85 Jahre wird er am 23. Juli. Aus diesem Grund ist Gerald Schmid eine wunderbare Ausstellung gewidmet. Sie wurde am Freitagabend im Kunsthaus Nexus eröffnet. Die Galerie quoll förmlich über vor Menschen. Die Gäste erlebten eine Sternstunde. In mehrerlei Hinsicht. Zum einen, weil Kurator Christoph Feichtinger erneut eine einfühlsame Hand bewies. Ausgestellt sind zwanzig Bildnisse auf Papier. Sie alle zeigen ein Motiv. Den halb devastierten Strunk eines Essigbaums. Der lehnt vor Schmids Atelierfenster. Dieses Atelier ist seit 1978 sein künstlerisches Epizentrum. Er ist jeden Tag hier anzutreffen. Fast manisch arbeitet er sich an Kleinigkeiten ab. An Wurzelstücken oder verdorrten Äpfeln. Oder an Struktur und Farbe einer Felsformation in der Nähe von Weißbach bei Lofer. Die Skizzen des Felsens wandeln sich zu einem expressionistischen Farbkosmos.
In frühen Schaffensphasen türmte Schmid zentimeterdicke Landschaften aus Struktur und Farbe auf die Leinwand. Seine aktuellen Arbeiten sind eine Mischung aus Gouache und Aquarell. Farbenfroh, frisch, hell - großartig. Viele weiße Einsprengsel wirken auf die Farben wie Katalysatoren.
Nicht mehr die Leinwand ist das Trägermedium, sondern Papier. Jedes seiner Blätter ist für Schmid zugleich eine Suche nach der Wahrheit. Er spürt dem Wesen der Dinge nach. Und so wird für ihn der Strunk eines Essigbaums zu einem Baum der Erkenntnis.
Kurator Christoph Feichtinger schrieb in einem 2003 erschienenen Ausstellungskatalog über Schmid: "Die Vorstellung liegt nahe, dass eines fernen Tages, wenn selbst der enge Gang (im Atelier) noch mit Kunstwerken verstellt sein wird, er sachte das Fenster öffnet und lautlos, von niemandem bemerkt, auffährt in den Malerhimmel, unbefleckt von den Sünden der -arts und -ismen, als Heiliger der Malerei."
Schmid ist mit sich und seiner Arbeit so schonungslos wie mit der Kritik an anderen. Einen Himmel blau zu malen, nur weil der blau ist, aber das Wesen des Gesehenen mit den Mitteln der Malerei nicht fassen zu können, führt bei ihm zu einem künstlerischen Sodbrennen. Am Freitag startete er seine Ausführungen, wie er es immer tut: fragend. "No, wie ist denn das jetzt mit der Kunst? Ha?" Arme und Beine bewegen sich wie Tentakel. Jedes Wort unterstreicht er mit weit ausholenden Gesten. Seinen Geist, seine Gedanken hört man dabei förmlich rattern und schwirren. Eines hat Schmid trotz seiner 85 Jahre nie aufgehört: versuchen, sich weiterzuentwickeln. Zu ergründen. Zu erforschen. Das belegt er auch anhand einer Serie von Selbstporträts. Sie sind im Eingangsbereich der Galerie zu sehen und erreichen ohne Frage die Unmittelbarkeit von Kokoschka.
■ Kunsthalle Nexus Saalfelden, Gerald Schmid: Neue Arbeiten; bis 15. Mai; Do. bis Sa. 17 bis 20 Uhr oder nach tel. Vereinbarung 06582-73277 oder 0699-10001025.