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Im Internet gibt es keinen Jugendschutz

Digitalwissen für Eltern. Kinder im Internet allein zu lassen ist fahrlässig. Doch: Wie viel Wissen und wie viel Umgang mit Smartphone und Co. braucht es in Familien heutzutage?

Das viel geliebte und viel gehasste Smartphone treibt Jung und Alt in Familien um. Es gilt oftmals: Des einen Freud, des anderen Leid. Handyvideos schauen für Kinder, um die Zeit zu vertreiben - wie angebracht ist das? Ist es sinnvoll, diese ganz zu verbieten, und wie lautet der richtige Zugang zur digitalen Welt?

"Geben Sie Handy, Tablet und Computer Platz im Familienleben. Aber entscheiden Sie bewusst, welchen", sagt Andrea Buhl-Aigner. Sie ist Smartphone-Coachin und Spezialistin für digitale Kommunikation. Buhl-Aigner hat gemeinsam mit Eltern einen Onlinekurs für Eltern entwickelt, die genau mit diesem Thema hadern beziehungsweise Handys und Tablets zu einem positiven Teil des Familienlebens machen wollen: "Das Programm wurde in Zusammenarbeit mit Müttern und Vätern entwickelt, die Kinder im Alter zwischen fünf und sechzehn Jahren haben. Aus ihren Erfahrungen und Herausforderungen mit smarten Geräten in der Familie wurden über 50 kurze Videos, Audios und Vorlagen entwickelt."

Zugang zu Smartphone und Co. im Familien- und Schulleben: Smartphones sind kein Spielzeug

Der Streit um die tägliche Bildschirmzeit ist in vielen Familien ein nerviger Alltagsbegleiter: Handyspiele, TikTok und YouTube-Videos werden immer beliebter. 94 Prozent der Elf- bis Siebzehnjährigen nutzen YouTube, über 70 Prozent der Jugendlichen sind in sozialen Netzwerken (Instagram oder TikTok) aktiv - so die Ergebnisse des Jugend-Internet-Monitors 2023. Während in Irland die erste Stadt einen "No-Phone-Code" ausgerufen hat und Großbritannien überlegt, Handys für Schülerinnen und Schüler zu verbieten, werden in Österreich und Deutschland weiter zügig die Schulen digitalisiert. Ohne Konzepte. Ohne geschultes Personal und ohne ausreichende Sicherheitseinrichtungen - meint Buhl-Aigner.

Wie lautet nun ihr Zugang zu Smartphone und Co. im Familien- und Schulleben? "In den letzten zwölf Monaten habe ich abwechselnd Eltern und Pädagoginnen befragt, wie sie Kinder und Jugendliche bei der Nutzung von smarten Geräten und im Internet begleiten. Die Antworten sind erstaunlich. Die Eltern sagen: Da müsste mehr in den Schulen passieren. Und die Lehrkräfte sagen: Das ist die Aufgabe der Eltern", erzählt Buhl-Aigner. "Wir drücken den Kindern Geräte mit Internetzugang in die Hand. Und dann lassen wir sie allein. Das ist fahrlässig." Denn: Im Internet gibt es keinen Jugendschutz. "Handys sind kein Spielzeug und im Internet gibt es alles, was es auch in der realen Welt gibt. Würden Sie Ihr Kind allein in einem Raum voller fremder Erwachsener lassen? Auf der Straße nehmen wir Kinder an die Hand und zeigen ihnen, wie alles funktioniert und wo man aufpassen muss. Im Internet machen wir das nicht. Und hoffen, dass nichts passiert."

Erwachsene müssen mit der Digitalität der Jugendkultur umgehen lernen

Eines steht dieser Tage dennoch fest: Die Jugendkultur ist digital. Damit müssen Erwachsene umgehen lernen. Das größte Problem in diesem Feld sei die fehlende Information, so die Coachin - smarte Geräte gibt es erst seit 15 Jahren. Das heißt nach Buhl-Aigner: Alle Erwachsenen über 30 haben eine digitale Bildungslücke. Sie haben keine eigenen Kindheits- oder Jugenderfahrungen mit smarten Handys oder Tablets. Und das rächt sich heute beim Umgang mit den Geräten in der eigenen Familie und in der Schule.

Die Kinder wachsen in einer komplett digitalisierten Welt auf und bekommen von Anfang an gezeigt: Smarte Geräte sind wichtig. Sie sind überall. "Kleinkinder wachsen in einer Welt voller Bildschirme auf. Und in der heutigen Jugendkultur sind Handys die maßgeblichen Kommunikationsmittel. Sie sind tief im Jugendalltag verankert und enorm wichtig. Das müssen wir akzeptieren. Und Eltern müssen sich damit auseinandersetzen. Sonst verlieren sie den Anschluss", sagt Buhl-Aigner. Denn um zum Alter passende und gut informierte Entscheidungen zu treffen oder mit ihren Kindern Vereinbarungen auf Augenhöhe zu treffen, fehle vielen Eltern das aktuelle Digitalwissen: "Mama, du bist so oldschool. Du kennst dich nicht aus!" Gespräch beendet.

Der erste Kurs "Smartphone Fit Family" (www.smartphonecoach.org) startet am 15. Oktober - Erziehungstipps soll es hier keine geben. Geboten werden Informationen rund um den Schutz von Kindern und Jugendlichen samt Hilfestellungen, wie es gelingen kann, Gewohnheiten zu verändern. Das Motto: "Nimm dir, was du brauchen kannst und was für deine Familie passt."