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Bunte Arbeitswelt: The Austrian Kiwi und Ina Jovanovic über Integration in Österreich

Comedy und Wahrheit über Österreich: Jonny Balchin parodiert als The Austrian Kiwi auf Social Media österreichische Eigenheiten, Ina Jovanovic tut das auf Comedybühnen. Ein Gespräch über Integration und das oft, aber nicht immer witzige Leben in Österreich.

Jonathan (Jonny) Balchin ist Neuseeländer und macht sich in seinen Videos auf Social Media gern über österreichische Eigenheiten lustig.
Jonathan (Jonny) Balchin ist Neuseeländer und macht sich in seinen Videos auf Social Media gern über österreichische Eigenheiten lustig.
Ina Jovanovic ist Comedienne und von Kärnten nach Wien gezogen. Dort kann man besser „Jugo“ sein, findet sie.
Ina Jovanovic ist Comedienne und von Kärnten nach Wien gezogen. Dort kann man besser „Jugo“ sein, findet sie.

Jonny Balchin ist vor fünf Jahren nach Österreich gekommen. Der Neuseeländer blieb der Liebe wegen in der Alpenrepublik hängen. Ina Jovanovic kennt Land und Leute seit jeher, die Tochter einer Bosnierin und eines Serben wurde hier, konkret in Klagenfurt, geboren. Mittlerweile lebt sie in Wien. Ihre ureigenen Erfahrungen über den kulturellen Austausch zwischen Österreich und Ex-Jugoslawien bringt sie seit wenigen Jahren auf die Comedybühne. Jonny Balchin ist als The Austrian Kiwi auf Social Media und als Podcaster erfolgreich, auf Instagram hat er 598.000 Follower, auf TikTok 385.000. Wir baten die beiden, uns zu berichten, wie sie Österreich und dessen Eigenheiten wahrnehmen.

Was sind für euch so typische kulturelle Eigenheiten in Österreich? Ina: Dass man Schnitzel mit Marmelade isst. Es schmeckt aber, das muss man schon sagen.

Jonny: Mir kam zu Beginn sehr vieles komisch vor, insbesondere die Bräuche, der Krampus, der Maibaum oder Brotzeit zu machen beziehungsweise zu jausnen. Und dann die Sprüche: Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht. Oder das Brautstehlen bei der Hochzeit. Ich gehe da halt einfach mit und hinterfrage das nicht so. Ist ja auch lustig. Es wird von den Österreichern auch erwartet, dass man mitmacht, wenn man integriert werden will.

Ina: Ich finde, es ist wichtig, beide Kulturen zu schätzen, also weder die eigene Kultur zu vergessen noch zu hundert Prozent in der österreichischen aufzugehen. Man muss Dinge wertschätzen können in dem Land, in dem man lebt. Oder, wie Jonny schon gesagt hat, mitmachen, auch wenn man den Sinn dahinter nicht immer versteht, es aber Spaß macht. Weil es dort einfach dazugehört, wo wir leben. Mitmachen können, aber nicht müssen, das ist doch schön in einem Land, in dem mehrere Kulturen vereint sind.

Dennoch teilen wir Menschen ein. Eine Person aus dem angloamerikanischen Sprachraum oder wie du, Jonny, aus Neuseeland wird anders empfangen als eine, die geflüchtet ist. Wie seht ihr das? Ina: Das sehe ich auch so. Eine Person aus den Niederlanden landet in einer ganz anderen Schublade als wir aus Ex-Jugoslawien. Ich glaube, dass da viele Vorurteile herrschen - in meinem Fall gerade mit Serbien. Viele Menschen aus meinem Kulturkreis sind in den Achtzigerjahren zum Arbeiten nach Österreich gekommen, später kriegsbedingt. Ich glaube, die meisten wollten gar nicht weg von ihrem Zuhause. Das ist noch einmal eine andere Dimension als bei einer Person, die aus freien Stücken nach Österreich kommt. Wobei ich schon bei Menschen aus Ex-Jugoslawien sehe, dass sie sehr an ihrer Kultur hängen. Die könnten durchaus mehr an der österreichischen Tradition teilnehmen, die ist ja jetzt Teil ihres Lebens. Es schadet nie, ein bisschen offener zu sein. Und man kann schließlich die Kultur, in der man lebt, nicht komplett ignorieren.

Jonny: Das mit den unterschiedlichen Einteilungen beschrieb einmal ein Podcaster, Gabriel, in seinem Podcast "The Wurst Guide to Living in Austria". Er ist Australier, seine Frau kommt aus Ex-Jugoslawien. Wenn die beiden sich mit ihrem kulturellen Background vorstellen, reagieren die Menschen sehr unterschiedlich. Das ist unfair. Wenn ich sage, dass ich aus Neuseeland komme, finden Menschen das cool, fragen aber, warum ich eigentlich da bin.

Ina:
Ich denke, es ist auch normal, Vorurteile zu haben, ich habe auch welche. Wir haben doch alle Klischees, über Menschen aus China, Australien oder Brasilien. Und dann lernst du Menschen aus diesen Ländern kennen und musst deine ganzen Klischees über den Haufen werfen.

Jonny, hattest du eine Vorstellung von Österreich? Jonny:

Österreich war für mich ein weißes Blatt, ich hatte nicht einmal Klischees über das Land. Österreich ist in Neuseeland "somewhere in Europe". Wir haben in Neuseeland natürlich auch Klischees, die meisten über Menschen aus Asien, die sich dort niedergelassen haben.

Wann lachen die Leute am meisten? Ina: Bei Klischees, das funktioniert immer. In der Comedy muss man mit Klischees spielen.

Jonny: Bei mir sind es Videos, in denen es ums Deutschlernen geht. Es gibt ja auf der ganzen Welt Menschen, die das tun. Und ja, Klischees funktionieren immer. Ich mache oft Videos, die Klischees behandeln, bei denen ich mir aber selbst denke, das ist jetzt nicht so witzig. Über Nacht erhalte ich dann Tausende Klicks. Und dann wieder mache ich mir enorm viel Arbeit, aber das Video funktioniert nicht.

Ina: Aber mit deinem Content kann man sich identifizieren. Und genau darum geht es, glaube ich. Es kommt auch gut an, wenn man nicht alle Österreicher in einen Topf wirft, sondern sich über die Bundesländer lustig macht. Ich habe viele Witze über Kärnten, die ich dort nicht machen würde oder dürfte, über Jörg Haider beispielsweise. Doch Comedy vereint auch: Witze über ein spezielles Bundesland versteht man halt nur, wenn man aus Österreich ist.

Wie hart darf man das Kabarettpublikum rannehmen? Ina: Ich glaube, dass Menschen gut einstecken können. Mir fällt auf, dass sich gerade jene Menschen, über die ich mich lustig mache, am besten amüsieren. Vor allem jene aus meinem Kulturkreis, die Jugos, weil sie sich damit auch ein bisschen gesehen fühlen.

Ina, wer bist du in dem Moment, wenn du auf der Bühne stehst? Österreicherin, Kärntnerin, Serbin, Bosnierin?

„Klischees funktionieren immer“, sagt Ina Jovanovic.
„Klischees funktionieren immer“, sagt Ina Jovanovic.

Ina: Das ist auf der Bühne wie im echten Leben. Man ist, was man gerade braucht. Wenn ich Witze über Österreicher mache, bin ich Österreicherin. Wenn ich mich als Jugo über Österreich lustig mache, bin ich Jugo. Ich bin genauso Österreicherin, die in die Heimat Bosnien fährt, dort aber die Sprache nur gebrochen spricht. Ich glaube, man sucht sich aus, wer man in dem Moment sein will. Es ist so ein bisschen Identitätskrise, ein Leben lang. Wobei: Mit dem serbischen Namen Jovanovic werde ich immer die Ausländerin sein.

Wie geht es einem mit so vielen Rollenzuschreibungen, die man von außen verpasst bekommt? Ina: Das war nie leicht für mich, in meiner Kindheit nicht und auch nicht in der Jugend. Erst mit meinem Umzug nach Wien Anfang 20 habe ich begonnen, meine Identität zu akzeptieren und damit zu leben. In Wien ist halt die Balkancommunity sehr groß und da habe ich gesehen: Es ist nicht so schlimm, Wurzeln am Balkan zu haben. Aber es ist nun einmal so, dass dir die Leute selten eine Chance geben, dich nicht zuerst kennenlernen wollen, sondern du landest erst mal in einer Schublade.

Jonny, würdest du die österreichische Staatsbürgerschaft annehmen? Jonny: Ich bin heute schon mehr Österreicher als ich früher Neuseeländer war. Ich bin mit 21 von Neuseeland weg, hatte gerade die Uni beendet, keine Freundin, keinen Hund, keine Wohnung. Mein richtiges Leben hat erst in Österreich begonnen. Das heißt eigentlich, dass ich hier daheim bin.

Du bist in Österreich hängen geblieben. Das war ja nicht dein Plan? Jonny: Ich wollte eigentlich für eine, zwei Wochen her, um eine Freundin zu besuchen. Sie war der Grund, warum ich geblieben bin. Und dann habe ich einen Job gefunden und step-by-step ist alles gekommen. Jetzt mache ich die Videos, ich liebe mein Leben, bin aber jedes Jahr für mehrere Wochen in Neuseeland.

Wie kam es zu The Austrian Kiwi und den Videos?

„Austrian Spießigkeit“ für Social Media.
„Austrian Spießigkeit“ für Social Media.

Jonny: Mit Kameras habe ich schon immer gearbeitet, war Vlogger und machte Travelvideos. Auf die Idee mit den Videos kam ich durch eine lustige Beobachtung. In Österreich schimpfen ja die Radfahrer immer fürchterlich, wenn ein Fußgänger auf der Radlspur geht. Das fand ich sehr komisch und dachte mir, daraus könnte man ein Video machen. Dafür bekam ich über Nacht 50.000 Views. Dann machte ich einfach weiter, es gibt ja noch so viele andere komische Dinge in Österreich.

Wenn ihr die kulturellen Eigenschaften von Österreich betrachtet, was geht für euch gar nicht? Wo nervt euch Österreich? Ina: Die Nachtruhe um 22 Uhr. Wird die nicht eingehalten, kommt die Polizei. Aussagen wie: "Sie können hier nicht parken", "Ich gebe jetzt kein Trinkgeld, weil ich habe vier Minuten auf meinen Kaffee warten müssen", all diese kleinen Dinge, wo man sich denkt: Lass es doch einfach.

Jonny: Österreicher könnten ein bisschen entspannter sein. Ich war einmal mit einem Freund in dessen Campingbus, wir haben Bier getrunken und ein bisserl Musik gehört. Zwei Minuten später hat die Polizei an die Scheiben geklopft. Warum kann man, wenn einen das so sehr stört, nicht selbst anklopfen und sagen: "Mein Kind schläft" oder "Fahren Sie bitte weg von hier"? Oder eine andere Geschichte: Ein Freund aus Schweden und ich wollten unseren Führerschein übersetzen lassen. Dafür gibt es gefühlt 20 verschiedene Formulare! Und wenn man auf der Behörde Fragen hat, weil man manches auf Deutsch nicht zu hundert Prozent versteht, weigern sich viele, mit dir Englisch zu sprechen.

Ina: Ich bin zwar hier geboren, aber ich hatte, bis ich 19 Jahre alt war, die bosnische Staatsbürgerschaft. Die österreichische habe ich mit 18 Jahren beantragt, das Ganze hat ein Jahr gedauert. Formulare um Formulare, das eine kostet 130, das nächste 70 Euro und so weiter.

Jonny: Außer du kennst jemanden, dann geht das innerhalb von 24 Stunden.

Ina: Wir Ausländer kennen diese wichtigen Leute meistens halt nicht.

Wenn sich Leute an euch wenden würden, die nach Österreich wollen: Wie würdet ihr sie briefen? Ina: Keine laute Musik, in der U-Bahn auf der Rolltreppe unbedingt rechts stehen.

Jonny: Ich bekomme in der Tat viele Messages mit dieser Frage. Am besten lernt man, indem man viel Zeit mit Österreichern verbringt. Einfach sitzen und schauen, was sie tun, und fragen, wie und warum sie es tun. So lernt man auch die Sprache am besten. Denn zufällig irgendwo anklopfen und fragen, ob man mitessen und sich einmal unterhalten kann, kommt sicher nicht gut an.

Ina: Wenn du in ein fremdes Land kommst, bist du zunächst mit anderen Ausländern befreundet. Wenn du die Sprache nicht sprichst, suchst du jemanden, mit dem du reden kannst, jemanden, der dir irgendwie nahe ist. Und die Einheimischen hier haben ja ihre Freunde, die warten jetzt nicht auf uns.

Und dann gibt es Kulturen, die gern unter sich bleiben, wo es kaum Austausch gibt. Habt ihr dafür Verständnis? Ina: Ich erlebe das oft bei Menschen aus Ex-Jugoslawien, auch bei jenen, die hier geboren sind, die aber lieber unter sich bleiben. Ich hatte immer Freunde von überall, aber das ist mein Mindset, so bin ich eben.

Jonny: Mir gefällt in diesem Zusammenhang das Wort "durchwursteln". Bei Integration läuft vieles über das Ausprobieren. Vor allem landet man zuerst hart auf dem Boden, ohne Freunde, vielleicht ohne Job, die Sprache ist ein Wahnsinn. So ging es mir zumindest. Das war schlimm. Aber man muss sich durchwursteln, probieren, probieren, probieren, um irgendwann dazuzugehören. Das dauert lang.

Ina: Es liegt auch am Charakter einer Person. Ich denke, wenn Leute wie Jonny oder ich nach Schweden ziehen würden, würden wir auch versuchen, uns anzupassen. Andere wiederum bleiben lieber unter ihresgleichen, in der Komfortzone.

Jonny, was hättest du dir nach deiner Ankunft von den Österreichern gewünscht? Jonny: Vielleicht ein bisschen reflektierter zu sein. Österreich ist nicht die Welt, auch wenn viele das hier denken. Ich hätte mir gewünscht, dass Menschen versuchen sich vorzustellen, wie es sich anfühlt, 18.000 Kilometer weit weg von der Heimat zu sein in einem Land, dessen Sprache man nicht beherrscht. Auf Englisch sagt man: to walk in someone's shoes, sich einfach in den anderen mehr hineinzuversetzen.

Ina: Ja, es geht uns ziemlich gut in Österreich, wir - und da spreche ich als Österreicherin - sind schon sehr verwöhnt und haben oft auch kein Verständnis oder Empathie für Ausländer, weil wir nie in deren Position waren. Oder einfach nicht offen genug sind, was deren Leben betrifft. In den Urlaub fahren ja viele ins Ausland, dort aber in ein Resort, ohne Kontakt zu den Menschen dort.

Wie ging es euch eigentlich bei der Jobsuche in Österreich? Jonny: Bei mir war die Arbeitssuche interessant. Anfangs postete ich in eine englischsprachige Facebook-Gruppe, dass ich Arbeit suche, Rasen mähen, im Garten helfen, was auch immer. Da haben mir sehr viele Leute geschrieben, mich willkommen geheißen, das war sehr nett. Über diese Gruppe fand ich einen Job in einer Marketingagentur. Richtig beworben habe ich mich vielleicht zehn oder zwölf Mal. Alle sagten mir, wie wichtig Englisch sei, bekommen habe ich keinen einzigen dieser Jobs. Doch als das mit den Videos aufging, kamen einige dieser Firmen, die mit mir gemeinsame Sachen machen wollten.

Ina: Wenn ich eine Absage bekomme, weiß ich nicht, ob es an meinem Nachnamen liegt oder ob sich das Unternehmen für jemand anderen entschieden hat. Was mir in Kärnten aufgefallen ist: dass man gern bei meinem Dreier in Deutsch im Maturazeugnis hängen geblieben ist, als wäre das etwas besonders Schlimmes. Das fanden selbst meine Freunde komisch und fragten: Wo hast du dich beworben? Bei der FPÖ? In Wien ist das alles egal.

Was wäre eure persönliche Antirassismusbotschaft an die Leserinnen und Leser? Jonny: Dass es für Ausländer unglaublich schwierig ist, hier anzukommen. Zwar wird es von Jahr zu Jahr besser, aber noch immer stresst mich Diskriminierung. Ich glaube, viele Menschen checken gar nicht, dass sie diskriminieren.

Ina: Bei mir verhält es sich oft so, dass Menschen, sobald sie meinen Kärntner Dialekt hören, beginnen, über Ausländer zu schimpfen. Das passierte mir einmal bei einem Date. Ich habe nach zehn Minuten nach der Rechnung gefragt und bin gegangen. Aber eines muss man sagen: Nichts in Österreich ist größer als der Hass auf die Deutschen.

Jonny: Das kann ich bestätigen. Kurz nachdem ich hier angekommen war, saß ich bei einem Typen im Auto. Er fragte mich, ob ich Deutsche mag. Noch bevor ich antworten konnte, rief er: Fuck the Germans!

Ina: Wenn du die Musik zu laut aufdrehst, schreit der Österreicher erst: "Musik aus, du Arschloch", bevor er die Polizei holt. Der Deutsche ruft gleich die Polizei. Bei uns ist alles ein bisserl tiefer, dafür kommt's auch aus tiefstem Herzen.