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Innviertler Knödel: Ein Bauer macht Schule

Genuss für alle: Ein handgemachter Innviertler Knödel kostet bei den Jenichls 50 Cent. Wie man sie macht, kann man in ihrer Knödelakademie lernen.

Innviertler Knödel: Ein Bauer macht Schule
Innviertler Knödel: Ein Bauer macht Schule

Wir stellen das Auto im Hof von Franz Jenichl in Wagham bei Altheim ab. Klaus Ranzenberger steigt aus und fragt: "Hörst du das?" "Was?" "Nichts, gell?" Ranzenberger hat im Salzburger Pustet Verlag das Buch "Feinspitz im Innviertel" veröffentlicht. Eine zentrale Figur darin ist sein fiktiver Onkel Franz. Der verrät freimütig, was er gut findet. Ranzenberger nähert sich dem Stall. "Da sind 70 Schweine drin. Und man hört keinen Laut", sagt er. "Und vor allem riecht man auch nichts." Stimmt. Es stinkt kein bisserl. "Das sind glückliche Schweine", sagt er mit erhobenem Zeigefinger.

Brigitte Jenichl kommt aus dem Haus. Sie grüßt: "Griaß eich. Wollt's es leicht sehen, die Sauen?" Wir wollen. Sie öffnet die Tür und die Schweine, eben noch auf Stroh gebettet, stürmen auf uns zu. "Der ORF war vor zwei Wochen da und hat gefilmt. Da haben sie sich mords aufgführt", sagt sie. "Wer? Der ORF?", fragt Ranzenberger "Na. Die Sauen. Die werden total gern gefilmt und fotografiert. Liab san's, gell?"Ab in den HofladenEin paar Minuten später stehen wir im Hofladen. Ihr Mann Franz gesellt sich zu uns. Er trägt eine Stange, an der frisch gefüllte Würste baumeln. "Wird a Salami", sagt er. Heute sei schon fast alles ausverkauft. Ein bisserl Fleisch liegt noch in der Vitrine, in den Regalen befinden sich ausnahmslos Produkte aus der Region. Etwa Bauernbrot, Wodka aus dem Sauwald, Kürbiskernöl, Gewürze und Wein von Wolfgang Költringer, der gleich ums Eck bereits weitum gerühmte Produkte namens "Schadonee", "Friaroda", "Gonsroda" und "Neidoafoans" (das ist seine Adresse) vinifiziert.

Aber wir sind wegen seiner handgemachten Innviertler Knödel da. "Da glauben die Leit heitzutog jo scho, dass de in der Tiefkühltruhe im Supermorkt wochsn", sagt er. Jetzt haben sie eben in Wagham eine Knödelakademie eröffnet. Wir gehen rüber in die Gaststube. Da drinnen ist die Akademie. Ein älteres Ehepaar parkt sein Auto im Hof. Der Mann steigt aus und sagt: "I mog a Debreziner. Aber oane - bei der's nu spritzt - wenn ma einibeißt." "Passt", sagt Jenichl. "Setzt's eich her zu uns." Da sitzen wir nun und studieren die Speisekarte. Kein Gericht kostet mehr als 8,90 Euro. Alles ist handgemacht. "Ois vo unserm Hof", sagt Jenichl. Er habe eine Art Kreislauflandwirtschaft entworfen. Auf seinen elf Hektar wächst Getreide. Er verfüttert es an seine Schweine. "Chemie gibt's bei mir koane", sagt er. Ranzenberger nickt und gibt eine Einschulung in die Knödelakademie. "Schau: da unten. Da, mitten unterm Tisch, da ist eine Steckdose." "Aha." "Und da, mitten im Tisch, da ist ein Loch." "Aha." "Wenn Unterricht ist, dann wird da unten das Kabel angesteckt und auf den Tisch ein Wasserkocher gestellt." "Aha." "Dann zeigen wir den Leuten, wie man Knödel dreht." Klingt nach einem guten Lehrplan. Im Knödel sei nur drin, was reingehöre. "Haschee, Grammeln, Selchfleisch und Surspeck. Wir mochan im Jahr 80.000. Da kommt ganz schön was zamm." Der Herr am Tisch beißt in seine Debreziner. Er lacht vor Freude. "Mei! Wia die spritzt." Wir essen die Knödel. Ganz ehrlich: So etwas kriegt kein Haubenkoch hin. Nie im Leben. Weil er nicht die Grammeln und schon gar nicht den Surspeck vom Jenichl hat. Dieser Surspeck ist weiß mit einem Hauch Rosa, fest und doch butterzart. Wie er ihn macht? "Jo mei", sagt Jenichl. "Ich geb meinen Schweinen was Gscheits zum Essen." "So einfach ist das?" "Jo!" Zwölf bis 14 Monate werden sie gemästet. Ihre Fütterungszeit ist also etwa doppelt so lang wie bei der üblichen Mastzeit von Schweinen. Die Speckstücke werden dann gleich nach dem Schlachten - also noch warm - mit Salz eingerieben und in Holzkübel geschlichtet, wo sie sechs Wochen reifen. Pökelsalz brauche er auch keines.Nächstes Buchprojekt in den StartlöchernRanzenberger erzählt von seinem nächsten Buchprojekt. Es sei fast fertig. Er hat eine Menge Geschichten über den Onkel Franz geschrieben. Der Pustet Verlag hat bereits Blut geleckt und eine Option angemeldet. Er liest eine Passage vor, die ihm nach dem Speckgenuss passend erscheint. Speck heißt ja anderswo Lardo. In seinem Buch kriegt der Onkel Franz Besuch von seinem Neffen - dem Scharinger Jacques. Dieser will ihn nach seinem Urlaub mit toskanischen Köstlichkeiten verwöhnen: "Nach dem Essen sitzt man noch zusammen am Tisch und liest Zeitung", liest er vor. "Der Onkel lokal und international, die Tante die Werbebeilagen. Später wird man tauschen. Trotzdem liest man sich gegenseitig vor: ,In Italien homs jetzt a de Schuidnkrise‘, kommentiert der Onkel und die Tante sagt: ,Do schau her: Hofa informiert! Italienische Wochen, Spezialitäten aus der Toskana, Sonderangebot, schaut genauso aus wia des Zeig vom Jakob. Franzl, moanst dass in Italien a an Hofa gibt?‘ ,Sowieso‘, meint der Onkel Franz und macht sich noch ein Weißbier auf."

Ranzenberger ist übrigens im Brotberuf Friseur. Schreiben tut er nur zum Spaß. Und essen? Tut er nur, wenn's schmeckt.