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In der Polestar-Position

Polestar-CEO Thomas Ingenlath im Interview. Der designaffine Markenchef über die Nähe zu Volvo und Porsche, China und den Börsegang.

Thomas Ingenlath bei der diesjährigen Shanghai Autoshow mit dem neuem SUV-Modell Polestar 3.
Thomas Ingenlath bei der diesjährigen Shanghai Autoshow mit dem neuem SUV-Modell Polestar 3.

Nach Stationen bei Audi, Volkswagen und Škoda wechselte der Autodesigner Thomas Ingenlath 2012 zur Marke Volvo, wo er die Gesamtverantwortung für das Design übernahm. Seit 2017 ist der gebürtige Deutsche CEO des Elektroautoherstellers Polestar - und ist damit der bis dato einzige Designer an der Spitze eines Autoherstellers.

Die Präsentation des Polestar 3 liegt bereits über ein Jahr zurück. Nun dauert es noch bis Anfang 2024, bis das neue Modell auf die Straße kommt. Wie passt das zum dynamischen Image der Marke? Thomas Ingenlath: Meine Geduld ist deswegen natürlich schon sehr strapaziert. Aber ich muss das auch in Schutz nehmen. Es ist eine unglaublich komplexe und innovative Technologie, die da mit dem Polestar 3 auf den Markt kommen wird. Durch den neuartigen Chip von Nvidia ist das Auto technisch darauf vorbereitet, die nächsten Schritte beim autonomen Fahren zu machen. Wichtig ist auch, dass die nachfolgenden Modelle durch die Verzögerung des Polestar 3 nicht ebenfalls später kommen. Im Gegenteil - der Polestar 4 wird in China sogar schon im Dezember in Kundenhänden sein.

Die Roadmap der Neuvorstellungen ist also weiterhin gültig? Ja, absolut. Unser Zeitplan, im Jahr 2025 die Modelle 2, 3, 4 und 5 auf dem Markt zu haben, bleibt unangetastet.

Die Marke positioniert sich zwischen bewusst kultivierter Start-up-Mentalität und den starken Verbindungen zu einem traditionsreichen Hersteller wie Volvo. Wo fühlen Sie sich eher zu Hause? Die Kunst besteht darin, das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen. Die Realität ist, dass man nie nur das Gute bekommt, sondern dass man sich auch mit den Herausforderungen beschäftigen muss. Es hat mich selbst überrascht, dass die Elektromobilität als solche schon dafür sorgt, dass dieser Start-up-Spirit da ist. Viele Partner sind von der Geschwindigkeit und von der Direktheit überrascht - und das, obwohl wir next door zu Volvo in Göteborg sitzen. Der Sinn der Marke Polestar besteht auch darin, neue, innovative Dinge auszuprobieren. Etwa ein Auto ohne Heckscheibe auf den Markt zu bringen.

Worin unterscheidet sich Polestar von Volvo? Selbst wenn der Polestar 3 die gleiche technische Basis nutzt wie der EX90, so sind es im Endeffekt zwei völlig unterschiedliche Fahrzeuge. Während es sich beim Volvo um ein siebensitziges SUV mit genug Platz für die ganze Familie handelt, ist der Polestar das sportlichere Auto mit nur zwei Sitzreihen, einer viel niedrigeren, enger geschnittenen Karosserie. Volvo ist eine Marke, die Inklusivität verkörpert. Selbst jene, die nicht selbst Volvo fahren, haben in aller Regel Sympathien für die Marke. Der springende Punkt dabei ist die Herangehensweise, nicht den Fahrer zu favorisieren. Stattdessen ist jeder und jede im Auto gleich wichtig. Und auch die Menschen außerhalb des Autos. Das ist ein ganz spezielles Mindset. Polestar polarisiert im Vergleich dazu viel mehr. Wir gehen viel technischer an Themen heran. In der Vergangenheit gab es mit Saab lange Zeit eine zweite eigenständige Marke aus Skandinavien. Das hat nebeneinander auch sehr gut funktioniert.

"Elektroautos sollten nicht nur über Ratio und Umweltbewusstsein definiert sein."
Thomas Ingenlath
CEO Polestar

Sie haben Polestar in der Vergangenheit immer wieder mit Porsche verglichen. Welche Strategie verfolgen Sie damit? Im Moment ist es wichtig, der Marke eine grobe Orientierung zu geben. Vom Polestar 2 aus könnte es theoretisch ja in mehrere Richtungen gehen. So könnte man ja auch günstigere Fahrzeuge bringen. Oder man könnte wie Tesla das Ziel verfolgen, zwei Millionen Autos im Jahr zu verkaufen. Grundsätzlich bin ich überzeugt davon, dass Elektroautos nicht nur über Ratio und Umweltbewusstsein definiert sein sollten. Die Menschen lassen sich viel einfacher begeistern, wenn man auch einen emotionalen Anhaltspunkt hat. Die emotionale Bindung zum Automobil positiv zu sehen anstatt nur als Makel, das bringt Polestar nun einmal viel näher zur Kundschaft von Porsche als beispielsweise zu jemandem, der einen Nissan Leaf fährt. Wobei das natürlich auch ein gutes Auto ist.

China ist in der Autobranche aktuell ja allgegenwärtig. Polestar hat diesbezüglich eine spannende Position, da man einen chinesischen Eigentümer hat und die Autos bis dato ausschließlich dort produziert werden. Nach außen hin wird die Marke aber weitestgehend als europäische Marke wahrgenommen. Wir werden als europäische Marke wahrgenommen, weil wir eine sind. Unser Headquarter ist in Göteborg, unsere Ingenieure arbeiten je zur Hälfte in Schweden und in England. Dass die Autos in China produziert werden, ist meiner Meinung nach nicht entscheidend. Vor fünf Jahren war es auch noch kein Thema, dass europäische Marken ihre Autos in China fertigen lassen. Oder dass Apple seine iPhones dort produzieren lässt. Ganz klar, wir haben chinesische Eigentümer. Das hat sich aus politischen Gründen geändert. Für Apple genauso wie für Polestar. Wir streben langfristig aber eine ausgeglichene Produktionsaufteilung an. Da ist es kein Hindernis, dass wir chinesische Eigentümer haben.

Gibt es dazu einen Masterplan? Auf jeden Fall. Das hätte sich langfristig ohnehin ergeben, wenn man einen großen Kundenstamm in Europa oder in den USA hat. Die Produktion vor Ort rechnet sich - sowohl ökonomisch als auch aus umweltpolitischer Perspektive. Nun wird es aus Gründen der Resilienz schneller gehen. Wir dürfen das Unternehmen nicht in möglichen künftigen Strafzöllen untergehen lassen. Und gemeinsam mit Volvo wird es auch gelingen, ein internationales Manufacturing aufzubauen. Mit dem Listing im Nasdaq haben wir dem Unternehmen auch neue Türen geöffnet.

Ist der Börsegang aus aktueller Sicht eher Fluch oder Segen? An der Börse gelistet zu sein, ist aktuell für niemanden lustig (lacht). Weil die Börse selbst derzeit in einer schwierigen Phase ist. Natürlich ging es uns dabei vorrangig um die Finanzierung der Expansion. Auf jeden Fall hat es dabei geholfen, das notwendige Mindset sehr schnell in die Firma reinzubringen, dass Profitabilität von Tag eins weg ein wichtiges Thema ist. In der Aufbauphase muss es das Ziel sein, sich so schnell wie möglich selbst finanzieren zu können.

Wann muss es so weit sein? Wenn wir das aktuell geplante Portfolio mit den Modellen 2 bis 5 auf dem Markt haben. Spätestens 2026, wenn der Polestar 5 voll am Markt ist, muss dieser Zustand voll erreicht werden.