Ab 1992 hatte der gebürtige Münsterländer Michael Lohscheller (56) zahlreiche Positionen in der Automobilbranche inne, etwa bei Volkswagen, DaimlerChrysler und Mitsubishi. 2012 wurde er Vorstandsmitglied bei Opel, von 2017 bis 2021 war er Geschäftsführer. Anfang Oktober 2024 löste Lohscheller Thomas Ingenlath als CEO der Marke Polestar ab.
Herr Lohscheller, Sie sind nun fünf Monate bei Polestar. Welche Dinge haben Sie als Erstes verändert? Michael Lohscheller: Den größten Handlungsbedarf sehe ich beim Vertrieb. Es reicht nicht, die Autos herzuzeigen und dann darauf zu hoffen, dass die Kunden sie online bestellen. Stattdessen werden wir unser Verkaufsmodell aktiver gestalten und neue Einzelhandelspartner an Bord holen. Es wird viel einfacher werden, einen Polestar Probe zu fahren. Den bestehenden Onlineverkauf werden wir aber beibehalten. So können die Kunden frei entscheiden, wie sie ihren Polestar kaufen wollen. Aber in den kommenden Monaten geht es vorrangig darum, neue Händlerpartner zu finden. Und das werden in der Regel Partner sein, die bereits die Marke Volvo vertreiben, weil diese für Polestar auch das Service übernehmen.
Nicht wenige stellen sich die Frage, warum man hier nicht schon längst Synergieeffekte nutzt. Wächst mit Polestar und Volvo jetzt zusammen, was eigentlich schon länger zusammengehört? Wir nutzen bereits Synergieeffekte in verschiedenen Bereichen und bauen ja auch auf dem starken Volvo-Netzwerk auf. Wenn Volvo-Händler auch Polestar verkaufen möchten, dann hat das ja durchaus Sinn für alle Beteiligten. Richtig ist aber auch, dass Polestar die Modelle wahnsinnig schnell entwickelt und auf den Markt gebracht hat. Das geht natürlich nicht immer supereffizient. Wir gehen deshalb nun die Kostenstruktur der Autos durch und versuchen, hier weiter zu optimieren. Ich kenne mich in diesem Bereich ja ein wenig aus. Fakt ist, wir brauchen mehr Marge pro Fahrzeug.
Wann werden diese Maßnahmen greifen? Den Lohscheller-Stempel, wenn Sie es so nennen wollen, wird man schon in diesem Jahr sehen. 2025 ist für uns das perfekte Jahr. Alle Vorbereitungen sind getroffen, die Auftragseingänge sind oben. Wenn wir uns 2026 wieder treffen, dann werden wir ein Wachstum zwischen 30 und 35 Prozent im Vergleich zu 2024 geschafft haben.
Welche Rolle spielen die CO2-Zertifikate in dieser Rechnung? Als reiner E-Auto-Hersteller hat Polestar ja die Möglichkeit, den Vorteil beim Flottenverbrauch zu monetarisieren. Im Jahr 2025 wird das voraussichtlich ein dreistelliger Millionenbetrag sein. Das hilft uns natürlich, löst aber nicht alle Aufgaben, die vor uns liegen.
Auf der anderen Seite kann man bei anderen Marken aktuell eine Abkehr von der reinen Elektrostrategie beobachten. Ist das für Polestar ebenso denkbar? Tatsache ist, dass das Wachstum bei den E-Autos noch nicht so hoch ist, wie noch vor ein paar Jahren alle gedacht haben. Es wird ein wenig länger dauern als ursprünglich geplant. Eine Abkehr von den reinen E-Autos kann ich mir aber nicht vorstellen. Denn ich bin überzeugt davon, dass es der richtige Weg ist.
Eine Ihrer ersten Entscheidungen war auch, den Roadster Polestar 6 zu verschieben und mit dem Polestar 7 ein kompaktes SUV vorzuziehen. Bedeutet das eine Abkehr von der Premiumpositionierung der Marke? Zunächst bekommen Sie noch in diesem Jahr den Polestar 5, eine fantastische Sportlimousine mit unheimlich viel Technik und Performance. Das ist sehr sinnvoll, weil das Auto fast fertig ist und uns unheimlich dabei helfen wird, die Marke richtig zu positionieren. Aber natürlich müssen wir uns breiter aufstellen. Die aktuellen Modelle sind bei der Produktion relativ aufgesplittet und bieten deswegen relativ wenige Synergieeffekte. Ich möchte, dass wir möglichst schnell in die wichtigen Segmente und damit in die echten Profitpools kommen. Und deshalb hat die Entscheidung, den Polestar 7 vor dem Polestar 6 zu bringen, absolut Sinn. Als SUV auf einer neuen, modernen Plattform ist das der Profittreiber, der in einem größeren Segment mehr Käufer ansprechen wird.