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Affäre mit dem Chef: Ratschläge von Beziehungsberaterin Christine Zillmer

Christine Zillmer hatte eine Affäre mit dem Chef. Heute ist sie Beziehungsberaterin.

Christine Zillmer ist „Affären-Fachfrau“ und verhilft Frauen zu neuer Perspektive.
Christine Zillmer ist „Affären-Fachfrau“ und verhilft Frauen zu neuer Perspektive.

Christine Zillmer hilft auf der Insel Rügen Frauen aus Techtelmechteln in ihre Traumbeziehung - nicht ohne Gegenwind.

Ist das Motto "Never fuck the Company" ein guter Leitsatz im Leben? Christine Zillmer: Diese Frage wird immer dann interessant, wenn eine Affäre beginnt, wehzutun. So viele Menschen lernen sich in der Arbeit kennen und verbringen eine aufregende, friedvolle Zeit. Erst wenn es Verletzungen und Streit gibt, landen solche Fälle bei mir. Dann kommen Frauen, die sich in ihren verheirateten oder vergebenen Abteilungsleiter oder Chef verschaut haben und darunter leiden. Ich urteile nicht über Affären, ich hatte selbst drei Jahre lang eine. So etwas passiert und gehört zum Leben dazu. Würde ich Affären-Paaren raten, die Finger voneinander zu lassen, würden diesen Menschen tolle Momente fehlen. Denn bei Affären geht es, wie in klassischen Beziehungen auch, um Liebe und Gefühle. Zentral ist das gegenseitige Einvernehmen, bei dem niemand seine Machtposition ausnutzt.

Apropos Macht: Kann eine Affäre am Arbeitsplatz Karrieren anstoßen? Ich wünsche mir sehr, dass Frauen Chancen nutzen, wenn sie mit einem Mann in ihrer Firma eine Affäre haben, der sie beruflich weiterbringen kann. Viel zu viele Frauen in Affären ziehen sich zurück, anstatt zu überlegen: "Was kann ich Gutes daraus ziehen, wenn ich schon keine Beziehung mit diesem Mann habe?" Mein feministisches Statement lautet: Her mit dem Egoismus! Frauen, macht das Beste aus der Lage, auch beruflich! Das ist für mich Selbstermächtigung. Frauen dürfen lernen, mit den Vorteilen klarzukommen, die ihnen vor die Füße fallen. Den Gedankengang "Ich angle mir meinen Vorgesetzten, damit ich aufsteige", unterstütze ich hingegen nicht. Wobei, wenn der Mann es mit sich machen lässt …

Wenn eine Affäre am Arbeitsplatz nicht klappt, kann es im Büro unangenehm werden. Welche Konsequenzen hat ein gescheitertes Techtelmechtel für Frauen? Schwierig ist es meist für die Person, die sich trennt. Ich kenne den Weg vieler Frauen, die etwas mit ihrem Chef oder Abteilungsleiter hatten. Sobald sie die Trennung wollten, gab es eigenartige Reaktionen. Etwa, dass die Männer wieder zum Siezen wechselten. Oder dass gar keine Kommunikation mehr stattfand, weil der Verschmähte in seinem Ego arg gekränkt war und seine Machtposition nicht - oder nicht mehr - ausspielen konnte. Darunter leiden manche Frauen. Klar, sie sehen den Mann im Job ja immer wieder und sind gefordert, eine Trennung auch durchzuhalten. Dieses Ausgesetzt-Sein kann sogar zu körperlichen Symptomen führen. Viele fliehen aus dieser Situation, indem sie sich einen anderen Arbeitsplatz suchen. Was sich wiederum als Karriere-Stopper entpuppen kann.

Für den Mann ändert sich dann kaum etwas, für die Frau beinahe alles. Der Eindruck entsteht, als behielte der Mann stets die Kontrolle. Das Drama ist, dass Frauen und Männer in Beziehungen und sogar in Affären unterschiedliche Dinge suchen. Beiden geht es um Nähe und Austausch, doch während der Mann oft das Abenteuer und das Verbotene toll findet, wollen Frauen gern Sicherheit und jemanden zum Anlehnen. Doch das hat der Mann bereits - in seiner fixen Beziehung oder Ehe zu Hause. Er sucht also Abwechslung oder etwas, das er in seiner Beziehung nicht bekommt. Allein dieser Umstand versetzt ihn gegenüber der Affären-Partnerin schnell in eine bessere Lage.

Ihre Tipps, wenn die Hormone überhandnehmen und eine Affäre im Job beginnt? Offene Worte sind das A und O. Deshalb gleich zu Beginn klären, wer was erwartet. Wenn ein Part eine echte Beziehung will und der andere nur Abwechslung, dann sind Verletzungen programmiert. Fair zu bleiben ist essenziell. Integer zu bleiben ebenso, denn man erfährt in Affären Intimitäten vom Gegenüber, die zwischen den beiden bleiben mögen. Wer sich darauf geeinigt hat, eine schöne, aufregende Zeit miteinander zu verbringen, sollte nie das Reden vergessen. Nicht einmal bei einer Affäre geht es ausschließlich um heißen Sex im Kopierraum. Es schwingt viel Zwischenmenschliches mit und es gibt echte Gefühle. Dazu ist es gut, die Zeiten außerhalb des Büros zu regeln. Wird telefoniert oder werden Nachrichten geschrieben? Schließlich rate ich, in Affären regelmäßig zu prüfen, ob sich beide Seiten wohlfühlen und ob es beiden mit dem Arrangement noch gut geht.

Sie beraten "die anderen Frauen", also diejenigen, die die Affären sind. Damit werden Sie zum Feindbild von Ehefrauen und fixen Partnerinnen. Der erste Eindruck ist, dass ich die Zerstörerin von Ehen und Familien wäre. Solche Meldungen bekomme ich auf Instagram mehrmals täglich. Doch ich arbeite anders. Wenn Frauen bei mir in der Beratung sitzen, frage ich: "An wem kommst du nicht vorbei auf dem Weg zu einer gesunden Beziehung?" Alle antworten: "An mir selbst." Und dann atmen sie. Weil ihnen klar wird, dass sie für sich und ihre Gefühle selbst verantwortlich sind und sie sich auch ihre Affäre selbst ausgesucht haben. Die Frauen wünschen sich entweder, dass der Mann sich für sie entscheidet - oder dass sie sich endlich von ihm lösen. Dabei unterstütze ich sie. Meine Richtung ist, dass die Frauen wieder frei und glücklich sind in ihrem Leben. Sehr schnell geht es nicht mehr um diesen Mann in unseren Gesprächen. Sondern um die Frau selbst und darum, wo sie gerade in ihrem Leben steht.

Wie viele Affären werden zu monogamen Beziehungen, wie viele scheitern? Maximal fünf bis zehn Prozent der Affären kommen meiner Erfahrung nach in "richtige" Beziehungen. Und die allermeisten Frauen sagen nach Beendigung ihrer Affäre, dass diese - trotz Kribbeln und schöner Erlebnisse - letzten Endes mehr Bewusstsein für die wirklich wichtigen Dinge im Leben erzeugt haben.