Bereits seit 2017 gibt es seitens der Fachhochschulkonferenz (FHK) die Forderung nach mehr bundesfinanzierten Masterstudiengängen im Bereich Gesundheit. Diese findet sich auch im Positionspapier 2022: nachhaltige Finanzierung von Masterstudiengängen in Gesundheits- und Sozialwissenschaften, um den Herausforderungen in den Bereichen und der "hohen Nachfrage nach Absolvent:innen" zu begegnen.
Gesundheitsbachelors mit Titel und Berufsberechtigung
"Die Gesundheitsbachelors schließen in der Regel nicht nur mit dem akademischen Titel, sondern auch mit einer Berufsberechtigung ab. Das bedeutet, die Studien sind eng an Berufsprofilen orientiert und können aufgrund vieler Vorgaben nicht immer adäquat auf den Markt reagieren, was zum Beispiel Managementkompetenzen und Forschung betrifft", sagt Heidi Oberhauser von der FH Gesundheit in Tirol. Sie leitet u. a. den Bachelorstudiengang Biomedizinische Analytik (BMA) und den Masterlehrgang Biomedical Sciences. Dabei seien gerade Aspekte im interprofessionellen Management und in der Forschung wichtig für die Weiterentwicklung der Professionen und Berufsbilder in einem sich permanent verändernden Umfeld. "Es gibt immer mehr ältere Leute, zunehmend chronisch Kranke, Menschen mit mehreren Erkrankungen gleichzeitig. Im Bereich der BMA kommt auch eine enorme Technologisierung hinzu. Wir haben es mit immer komplexeren Problemstellungen zu tun. Hier ist fundierte Weiterbildung notwendig. Das muss nicht alles auf Masterebene sein, aber in manchen Bereichen ist der Abschluss auf diesem Niveau einfach notwendig."
Das seien einerseits berufsfeldübergreifende Masterstudiengänge im Managementbereich wie Qualitäts- und Risikomanagement oder Projektmanagement in Spezialbereichen. "Das sind aber auch Forschungsmaster im Hinblick auf die weitere Professionalisierung der Gesundheitsberufe. Alle schreien nach evidenzbasierter Praxis, aber die Problemstellungen der Praxis müssen auch beforscht werden, und das geht in Bachelorstudien nicht." Es gehe letztlich um wissenschaftliche Evidenz, gepaart mit Expertise in interprofessionellen Teams, individuell zugeschnitten auf Patient*innen. Durch solche Studien werde mittelfristig auch die Zusammenarbeit aller Bereiche stark verbessert. Und: In viele Leitungspositionen wie beispielsweise die Pflegedienstleitung komme man jetzt schon im Regelfall nur mit einem Masterabschluss, obwohl es diese flächendeckend nicht gebe, betont auch Babette Grabner, Departmentleiterin Gesundheitswissenschaften und Leiterin des Bachelorstudiengangs Gesundheits- und Krankenpflege an der FH Salzburg.
Andererseits gehe es auch um fachspezifische Masterstudiengänge, sagt Heidi Oberhauser. "Der FH-Sektor sondiert gerade, es wird diskutiert, an welchen Standorten welche Master angeboten werden sollen." Spezialisierte Master könnten einen enormen Beitrag zum Gesundheitssystem und zur Patientensicherheit leisten, sagt Oberhauser. In der BMA gebe es Spezialisierungen wie Funktionsdiagnostik oder IVF (In-vitro-Fertilisierung), die im Bachelor nur angerissen werden könnten, im Master aber zu zentralen Aufgaben in diesem Bereich qualifizieren würden. "Natürlich bräuchte es dann auch entsprechende Berufsberechtigungen. Hier ist noch viel zu tun. Beispiel Kardiotechnik - hier gibt es bereits Zugänge mit Grundstudien wie BMA oder Gesundheits- und Krankenpflege." Es brauche wie in anderen europäischen Ländern den direkten Patient:innenzugang, der bislang nur über den Arzt möglich ist.
"Wir unterscheiden klar zwischen medizinischen und ärztlichen Tätigkeiten"
"Wir unterscheiden klar zwischen medizinischen und ärztlichen Tätigkeiten", betont Oberhauser. "Bei uns geht es immer um medizinische. Wir wollen keine Ärzt:innen ersetzen, sondern additiv einen Beitrag leisten und den Bereich entlasten. Ein Beispiel: Es gibt eine EU-Initiative, mit der der Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums im Gesundheitsbereich auch zu Laborleitungen qualifiziert. In Österreich sind das bislang Ärzt:innen. Das müsste nicht sein." Ein anderes Beispiel: In Schweden darf eine "Community Nurse" bis zu drei Tage krankschreiben, aufgrund der groben Diagnostik, wie sie auch ein Arzt durchführen würde. Babette Grabner: "Schweden investiert weniger und hat in der Bevölkerung mehr gesunde Jahre, nicht nur, aber auch aufgrund verbesserter interprofessioneller Zusammenarbeit." Es gehe darum, dass diejenigen Berufsgruppen, die für einen Bereich am besten ausgebildet werden, diesen auch umsetzten und verantworteten - "Ärzte diagnostizieren und verordnen Therapien, die Gesundheitsberufe begleiten diese, setzen sie um. Da sind wir die Profis", sagt Grabner.
Forderung nach Bundesfinanzierung von Masterstudiengängen im Gesundheitsbereich
Das Mehr an Masterstudiengängen im Gesundheitsbereich soll vom Bund finanziert werden, sagen die FHs. Warum eigentlich - die Bachelorstudiengänge werden doch seit jeher von den Ländern finanziert? "Das Land sichert die Gesundheitsversorgung in den Praxen und Kliniken. Das ist wichtig, aber nicht genug: Wir müssen die Probleme in der Praxis auch forschungsgeleitet angehen - dazu braucht es Extrapersonal auf einem anderen, nationalen Ausbildungslevel", meint Oberhauser. Hochschullehrgänge gebe es in vielen Bereichen, diese seien aber selbst zu bezahlen. "Warum muss ich meine akademische Weiterentwicklung im Gesundheitssektor selbst finanzieren? Das ist ja in der Wirtschaft oder Technik auch nicht so", beklagt Babette Grabner. "Mehr als 200.000 Menschen in Gesundheitsberufen wird damit ein Weiterstudieren ohne Kosten mehr oder weniger verwehrt. Das ist auch für die Attraktivität des Berufsfeldes nicht gut. Und: Es trifft damit auch viel mehr Frauen." Bei der Frage Land oder Bund sieht Grabner eine Pattstellung: "Die Länder sagen, sie bräuchten keine Master für die Grundversorgung, der Bund sagt, Gesundheit sei Ländersache. Beides stimmt so nicht. Eine schwierige Situation." Dabei habe "das Geld kein Mascherl" und letztlich sei alles Steuergeld, bei dem es um den bestmöglichen Einsatz gehe. "Und dieser ist in diesem Fall auf Bundesebene zielführender zu erreichen."