Frauen arbeiten oft leise, im Hintergrund, ohne über ihre Erfolge zu sprechen. Diese Erfahrung hat Silvia Faulhammer in ihrem Berufsleben schon zuhauf gemacht. "Wir haben nie gelernt, uns auszutauschen, zu vernetzen, uns gegenseitig sichtbar zu machen. Wir machen die Arbeit, das reicht uns schon. Ein Mann feiert sich für Erfolge, lässt sich feiern. Frauen tun das zu wenig und werden übersehen", schildert die Kommunikationsberaterin und Trainerin.
Kein Wunder, dass die Zahlen wenig erfreulich sind: Zwar konnte sich Österreich im "Global Gender Gap Index" des Weltwirtschaftsforums im Vorjahr auf Platz 21 verbessern, was die Gleichstellung von Frauen und Männern betrifft (plus vier Plätze). Doch was den Anteil der Frauen in der Wirtschaft betrifft, liegt Österreich weltweit an 81. Stelle. Nur 8,2 Prozent der Geschäftsführungspositionen bei den 200 umsatzstärksten Unternehmen waren 2022 von Frauen besetzt. Und nach wie vor sind weniger Frauen im Vorstand von DAX-Unternehmen vertreten als Männer mit den Vornamen Thomas, Michael oder Stefan.
Mentoring ist ein Seil im Strudel des Alltags
Silvia Faulhammer will Frauen zu einem neuen Selbstverständnis verhelfen. Und tut das ganz konkret: Neun Monate begleitet sie nun ihre Mentee Barbara Baumann, studierte Produkt- und Designmanagerin und seit zehn Jahren selbstständige Illustratorin. Baumanns zweites Standbein: Onlinekurse. 1500 Teilnehmer hat sie in einer Facebook-Gruppe versammelt, mit Mitgliedern aus Südafrika, Italien, der Schweiz. So weit, so erfolgreich.
Was sich Baumann vom Mentoring verspricht? "Als Selbstständige kocht man oft im eigenen Sud. Das Arbeiten ist automatisiert, der Blick von außen fehlt. Dass jemand mit aktivem Interesse auf mein Unternehmen schaut, ist unglaublich wertvoll."
Gefunden hat sich das Duo im Jänner über die Salzburger Medienfrauen. Weiterbildung, Austausch und Unterstützung - darum geht es in erster Linie für die mehr als 200 Journalistinnen, Unternehmenssprecherinnen, PR-Frauen und Social-Media-Expertinnen, die sich hier zusammengetan haben. 90 Mentoring-Tandems hat das Netzwerk bereits hervorgebracht, mit viel Feingefühl "gematcht" vom Präsidentinnenduo. Wenn sich Baumann und Faulhammer unterhalten, merkt man, die beiden sind auf einer Wellenlänge. Sie verbindet viel: der Hang dazu, die eigenen Grenzen auszutesten, ihr Lernhunger, der sie Zertifikat um Zertifikat sammeln lässt, dass beide in der Gastro gestartet haben, beide heute selbstständig tätig sind. Und: die Auffassung von Erfolg. "Geld am Konto zu haben ist beruhigend, klar", sagt Faulhammer. "Aber im eigenen Tun erfüllt sein und Balance in allen Lebensbereichen zu finden, eine gute Freundin, eine gute Schwester, eine gute Mutter zu sein: Das macht glücklich."
Alle fünf bis sechs Wochen treffen sich die beiden Frauen, nehmen sich bewusst Zeit für Dinge, die im Strudel des Alltags zu kurz kommen. Offenheit und Unvoreingenommenheit sind es, was die eine mitbringen muss, eine klare Vorstellung dessen, was sie will, die andere. "Ich habe gemerkt: Sobald ich etwas laut ausspreche, gibt es neue Erkenntnisse. Schon dadurch verändert sich etwas in mir", erzählt Baumann. Bei jeder Entscheidung überlege sie, was ihre Mentorin tun würde. Für diese ist es im Gegenzug ungemein bereichernd zu hinterfragen, ob sie das, was sie lehrt, selbst lebt; etwa wenn es um Preisgestaltung geht: "Da steckt so viel mehr dahinter als nur Arbeitsstunden - Leidenschaft, Expertise. Es ist ein Frauenthema zu fragen: Darf ich so viel verlangen? Sind wir das wert?", so Faulhammer.
Mit Mentoring Menschen zum Blühen bringen
Menschen, die andere an die Hand nehmen, sie bei wichtigen Lebensentscheidungen begleiten oder ihnen dabei helfen, das eigene Business auf Vordermann zu bringen: Davon gibt es immer mehr. 524 psychosoziale Berater, Ernährungsberater und sportwissenschaftliche Berater verzeichnet die Wirtschaftskammer Salzburg aktuell; um rund ein Fünftel mehr als noch 2019, im Jahr vor der Coronapandemie. "Einander zu pushen, Sisterhood zu leben - das entspricht einfach dem Zeitgeist", ist Lisa Thalmayr überzeugt. Die Salzburgerin bietet seit geraumer Zeit Mentorings an - mit Fokus auf die Selbstpräsentation in den sozialen Medien. Ihren Mentees das Konzept und die Werkzeuge für einen professionellen digitalen Auftritt an die Hand zu geben gehört daher genauso zum dreimonatigen Package wie zumindest ein professionelles Video- oder Fotoshooting: "Es ist schön zu sehen, wie Menschen vor der Kamera aufblühen, wenn man sie ganz prominent ins Rampenlicht stellt und ihnen Raum gibt, sich zu entfalten."
Menschen mit Mentoring dorthin bringen, wo sie hinwollen
Thalmayr hat viel Erfahrung darin, Menschen dorthin zu bringen, wo sie hinwollen. Sie hat festgestellt: "Gerade in der Mitte des Lebens entscheiden sich viele Menschen um." Als Meisterfloristin hat sie solche Menschen beim Quereinstieg begleitet und auch selbst früh gemerkt, dass der klassische Weg nicht der richtige für sie ist. Sie hat - nicht nur - als Floristin internationale Erfahrungen gesammelt, arbeitet als Künstlerin und Fotografin, hat eine Coaching-Ausbildung und eine zur Yogalehrerin abgeschlossen. In all ihren Jobs wurde ihr bewusst, dass Menschen nach einem Mehr suchen. "Sie wollen etwa nicht nur Fotos für ihr Business, sondern Impulse und Werkzeuge, wie sie beruflich und persönlich weiterkommen können." Auf diese Nachfrage hat Thalmayr prompt reagiert: "Meine Stärke liegt darin, das Potenzial in Menschen zu sehen und sie da hinzubringen, wo sie hinwollen", erzählt sie. Eine gewisse Offenheit und Neugier helfen ihr dabei. Zu ihren Klientinnen und Klienten gehören inzwischen kleine Geschäfte genauso wie Models oder Influencer. Für alle ihre Mentees stellt Thalmayr individuell ein Programm zusammen: Fotoshooting, Videodreh, Kreativmeeting, mehrmals pro Woche Impulse per Nachrichtendienst. "In unregelmäßigen Abständen, damit es nicht zu vorhersehbar wird", sagt sie und lacht. "Und wenn es Fragen gibt, bin ich nur einen Anruf entfernt."
Gast-Kommentar von Gerhard Furtmüller
Mentoring als Sprungbrett
Fachkräfte, die exzellente Arbeit verrichten und damit ein Vorbild für ihre Kollegen darstellen, werden gerne in eine Führungsposition befördert. Dieses Vorgehen ist auch aus dem Sport bekannt, wonach beispielsweise ehemalige Weltklassefußballer bereits kurz nach Karriereende dazu ermächtigt werden, eine Mannschaft in einer Topliga zu trainieren. Dies entspricht einer biografischen Personalauswahl, nach der Personen befördert werden, die bereits einmal einen guten Job gemacht haben und das - so der Grundgedanke - in der nächsten Position wieder tun werden. Dabei wird gerne übersehen, dass die Anforderungen, die an eine Fach- bzw. Führungsfunktion gestellt werden, oft unterschiedliche sind.
Ein exzellenter Fußballer kann damit als Trainer oft lediglich bescheidene Erfolge einfahren. Das belegen einige Beispiele aus der Sportgeschichte. Ebenso wird eine Führungskraft, die ihre gewohnten Abläufe als Fachkraft fortführt, mäßig erfolgreich sein. Überforderung und unzufriedene Mitarbeiter werden die Folge sein.
Grundlegend ist somit für jede Führungskraft in spe, angemessene Kompetenzen zu entwickeln. Dabei kann ein erfahrener Mentor hilfreich sein. Ein Mentor, der sich beispielsweise auf Stufe sieben befindet, kann einer Führungskraft, die sich erst auf Stufe zwei befindet, mit Leichtigkeit beim Erreichen der nächsten Stufe unterstützen.
Frauen sind in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Daher ist die Förderung der Kolleginnen durch Mentoring besonders bedeutend, um ihnen das berufliche Vorankommen, vor allem in männerdominierten Domänen, zu erleichtern.
Gerhard Furtmüller ist Experte für Führungskräfteentwicklung und Unternehmenssimulation. Er lehrt am Department für Management an der WU Wien sowie an der Universität Salzburg.