Sandra Hertl (l.) leitet seit 2021 den Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und Personalentwicklung bei Teekanne.
Diana Reuter (r.) ist seit 2019 bei Woerle Nachhaltigkeits- und Innovationsmanagerin. Im Interview erzählen die beiden, was es heißt, Pionierinnen in ihrem jeweiligen Unternehmen zu sein, und wie es gelingt, Klimaschutz und Soziales in alle Unternehmensbereiche einzubetten.
Warum wurden Ihre Abteilungen eingerichtet? Sandra Hertl: Nachhaltigkeit ist das drängendste Thema unserer Zeit. Es betrifft nicht nur Unternehmen, sondern auch uns als Einzelpersonen und als Gesellschaft. Die EU mit ihren Regeln und die Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die ab 2024 schlagend wird, haben den Druck auf die Unternehmen erhöht, sich in diese Richtung zu entwickeln.
Diana Reuter: Auch Konsumenten fordern immer mehr Information rund um die Nachhaltigkeitsagenden der Unternehmen. Gleichzeitig war es Gerrit Woerle, der die Käserei 2021 von seinem Vater übernommen hat, von Anfang an ein Anliegen, als Unternehmer Verantwortung zu übernehmen und einen Beitrag zu leisten.
Nachhaltigkeit hat mehrere Dimensionen: die ökologische, soziale, wirtschaftliche. Wie leben Ihre Unternehmen diese? Hertl: Durch die lange Geschichte und dadurch, dass Teekanne ein Familienunternehmen ist, denken wir seit jeher nicht an das nächste Quartal, sondern immer schon an die nächste und übernächste Generation. Was das Ökologische und Soziale betrifft: Wir haben etwa die Rainforest Alliance als starken strategischen Partner in der Zertifizierung von Rohwaren, um Standards schon am Anfang der Lieferkette sicherzustellen. Wir arbeiten zum Teil schon seit Generationen mit Betrieben zusammen. Tragfähige Beziehungen helfen uns jetzt enorm: Wir ermitteln gerade unsere CO₂-Emissionen in den vorgelagerten Wertschöpfungsschritten. Hätten wir nur Händler, bei denen wir gar nicht wissen, wo die Rohwaren herkommen, würden wir uns schwertun.
Reuter: Für uns ist der ganzheitliche Ansatz wichtig: Natur, Mensch und Tier müssen im Einklang mit Wirtschaftlichkeit stehen. Daher haben wir ein eigenes Nachhaltigkeitsprogramm ins Leben gerufen. Ein Teil davon ist "Artenvielfalt in Bauernhand": Da geht es um die Biodiversitätssteigerung in landwirtschaftlichen Betrieben, aber auch in der Region. Uns ist wichtig, Maßnahmen zu entwickeln, die keine signifikanten Kostennachteile für die Landwirte verursachen und langfristig umsetzbar sind. Wir wollen außerdem den CO₂-Ausstoß senken, nicht nur im Unternehmen, sondern auch in der Lieferkette - in der liegt im Lebensmittelbereich ein Großteil des CO₂-Fußabdrucks.
Wie einfach lassen sich Nachhaltigkeitsagenden im Betrieb durchbringen? Hertl: Es ist in der Führungsebene angekommen, wie wichtig das Thema ist. Das zeigt sich auch darin, dass die Berichtlinie sehr, sehr kurz ist. Wenn ich will, kann ich Themen wöchentlich im Jour fixe mit dem Geschäftsführer aufbringen.
Reuter: Das Nachhaltigkeitsthema ist extrem komplex. Dadurch ergeben sich immer wieder Zielkonflikte. Es ist notwendig, sich strategisch auszurichten, zu schauen, was praktikabel ist, leistbar, umsetzbar. Die Entscheidungen sind bei uns nicht immer rein monetäre. Es wird stark mitbewertet, welche positiv gelagerten Auswirkungen sie langfristig aufs Unternehmen haben. Da gibt es offene Diskussionen, die in strategischen Prozessen auch notwendig sind.
Hertl: Der große Vorteil, den wir beide als Nachhaltigkeitsmanagerinnen in Familienunternehmen haben, ist die langfristige Perspektive. Denn in börsenotierten Unternehmen können kurzfristige Quartalsziele durchaus limitierende Faktoren sein.
Studien zeigen, dass fast jeder Zweite Wert darauf legt, wie nachhaltig sein Arbeitgeber ist. Ein Fünftel hat schon einmal wegen fehlender grüner Werte gekündigt. Hertl: Das ist ganz sicher so. Vor allem jüngere Kolleginnen stellen noch einmal ganz andere Anforderungen ans Unternehmen. Wir wissen, wir können nicht alles auf einmal ändern, aber das, wo wir einen Hebel haben, machen wir sichtbar: Wir kommunizieren unsere Nachhaltigkeitsinitiativen, integrieren sie auch ins Employer Branding.
Reuter: Obwohl wir auf dem Land sind und ein Dreischichtsystem haben, gibt es mittlerweile mehr Mitarbeiter, die den Arbeitsweg nicht mit dem Auto bestreiten, sondern mit dem Rad in die Arbeit kommen, öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder Fahrgemeinschaften bilden. Wir merken gerade bei den Jüngeren, dass Nachhaltigkeit ein Thema ist. Wir haben auch Bewerber, die da durchaus gezielt danach fragen.
Was ist Ihr Antrieb für den Job? Hertl: Natürlich kann man privat seinen Beitrag leisten, aber für ein Unternehmen wie die Teekanne zu arbeiten - wir sind Weltmarktführer bei Kräuter- und Früchtetee - hat eine ganz andere Hebelwirkung. Was mich antreibt, ist die Gestaltungsmöglichkeit, die der Job bringt. Wo, außer vielleicht im digitalen Bereich, hat man die?
Reuter: Mir ist es wichtig, eine sinnstiftende Aufgabe zu übernehmen und aktiv meinen Beitrag im Unternehmen für das Unternehmen zu leisten, Umweltprobleme anzugehen, aber auch Beschäftigte sozial einzubinden und dafür zu sorgen, dass es unseren Bauern möglichst gut geht und die klein-strukturierte Landwirtschaft erhalten bleibt.
Was muss man als Nachhaltigkeitsmanagerin mitbringen? Hertl: Hauptvoraussetzung ist, dass man sich für das Thema interessiert und sich fachlich auf Neues einlassen will, denn der Bereich entwickelt sich äußerst dynamisch. Ich habe eine klassische Wirtschaftsausbildung. Die ist für mich von Vorteil, weil ich so mit CEO, Vertriebs- und Marketingleiter auf Augenhöhe sprechen kann. Es braucht auch ein Stück Pragmatismus, um nicht zu ideologisch an gewisse Dinge heranzugehen, auf die Umsetzbarkeit zu schauen: Lieber einen Schritt gehen als gar keinen!
Reuter: Nachhaltigkeit ist kein isolierter Bereich, sie durchdringt jeden Bereich und damit auch alle Abteilungen. Für mich braucht es vor allem Lust auf das Thema, Empathie und Kommunikationsfähigkeit, um andere motivieren zu können.
Frau Hertl, Sie haben auch Personalentwicklungsagenden. Wie passen diese beiden Bereiche zusammen? Hertl: Bei uns heißt es: "Die Teekanne macht den Tee und wir machen die Teekanne." Das ist nicht nur ein Claim, wir leben das auch so. Zum Beispiel, wenn es um Mitgestaltung geht: Wir haben das kollaborative Format der Jamsession, wo die junge Marketingkollegin, die gerade ihr Studium abgeschlossen hat, auf den Produktionsmitarbeiter mit Migrationshintergrund trifft, der seit 35 Jahren im Unternehmen ist. Beide geben offenes Feedback ab, stoßen Innovationsprozesse an. Ideen müssen immer aus der Organisation heraus kommen. Wir im Management wissen nicht, wo wir Energie einsparen können, die Leute im technischen Bereich dagegen ganz genau. Wir schaffen es als Organisation nur gemeinsam!
Rein technisch wird es außerdem so sein, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung die sozialen Kennzahlen abbildet.
Welche Aufgaben warten künftig? Hertl: Der verpflichtende Nachhaltigkeitsbericht als Teil der Bilanzierung ist ein großes Projekt für die Teekanne-Gruppe, nicht nur in Österreich. Da geht es um IT-Prozesse, darum, ein vernünftiges Datenmanagement aufzusetzen. Gleichzeitig müssen wir Zeit für das freischaufeln, wo wir wirklich einen Unterschied machen wollen: etwa Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen, die wir gemeinsam mit Partnern im Ursprung entwickeln, oder eine resiliente Rohstoffbeschaffungsstrategie, um auf künftige klimabedingte Ernteausfälle zu reagieren.
Reuter: Auch wir bei Woerle bereiten uns auf die Nachhaltigkeitsberichtspflicht vor, genauso ist die strategische Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsagenden Thema. Natürlich ein ebenfalls relevanter Bereich ist jener der Verpackungen: Wie verpacken wir unsere Produkte, damit Haltbarkeit und Produktsicherheit gewährleistet sind? Wie gehen wir gleichzeitig in Richtung Kreislaufwirtschaft und Recyclingfähigkeit?