund 90 Prozent der Betroffenen am Typ-2-Diabetes, der oft mit Übergewicht, Adipositas und Bewegungsmangel einhergeht, sagt Gsenger. Mit seinen Tipps für gesundheitsförderndes Wandern fokussiert er auf diese Gruppe; für Menschen mit Typ-1-Diabetes, der von einer Autoimmunerkrankung ausgelöst wird, brauche es darüber hinausgehende Vorbereitungen, die an die jeweilige Person angepasst gehören. Prinzipiell rät Gsenger aber auch Menschen mit Typ-2-Diabetes, vor allem wenn diese an Begleiterkrankungen laborieren, in der Vorbereitung von längeren Wandertouren medizinischen Rat einzuholen.

Grundregel für gutes Wandern: Auf den eigenen Körper hören!

Als Grundregel für gutes Wandern ohne böse Überraschungen postuliert der Diabetesberater: "Immer auf den eigenen Körper hören!" Eine dem jeweiligen Fitness- und Ausdauerpotenzial angepasste Tourenplanung könne da von vornherein helfen, sagt Gsenger, dass es zu keinem falschen sportlichen Ehrgeiz und einer Überforderung während der Tour komme.

"Besonderes Augenmerk auf passendes Schuhwerk."
Andreas Gsenger
Diabetesberater

Wichtig ist ihm auch zu betonen, dass Menschen mit Diabetes bei der Vorbereitung einer Wanderung besonderes Augenmerk auf passendes und festes Schuhwerk legen müssen, um Blasen und Schürfwunden vorzubeugen. Für den Fall der Fälle, dass man sich die Füße trotzdem wund läuft, gehören Desinfektionsmittel, Heft- und Blasenpflaster zusammen mit einem Erste-Hilfe-Set in die Rucksackapotheke. Wanderer mit insulinpflichtigem Diabetes müssen zudem auch das notwendige Diabetesequipment in den Rucksack packen, um schnell und adäquat auf potenzielle Unterzuckerungen reagieren zu können.

Laut einschlägigen Wanderratgebern für Diabetiker sollte der Blutzuckerwert ein Mal vor dem Start gemessen und während der Tour alle zwei Stunden kontrolliert werden. Zum Weggehen wird ein etwas höherer Wert als normal empfohlen, da die körperliche Anstrengung den Blutzucker in der Regel etwas abfallen lässt. Um rasch auf eine Unterzuckerung reagieren zu können, gehören immer schnell genauso wie langsam ins Blut gehende Kohlenhydrate - Gsenger nennt Müsliriegel, Obst, Brot, Gemüse - als (Notfall-)Proviant in den Wanderrucksack gepackt. Da Insulin sehr temperaturempfindlich ist, rät der Diabetesberater, bei Touren im Sommer eine spezielle Kühltasche mitzunehmen, in der die Medikamente vor Hitze geschützt sind.

Automatische Glukosemessung

Gerade bei längeren Wanderungen können Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM-Systeme) sehr hilfreich sein. Diese Geräte überwachen automatisch und kontinuierlich den Blutzuckerspiegel und schlagen bei Werten außerhalb der Norm Alarm. Aber Achtung, heißt es von Expertenseite: Da die Warnung teilweise erst mit einer gewissen Zeitverzögerung ausgelöst wird, sollte man bei Alarm umgehend reagieren und schnelle Kohlenhydrate wie zum Beispiel Traubenzucker zu sich nehmen; ein anderer Rat lautet, bei Unterzuckersymptomen den aktuellen Wert am Finger nachzumessen.

Prinzipiell erhöhen die CGM-Systeme aber das Sicherheitsgefühl und ermöglichen ein besseres Sich-Einlassen auf die mit einer Wanderung einhergehenden Natur- und Gemeinschaftserlebnisse.

Apropos Gemeinschaft: So wie es generell beim Wandern und Bergsteigen geraten ist, nicht allein unterwegs zu sein, so ist es gerade für Menschen mit Diabetes empfehlenswert, bei einem Notfall jemanden in der Nähe zu haben. Um helfen zu können, muss diese Person aber auch über die Erkrankung informiert und im Vorhinein ausreichend für die zu leistenden Hilfsmaßnahmen instruiert sein.

Dass vor, während und nach einer Wanderung ausreichend Flüssigkeit getrunken wird, gehört zum Einmaleins für alle Wanderer. Menschen mit Diabetes sollten aber auch nach einer intensiven oder längeren Wanderung engmaschig auf ihren Blutzucker achten, da dieser noch (viele) Stunden nach einer Tour abfallen kann.

Nicht überwachen, dafür umso mehr genießen soll man nach einer geglückten Tour das damit einhergehende Hochgefühl - aber das stellt sich sowieso von selbst ein.