SN.AT / Leben / Karriere

Auf den Spuren Freuds

Psychotherapie in der Wissenschaft. Über 130 Jahre ist es her, dass Sigmund Freuds Psychoanalyse ihren Anfang nahm. Nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht lohnt sich ein Blick auf das Lebenswerk des österreichischen Arztes.

Vordenker, Analytiker, Ursprung eigener Studienrichtungen: Sigmund Freud (1921).
Vordenker, Analytiker, Ursprung eigener Studienrichtungen: Sigmund Freud (1921).

An Sigmund Freud kommt man nicht vorbei. Zumindest nicht, wenn man sich professionell mit der menschlichen Psyche auseinandersetzt. Keine angehende Psychologin, kein Psychotherapeut und keine künftige Psychoanalytikerin, die im Rahmen ihrer Ausbildung nicht mit dem berühmten Neurologen in Berührung kommen. Man mag von Freud halten, was man will, fest steht: Der Begründer der "Redekur" betrat mit seinen Gedanken und Zugängen zum Seelenleben des Menschen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts weltweit Neuland. Schon zu seiner Zeit wurde ihm das nicht immer zugutegehalten - unberechtigterweise, damals wie heute.

Mittlerweile gibt es mehrere therapeutische Verfahren, die in Freuds Psychoanalyse ihren Ursprung finden. Bis heute prägt der Arzt zudem die Bildungslandschaft, weit über Österreichs Grenzen hinaus.

Studium der Psychotherapiewissenschaft an der SFU

Freud ist nicht nur Namensgeber der Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU) in Wien - neben Psychologie, Medizin und Rechtswissenschaften kann man an der Wiener Hochschule auch "Psychotherapiewissenschaft" studieren. Vom Bakkalaureat bis hin zum Doktorat.

Ein eigenes Studium rund um die Psychotherapie - wie kommt es dazu? "Den Gründerinnen und Gründern der SFU war es ein Anliegen, dass Psychotherapie eine akademische Ausbildung wird. Es war ihnen ein wichtiges Ziel, dass Theorie, Praxis und auch Forschung miteinander verknüpft werden", erzählt Herbert Geyer, Studiengangsleiter Bakkalaureat Psychotherapiewissenschaft an der SFU. Die Ausbildung wurde somit auf Universitätsniveau gehoben: "Vor 22 Jahren war die Idee, die Psychotherapie zu akademisieren, noch umstritten", so Geyer.

Im Rahmen des Studiums kommt klarerweise auch dem Urheber der Psychoanalyse eine große Rolle zu. Wird man an der SFU zum "Freudianer" ausgebildet? "Sigmund Freud hat die moderne Psychotherapie begründet und spielt daher eine bedeutende Rolle in der Geschichte dieses Faches. Unsere Studierenden wählen ab dem fünften Semester ein Fachspezifikum, das zu ihrer Persönlichkeit und ihrem Menschenbild passt", erläutert Geyer. Zu den Schwerpunkten zählen die Existenzanalyse, Psychoanalyse, integrative Gestalttherapie, Psychodrama, systemische Familientherapie, Individualpsychologie sowie die Verhaltenstherapie. Je nach gewähltem Schwerpunkt sind die Ideen Freuds unterschiedlich stark vertreten: "Manche dieser Spezifika sind stark von Freud geprägt, während andere weniger Bezug zu ihm haben. Ob man einen psychischen Vorgang als ,Es' (Anm.: Freud) oder als ,Kind-Ich' (Anm.: Berne) bezeichnet, ändert letztlich nichts an der Wahrnehmung der Patientinnen und Patienten", so der Studiengangsleiter.

Für wen ist das Studium der Psychotherapiewissenschaft geeignet?

Sich in die Tiefen der menschlichen Psyche zu begeben, kann sehr herausfordernd sein und ist nicht für jeden das Richtige. Es stellt sich die Frage: Für wen ist das Studium der Psychotherapiewissenschaft geeignet? "Das Studium richtet sich an Menschen, die selbstreflektiert sind, sich gern mit psychologischen und psychotherapeutischen Theorien auseinandersetzen, belasteten Personen helfen möchten, sowie Empathie und eine gewisse Resilienz mitbringen", erklärt Geyer. Er selbst ist Psychotherapeut und leitet das psychotherapeutische Propädeutikum an der SFU: "Der Ausbildungsweg ist lang und anspruchsvoll. Die Kombination aus Forschung, Theorie, Praxis und Selbsterfahrung kann herausfordernd sein." Nichtsdestotrotz handle es sich um ein spannendes und bereicherndes Studium.

Angeboten wird die Ausbildung der SFU in Wien, Linz, Berlin, Paris und Ljubljana. In der österreichischen Hauptstadt kann das Curriculum auch in englischer Sprache absolviert werden. Studiengebühren pro Semester: rund 7200 Euro.

Freud für die "kleinen Fratzen"

Bis zu seiner Flucht vor den Nazis 1938 nach England lebte und arbeitete Sigmund Freud fast 50 Jahre lang in der Berggasse 19 in Wien. Heute befindet sich dort das Sigmund-Freud-Museum, das sich umfassend mit dem Leben und Werk des Arztes befasst. Hier widmet man sich der Erinnerung ebenso wie dem musealen Bildungsauftrag: Neben dokumentierter Zeitgeschichte - Möbel, Fotos, Briefe und dergleichen aus dem Leben des Psychoanalytikers - gibt es dort auch ein Kindervermittlungsprogramm. "Freud für die ,kleinen Fratzen'" (wie dieser seine Kinder liebevoll nannte) richtet sich an Fünf- bis Zwölfjährige, um ihnen das Schaffen von Sigmund Freud und seiner Tochter Anna Freud (Kinderpsychologin) näherzubringen. "Mit dem Angebot werden Kernthemen der Psychoanalyse, wie Träumen und Wünschen, Fantasie und Angst, für Kinder spielerisch erklärt", heißt es vonseiten des Freud-Museums in Wien. Kindgerechte Gedichte und Hörstationen sind Teil dieses Lernprogramms.

Ein Blick auf die Person des Psychoanalytikers Sigmund Freud

Sigmund Freud war Zeit seines Lebens ein Vor- und Querdenker - nicht nur mit seinen Errungenschaften rund um die Psychoanalyse, mit der er an Sachverhalten rührte, die allen bis dato üblichen Denkgewohnheiten und Auffassungen widersprachen. Er erzog auch seine sechs Kinder nicht im autoritären Stil und somit anders, als es für die Zeit üblich war - "liberal", wie sein ältester Sohn Martin einmal sagte. Den autoritären Erziehungsstil galt es laut Freud "zu vermeiden", denn es sei notwendig, die Entwicklung der Kinder zu unterstützen und ihnen Zuwendung und emotionale Wärme zu schenken. Von Religionen hielt er nicht viel, stand ihnen stets kritisch gegenüber. Der Glaube an einen allmächtigen Gottvater war für ihn "psychischer Infantilismus", ein Zeichen dafür, dass Menschen sich "wie Kinder Trost und Hilfe von einem Vater im Himmel erhoffen". Bekannt war Freud zudem für seinen trockenen Humor.

Nach seiner erzwungenen Emigration nach London, die für den damals 82-Jährigen sehr mühsam war, sowie jahrelangem Krebsleiden in der Mundhöhle samt über 30 Operationen inklusive der Entfernung von Kiefer und Gaumen der erkrankten Seite schied Freud 1939 im Exil freiwillig aus dem Leben - per assistiertem Suizid durch einen befreundeten Arzt und einer Überdosis Morphium. Der Psychoanalytiker wollte in Freiheit sterben, in jeder Hinsicht.

Welche Rolle kommt Freud und seinem Lebenswerk heutzutage zu?

"Die Nachfrage nach Psychotherapie ist heute größer denn je. Der Rückgang von Vorurteilen und Stigmatisierungen hat dazu geführt, dass Menschen schneller professionelle Hilfe in Anspruch nehmen", sagt Geyer. "Die Theorien von Sigmund Freud und auch von Anna Freud haben bis heute Bedeutung und tragen zur Entstehung moderner Forschungsergebnisse bei. Der Name Freud ist untrennbar mit der Psychoanalyse und Wien verbunden. Er hat zusätzlich symbolischen Wert."

Die berühmt-berüchtigte Couch, Mittelpunkt der Therapiesitzungen Freuds mit seinen Patienten, sucht man im Sigmund-Freud-Museum in Wien übrigens vergebens. Die "Urmutter" aller Therapieliegen wanderte mit dem Psychoanalytiker und seiner engsten Familie aus - sie befindet sich im Freud-Museum in London.