So ändern sich die Zeiten: Noch 2016 gab es, angetrieben von manchen politischen Gruppen, ernsthafte Überlegungen, die Meisterprüfung abzuschaffen bzw. die Zahl der "reglementierten Handwerke" drastisch zu verringern. Denn für die Handwerke stellte damals wie heute die Meisterprüfung (für andere Gewerbe die Befähigungsprüfung) die wichtigste Zugangsberechtigung zur selbstständigen Tätigkeit dar. In Deutschland war man diesen Weg gegangen - mit dem Ergebnis, dass in den dort betroffenen Handwerksbranchen erst einmal die Lehrlingsausbildung zusammengebrochen ist. Eine weitere Konsequenz war eine veritable Pleitewelle unter den Gründer:innen, die ihr Gewerbe ohne Ausbildung anmelden konnten. Es bedurfte intensiver Lobbyarbeit und mehrjähriger Kampagnen der Wirtschaftskammer, um nicht den deutschen Fehler zu wiederholen, den diese übrigens zwischenzeitig teilweise selbst wiedergutgemacht haben und in 14 Handwerken die Meisterpflicht wiedereingeführt haben.
Kontinuierliche Aufwärtsentwicklung des Meistertitels
Heute darf die Meisterprüfung als gesichert betrachtet werden. So wie die Lehrlingsausbildung, die einen Imagewandel vollzogen hat, gilt die Meisterprüfung wieder etwas, vor allem bei den jungen Leuten. "Die Nachfrage nach Meisterprüfungskursen ist weiter im Steigen. Allein heuer werden fast 400 Jungmeister:innen ihre Meisterbriefe bzw. Befähigungsurkunden in Empfang nehmen, was ein einmaliger Rekord ist", berichtet Mag. Norbert Hemetsberger, Leiter der Meisterprüfungsstelle der WKS.
Die "geprüfte Qualifikation" durch die Lehre und danach der Einstieg in eine "höhere Berufsausbildung" seien wieder für viele ein Lebensziel. Die jungen Profis - einige von ihnen werden in der "Meisterzeitung" vorgestellt - schätzen den Meisterbrief oder eine Befähigungsurkunde als wichtigen Nachweis, dass man es in die derzeit höchste Stufe der fachlichen Qualifikation in ihren Berufen geschafft hat.
Zur neuen Wertschätzung des Meistertitels hat vieles beigetragen, etwa eine Modularisierung der Kurse und Prüfungen, was die durchaus anspruchsvolle Prüfungsvorbereitung, die ja oft neben dem Beruf absolviert werden muss, etwas erleichtert hat. Dazu kam in Salzburg eine starke öffentliche Unterstützung etwa durch den "Meisterscheck". 2018 wurde der "Meister" auch noch im Rahmen des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR), eines EU-weit geltenden Systems der Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse, neben dem Bachelor auf der Stufe 6 des NQR als gleichrangig eingereiht. Abrundung der neuen bildungspolitischen Zuneigung zum Meister war schließlich im August 2020 die Möglichkeit, den Meistertitel auch offiziell in Dokumente eintragen zu können.
Augenmerk von Politik und Medien nicht nur auf Hochschulbildung sondern auch auf Berufsausbildung
Das ist Balsam auf die Blessuren all jener, die jahrelang für die Meisterprüfung gekämpft haben, wie etwa die Funktionäre der Sparte Gewerbe und Handwerk. Vor allem aber dürften sich die jungen Leute in Handwerk und Gewerbe freuen, dass das Augenmerk von Politik und Medien endlich nicht mehr nur auf die Hochschulbildung gerichtet ist, sondern auch auf die Berufsausbildung. Und diese dynamische Aufwertung findet auch aktuell ihre Fortsetzung. Denn Arbeitsminister Martin Kocher unternimmt gerade den nächsten Vorstoß, um die berufliche Ausbildung von der Lehre bis zum Meister attraktiver zu machen: Rund 200 Lehrberufe gibt es in Österreich, in etwas mehr als der Hälfte kann man eine Meisterprüfung (Handwerk) oder Befähigungsprüfung (andere reglementierte Gewerbe wie z. B. Baumeister) ablegen und damit eine höhere Qualifikation erlangen. Künftig soll es für Absolvent:innen jeglicher Lehre sowie berufsbildender mittlerer und höherer Schulen Angebote geben, darüber hinausgehende Berufsabschlüsse zu erlangen.
Der Schlüssel heißt Höhere Berufliche Bildung (HBB), um die der Nationale Qualifikationsrahmen erweitert wird. Dort sind bisher nur allgemeine Bildungsabschlüsse wie die AHS-Matura, Bachelor, Master und Doktorat/PhD vorgesehen. In Zukunft soll es für die Niveaus bis Stufe 7 (Master) auch in der beruflichen Bildung die Chance zur Höherqualifikation geben. Titel sind nicht geplant, das erreichte Niveau wird durch die Bezeichnung "Höhere Berufsqualifikation" (Stufe 5), Fachdiplom (6) und Höheres Fachdiplom (7) dokumentiert. In der Schweiz gibt es ein vergleichbares System seit rund 20 Jahren, in Deutschland seit drei Jahren - die Erfahrungen der Wirtschaft sind sehr positiv. Für Mariana Kühnel, Vizegeneralsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich, ist die Höhere Berufliche Bildung ein ähnlich großer Schritt wie die Etablierung der Fachhochschulen vor 30 Jahren.
Das Gesetz hat Kocher kürzlich in Begutachtung geschickt. Wegen der nötigen Abstimmung mit den Ländern ist mit dem Inkrafttreten im Sommer und ersten Ausbildungsangeboten im Herbst 2024 zu rechnen.
Der eintragungsfähige Meistertitel für offizielle Dokumente
Die höchste Stufe der beruflichen Ausbildung in Österreich wurde sichtbar aufgewertet. Mit der Novelle zur Gewerbeordnung vom 8. Juli 2020 wurde der Meister- und Meisterinnentitel eintragungsfähig für offizielle Dokumente.
Personen, die eine Meisterprüfung erfolgreich abgelegt haben, sind bereits berechtigt, sich mit Bezug auf das jeweilige Handwerk als Meisterin oder Meister zu bezeichnen. Seit 21. August 2020 dürfen diese Personen die Bezeichnung Meisterin bzw. Meister auch vor ihrem Namen führen. Dies darf in vollem Wortlaut oder in Kurzform erfolgen (z. B. Mst., Mst.in oder Mstin). Es darf die Eintragung in amtliche Urkunden verlangt werden (Reisepass, Führerschein etc.). Die Eintragung in amtliche Urkunden erfolgt durch Vorlage des Meisterprüfungszeugnisses (Gesamtprüfungszeugnis) bei jener Behörde, die für die Ausstellung der öffentlichen Urkunde zuständig ist (Bezirksverwaltungsbehörde, Magistratisches Bezirksamt, LPD, Verkehrsamt usw.). Dort erfährt man auch, welche weiteren Dokumente gegebenenfalls notwendig sind. Die Bezeichnung vor dem Namen ergänzt die Verwendung des Gütesiegels Meisterbetrieb.
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