ETC ist heimischer Marktführer in Sachen digitale Weiterbildung. An drei Standorten in Wien, Attnang-Puchheim und Graz können Mitarbeiter von Firmen ein Upgrade ihrer EDV-Kenntnisse erwerben. Die Trainings mit allen gängigen Programmen sind auch online möglich. Neben diesem Hauptgeschäft wird seit fünf Jahren ein spezielles Projekt angeboten: IT-Weiterbildung für Menschen mit Behinderungen.
Das Projekt entstand aus einer Initiative der Essl Foundation (der frühere Baumax-Eigentümer Martin Essl widmete sich zeitlebens der Förderung von Menschen mit Behinderungen). In einem Pilotprojekt mit einer Wiener HTL und dem Sozialministerium lernte man, wie sich die unterschiedlichen Formen von Behinderung im Alltag auswirken und Betroffene am besten in Lernklassen zu integrieren sind, erzählt Markus Kalbhenn, Projektleiter und Personalmanager bei ETC. "Es hat sich gezeigt, dass Personen mit Autismus viel Ruhe und Struktur brauchen, während Sehbehinderte, Blinde und Gehörlose eher laut sind und es in so einer Gruppe recht turbulent zugeht." Der langjährige Personal-Recruiter initiierte das inklusive Projekt bei ETC. Ein Motor war auch der Fachkräftemangel, erläutert Kalbhenn: "Wir haben von den Firmen immer wieder gehört: Wir finden keine Leute. Wir wollten dann Leute ansprechen, die trotz Einschränkungen genug Potenzial mitbringen, um eine IT-Karriere zu starten."
Privat oft computeraffin
In Kooperation mit dem AMS Wien und Niederösterreich werden vorgemerkte Personen angesprochen, die IT-Fähigkeiten haben, "diese aber noch nie beruflich umgesetzt oder dies nie bedacht haben", so Kalbhenn. Gleichzeitig sucht man geeignete Firmen, die die geförderte Person begleiten und anschließend einstellen wollen. Man lernt einander in Praxis- und Schnuppertagen und bei Vorstellungsterminen kennen. "Im besten Fall sollten die Personalabteilung oder der IT-Leiter den Kandidaten im Team haben wollen. Das ist das Match, das wir suchen, dann haben wir vor Ausbildungsbeginn ein Pärchen."
Die duale IT-Weiterbildung dauert zehn Monate. Ein Drittel des Trainings findet bei ETC statt, zwei Drittel im Unternehmen. 90 Prozent der Ausbildungskosten bezahlt das Sozialministerium. Die Zöglinge machen Examen und Praktika, werden engmaschig von ETC betreut. Heuer haben sämtliche Auszubildende die Kurse erfolgreich abgeschlossen. Von neun Kandidaten sind sechs bereits vermittelt, drei stehen noch für Helpdeskarbeit und Data Engineering zur Verfügung.
Die Quereinsteiger kommen aus den unterschiedlichsten Berufen. "Die Männer sind oft sehr IT-affin", so Experte Kalbhenn. "Die interessieren sich für Computer und Technologie, die haben aber mit 16, 17 eine falsche oder keine Berufsentscheidung getroffen. Die sind in der Logistik gelandet, in der Gastronomie, im Handel, im Tourismus oder wo auch immer, wo sie nicht glücklich geworden sind." Für eine Weiterbildung braucht es Anfangskenntnisse in Informationstechnologie, Computersprache oder Webdesign. Man sollte wissen, wie Office, Word und Excel funktionieren, so Kalbhenn. "Wir suchen nicht den Staplerfahrer, der sagt, es freut ihn nicht mehr, so früh aufzustehen, er geht jetzt in die IT." Die Anforderungen der Unternehmen seien deutlich höher geworden. "Vor zwei, drei Jahren war der Fachkräftemangel noch viel höher. Jetzt können wir nur noch Bewerber unterkriegen, die mit einer hohen IT-Affinität kommen." Infolge von Kündigungswellen bei IT-Firmen seien vermehrt ausgebildete IT-Fachkräfte auf dem Markt.
Schwere Kindheit behindert auch
Das inklusive Programm werde nun auch in Oberösterreich aufgesetzt. In anderen Bundesländern, darunter auch Salzburg, verweist das AMS auf eigene Programme und Kooperationspartner, weshalb man eine Anfrage des Porsche-Konzerns bei ETC absagen musste, so Kalbhenn.
Behinderungen sind keineswegs immer nur körperlich bedingt. So kann sich ein Bindungs- und Entwicklungstrauma in jungen Jahren erheblich schädigend auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken. Die sogenannte schwere Kindheit schädigt die neuronale Reifung und Organisation im Gehirn und Nervensystem, verursacht kognitive und emotionale Einschränkungen, was sich oftmals in Lern- und Angststörungen, aggressivem oder gehemmtem Verhalten und Schwierigkeiten im sozialen Kontakt zeigt.
Man kann vieles überwinden
Dennoch gibt es Entwicklung. So habe eine junge Frau mit einer generalisierten Angststörung die Ausbildung "bravourös absolviert", schildert Markus Kalbhenn. "Sie musste sich sehr überwinden, in die Gruppe zu gehen, kommunikativer zu sein, das Neue, das sehr viel Angst machte, zuzulassen. Am Ende konnte sie sich gut einlassen und Vertrauen aufbauen." Die junge Frau machte bei den Wiener Stadtwerken ein Praktikum, überzeugte ihre Vorgesetzten. Am Ende setzte der stellvertretende CEO sich persönlich dafür ein, dass die neue Mitarbeiterin intern von einer operativen Stelle auf eine stärker technisch orientierte Position wechseln konnte.
Markus H. wurde im September vom größten österreichischen Energiespeicherunternehmen RAG übernommen. H. betreut im Helpdesk-Backoffice technische Anfragen bei Problemen. Der 42-jährige Wiener lernte bei ETC "die Grundlagen der Windows-Administration, aber auch, wie man mit Supportanfragen von Leuten umgeht, die vielleicht nicht so gut drauf sind." Er arbeite sehr gerne in dem Unternehmen, das ein "angenehmes, familiäres Arbeitsklima" biete.
