Mit dem Finger auf der Seite des offenen Buchs folgt Ion dem Satz. "Heute Abend gehe ich in das Kino", sagt der Rumäne. "Richtig, es heißt ,in das'", folgt das Lob. Ion ist Mitarbeiter der Sportmarke Puma und sitzt mit seiner Kollegin, auch sie stammt aus Rumänien, in einem hellen Seminarraum in der Stadt Salzburg. Dort befindet sich das Lerninstitut inspire. Gerade füllen sie im Deutschbuch die richtigen Präpositionen in Lückentexte ein. "Ich fahre zur Bäckerei", sagen die beiden Lernenden und richten fragende Blick nach rechts. Von dort kommen erneut Lob und ein freundliches Nicken. "Richtig!" Mit den beiden sitzt Paul Kriechbaum am Tisch. Der frühere Volksschullehrer hat es genau zwei Jahre lang in der Pension daheim ausgehalten, dann drohte ihm die Decke auf den Kopf zu fallen und der Salzburger kehrte zum Unterrichten zurück. Statt Taferlklässlern hat er nun Erwachsene vor sich. Wann immer er Deutschstunden gibt, ist seine schwarze Gitarre mit dabei. Doch dazu später.
Deutschunterricht mit Paul Kriechbaum - auch Dialekt und Umgangsprache wir eingbaut
Ion sprach kaum Deutsch, als er hier zu arbeiten begann, seine Landsfrau ein bisschen. Ein entscheidender Vorteil für ihren Kollegen, denn so kann sie für ihn immer wieder dolmetschen, was der Lehrer mit seinen Erklärungen meint. Beide arbeiten mit Einsatz mit, machen sich Notizen. Das Deutschbuch "Schritte plus. Deutsch als Zweitsprache" ziert ein Foto von Hallstatt. See, Berge, Kirche. So kennt man Österreich. Unten am Umschlag ist das Logo des Österreichischen Integrationsfonds zu finden. Und das Inhaltsverzeichnis? Die Themen reichen vom Berufe-Benennen und Jobinserate-Verstehen über das Verstehen von Abläufen in Ämtern bis hin zu den Festen und Feiertagen im Land. Bei allem Heimatgefühl zwischen den Seiten, vom Dialekt bekommen Lernwillige nichts mit. Da ist Paul Kriechbaum gefragt. "Ich baue Umgangssprache und Dialekt immer wieder ein und bespreche Ausdrücke. Mir ist wichtig, dass die Leute verstehen, was die Österreicherinnen und Österreicher sagen. Auch, wenn sie selbst keinen Dialekt verwenden."
"Bist du um 20 Uhr schon … Hause?" Beide Deutschlernenden antworten schnell: "Zu!" Korrekt. Der letzte Satz für diese Einheit ist an der Reihe. Erst überlegt Lehrer Kriechbaum, ein paar Einfüllsätze als Hausübung aufzugeben, doch dann merkt er, dass ohnehin schon einiges auf dem Plan für die nächste Stunde steht. Er schlägt das Buch zu - und es geht ans Singen. Er greift nach seiner schwarzen Gitarre und lässt die Finger über die Saiten gleiten. Kriechbaum startet mit fester Stimme und fängt ein Lied über Hobbys an jedem Wochentag an. Es geht in etwa so: "Am Montag fahr ich Fahrrad, am Dienstag seh ich fern …" Die Lernenden stimmen etwas zaghaft ein, den Text lesen sie von einem Blatt ab. Und weil das Trio bald in Fahrt ist, singt es gleich noch ein zweites Lied.
Paul Kriechbaum hat sich im Internet schlaugemacht über Möglichkeiten zu unterrichten. Heute sitzen maximal acht oder zehn Erwachsene in seiner "Klasse", geschickt von Unternehmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fordern und fördern wollen. Manche lernen in ihrer Freizeit, manche dürfen ihren Deutschkurs sogar in der Arbeitszeit absolvieren. Der größte Unterschied für den früheren Volksschullehrer, wenn er auf den Unterricht mit Kindern und Älteren blickt? "Erwachsene sind voll motiviert, Kinder lernen dafür wahnsinnig schnell. Vor Jahren hatte ich ein türkisches Kind in einer Klasse, es sprach kein Wort Deutsch. Also habe ich begonnen, mir ein bisschen Türkisch anzueignen. Während ich mich ziemlich bemüht habe, hat das Kind innerhalb von ein paar Monaten so gut gesprochen, dass ich nicht mehr nachgekommen bin!" Wenn er Menschen begegnet, die gar kein Deutsch können, helfen erfahrungsgemäß Hände, Füße und Pantomime. Oder moderne Technik: "Ich verwendete auch die Google-Translate-App als Übersetzungshilfe", erzählt der Salzburger.