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Untersuchung: Wie Kunst das Wohlbefinden und die Psyche beeinflusst

Forschende der Universität Wien haben in einer neuen Studie ermittelt, welchen Einfluss das Betrachten von Kunst auf die menschliche Psyche hat - inklusive fünf konkreter Mechanismen, die dabei ausgelöst werden.

„Kunst fördert das Wohlbefinden“: Das Erleben von Freude wird durch das Betrachten von (bildender) Kunst verstärkt.
„Kunst fördert das Wohlbefinden“: Das Erleben von Freude wird durch das Betrachten von (bildender) Kunst verstärkt.

Allein der Anblick von bildender Kunst, der Besuch eines Museums oder die Anwesenheit von Kunst im Krankenzimmer kann das Wohlbefinden steigern - insbesondere bei wiederholter Beschäftigung damit", sagen Forschende der Universität Wien aufgrund einer neuen, internationalen Studie unter Wiener Leitung: "Dies kann die Bedeutung, die wir im Leben empfinden, erhöhen."

Die Untersuchung ist von einem interdisziplinären Team aus Wien, Dublin, Berlin, Cambridge und Nijmegen durchgeführt worden und behandelt erstmals umfassend, welche psychologischen Prozesse beim Betrachten von Kunst ausgelöst werden. Bereits bekannt war bisher zwar, dass das aktive Herstellen von Kunst als förderlich für das emotionale und psychische Wohlbefinden gilt - die Auswirkungen des bloßen Betrachtens waren bis dato allerdings noch weitgehend unerforscht. Für die neue Untersuchung sind Daten aus 38 Erhebungen mit mehr als 6800 Beteiligten herangezogen worden.

Kunst ist kein Luxus, sie fördert das Wohlbefinden erheblich

"Kunst wird oft als Luxus betrachtet, unsere Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass das Betrachten von Kunst - sei es im Rahmen der eigenen Hobbys oder durch gezielte Intervention - das Wohlbefinden erheblich fördern kann", erläutert MacKenzie Trupp, Hauptautorin der Studie und Forscherin an der Universität Wien.

Der Einfluss von Kunst auf die Wahrnehmung von seelischem Wohlbefinden ist nun also belegt worden - insbesondere die positiven Auswirkungen auf ein Gefühl von Sinnhaftigkeit und persönlicher Entwicklung dahinter. Trupp: "Unsere Erkenntnisse eröffnen spannende Möglichkeiten, Kunst in alltägliche Umgebungen und in Strategien im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu integrieren." Jedoch müsse die Evidenzbasis noch durch gründlichere Arbeit damit weiterentwickelt werden.

Wie untersucht man den Einfluss von Kunst auf das Individuum?

Die Teilnehmenden aus den verschiedenen Erhebungen betätigten sich an unterschiedlichen Aktivitäten - neben individuellen Betrachtungen fanden geführte Sitzungen und reflektierende Aufgaben, wie Tagebuchführung, Bewertungen auf emotionaler Basis oder Diskussionen, statt. Bei anderen Interventionen wiederum wurde die Kunstbetrachtung mit Begleitaktivitäten kombiniert, beispielsweise kreativen Übungen. Geführte Reflexionsstrategien waren die am häufigsten eingesetzten Varianten - und könnten ein Hinweis auf die Erzielung positiver Effekte beim Betrachten von Kunst sein.

Betrachten von Kunst: Fünf Mechanismen, die ausgelöst werden

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter liefern nun erstmals auch einen konkreten Überblick in Bezug auf die Mechanismen, wie Kunst das Wohlbefinden steigert beziehungsweise inwiefern die Psyche dabei positiv beeinflusst wird.

Zu den fünf Prozessen zählen affektive Mechanismen, wie die Emotionsregulierung und das Erleben von Freude. "Kognitive Mechanismen umfassen Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Lernen - Kunst kann zum Nachdenken anregen oder die Neugierde wecken", heißt es vonseiten der Uni Wien. Sich gemeinsam mit Kunst zu beschäftigen, schafft Verbindungen und verringert das Gefühl der Isolation - Teil der sozialen Mechanismen.

Persönliche Reflexion, Identitätsstärkung und ein Gefühl von Sinnhaftigkeit zählen zu den selbsttransformativen Prozessen.

Nummer fünf stellen Mechanismen zur Stärkung der Resilienz dar, die die emotionale Bewältigung und Wiederherstellung, insbesondere in klinischen oder stark belastenden Umgebungen, umfassen.

Die Studienautorinnen und -autoren haben des Weiteren, ihren Ergebnissen folgend, die "Receptive Art Activity Research Reporting Guidelines" entwickelt - eine neue Reihe von Kriterien, die sicherstellen sollen, dass "zukünftige Interventionen und Forschungsarbeiten besser verglichen, bewertet und rezipiert werden können".

Fazit: Vonseiten der Universität Wien wird das ungenutzte Potenzial des Betrachtens von Kunst als Ressource für das emotionale und mentale Wohlbefinden hervorgehoben. "Da Kunst bereits in öffentlichen und privaten Räumen präsent ist, könnte sie gezielter als kostengünstiges, zugängliches Instrument für die psychische Gesundheit eingesetzt werden", schlussfolgern die Forscherinnen und Forscher. Pädagogisches Personal und Gesundheitsdienstleistende sollen ermutigt werden, diese Erkenntnisse bei der (zukünftigen) Raumgestaltung zu berücksichtigen.