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Suche nach dem Wunderakku

Am Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien wird am Energiespeicher der Zukunft geforscht. Batterieexperte Marcus Jahn im Interview über die große Hoffnung Feststoffakku.

Als Leiter des Kompetenzzentrums für Batterietechnologien am AIT gilt Marcus Jahn als einer der renommiertesten Batterieforscher Österreichs.
Als Leiter des Kompetenzzentrums für Batterietechnologien am AIT gilt Marcus Jahn als einer der renommiertesten Batterieforscher Österreichs.

Bis Ende des Jahres wird das neue, supermoderne Batterielabor am Austrian Institute of Technology in Vollbetrieb gehen. Als Teil des gesamteuropäischen Forschungsprojekts Sublime spielt das AIT eine gewichtige Rolle bei Suche nach dem Superakku der Zukunft. Im Gespräch mit den SN verrät Akkuexperte Marcus Jahn Wissenswertes zum Thema Feststoffakku.

Zu Beginn: Was unterscheidet einen Feststoffakku von den heute gängigen Lithium-Ionen-Akkus? Marcus Jahn: Heutige Akkus verwenden ein flüssiges Elektrolyt. Diese Flüssigkeit ist für die allgemein bekannte Brandgefahr verantwortlich. Wenn es zu einem Kurzschluss kommt oder die Batterie beschädigt wird, so kann das Elektrolyt Feuer fangen. Bei Feststoffakkus wird diese flüssige Komponente durch eine feste, nicht brennbare Komponente ersetzt. Das kann wahlweise ein Polymer, also Kunststoff oder Keramik, sein. Aktuell wird geforscht, welches Material die besten Voraussetzungen bietet.

Ist also die Reduktion der Brandgefahr die Hauptmotivation zur Erforschung von Feststoffbatterien? Die Verbesserung der Sicherheit ist sicher einer der wichtigsten Gründe. Zum anderen ist es die Erhöhung der Energiedichte. Das heißt, ich kann in einer Zelle mit gleicher Größe und gleichem Gewicht mehr Energie speichern. Und je mehr Energie man speichern kann, desto weiter kann man fahren. Damit einher geht die Hoffnung, auf bestimmte Komponenten ganz verzichten zu können, etwa auf Grafit bei der Anode.

"Der Feststoffakku wird zweifellos kommen. Die Frage ist nur, wann."
Marcus Jahn
Akkuforscher am AIT

So manche Autohersteller haben bereits mit vermeintlichen Sensationsmeldungen zu Feststoffakkus für Aufsehen gesorgt. Wie realistisch ist das aus Ihrer Sicht? Grundsätzlich kann man sagen, von einem Durchbruch im Labor bis zur tatsächlichen Serienreife sind mindestens zehn bis fünfzehn Jahre einzuplanen. Unter Laborbedingungen werden meist sehr kleine Knopfzellen verwendet. Das ist die notwendige Grundlage. Erst beim nächsten Schritt überlegt man sich, wie man die Zellen in größerer Menge herstellen kann. Dieser Teil der Forschung ist enorm wichtig, um möglichst schnell einen Vorserienprototyp zu entwickeln. Einige der Technologien scheitern jedoch genau an diesem Schritt.

Das heißt, diese Unternehmen haben schon sehr frühzeitig mit der Entwicklung begonnen oder es handelt sich nicht um echte Feststoffakkus? Wenn ganze Industrien bisher daran gescheitert sind, dann würde es mich schon sehr überraschen, wenn es einen Autohersteller gäbe, der nicht nur das geschafft hat, sondern auch schon zur Serienreife gebracht hat. Tatsächlich gibt es eine Entwicklung, die man als Hybridakkus bezeichnen könnte - weil echte Feststoffbatterien wirklich nicht leicht zu realisieren sind. Dabei handelt es sich im Grunde um dasselbe Prinzip, man hat allerdings noch ein bisschen Flüssigkeit mit drinnen, in manchen Fällen weniger als fünf Prozent. Wenn diese Technologie dasselbe Potenzial bei Performance und Sicherheit zeigt, dann ist das sicherlich eine gute Alternative.

Die Frage, ob flüssig oder fest, ist ja grundsätzlich unabhängig davon, welche Rohstoffe für die Produktion verwendet werden? Nach momentaner Definition ist ein Feststoffakku nach wie vor auch eine Lithium-Ionen-Batterie. Wenn man die Technologie aber auch als eine Art Konzept betrachtet, um in Zukunft von Lithium-Ionen auf Natrium- oder Magnesium-Ionen zu wechseln, dann könnte man auch beim Feststoffakku auf weniger kritische Rohstoffe setzen.

Das heißt im Umkehrschluss, dass Feststoffakkus nicht zwangsläufig auch umweltschonender sind als konventionelle Batterien? Nein, das sind sie nicht, wenn man die geringere Brandgefahr einmal ausklammert.

Könnte die Konsequenz aus Sicht der Nachhaltigkeit dann nicht sein, anstatt des Feststoffakkus lieber die Akkus mit flüssigem Elektrolyt weiterzuentwickeln? Es gibt generell verschiedene Ansätze, wie die Elektromobilität vorangebracht werden sollte. Der Feststoffakku ist zweifellos die Technik, die den größten Reichweitenzugewinn ermöglichen wird. Je besser die Performance in der Praxis wird, desto eher treten die ökologischen Aspekte in den Vordergrund. Auch Lithium-Eisenphosphat-Akkus sind in letzter Zeit wieder populär geworden, obwohl sie eine geringere Energiedichte und damit weniger Reichweite bieten.

Ich stelle es mir sehr schwierig vor, die verschiedenen Anforderungen unter einen Hut zu bekommen. Bisher wurde die Forschungslandschaft von der Energiedichte bestimmt. Eine möglichst hohe Energiedichte steht jedoch nicht immer im Einklang mit maximaler Sicherheit. Hier könnte der Feststoffakku punkten. Wenn man dann aber von Nachhaltigkeit spricht, dann geht es um die Herstellungsmethoden. Dann bleibt noch der Faktor Preis. Man darf nicht erwarten, dass ein nachhaltig produzierter Akku mit hoher Energiedichte, der auch noch gut recycelbar ist, weniger kostet als heutige Energieträger. Das wäre der heilige Gral der Akkuforschung, aber konzeptionell schließt sich das nach heutigem Stand der Technik aus.

Ist der viel zitierte Superakku, der alle Kriterien gleichzeitig erfüllt, überhaupt notwendig? Ich halte es für eine positive Entwicklung, dass manche Hersteller bereits unterschiedliche Akkuvarianten anbieten, teilweise auch mit unterschiedlicher Zellchemie. Die Käufer können dann wählen, ob sie eine größere Reichweite wollen, die dann aber mehr kostet. Im Gegensatz dazu ermöglicht eine günstigere Zellchemie eine niedrigere Eintrittsschwelle zur E-Mobilität. Bei Nutzfahrzeugen stehen überhaupt andere Kriterien im Vordergrund, etwa die Lebensdauer.

Lohnt es sich für Autokäufer, auf den Feststoffakku zu warten? Wenn man heute mit dem Gedanken spielt, sich ein E-Auto zuzulegen, dann sollte man es wahrscheinlich tun. Der Feststoffakku wird zweifellos kommen. Die Frage ist nur, wann. Und selbst dann bleibt der Preis ein wichtiges Kriterium. Und auch, ob die Reichweitenvorteile groß genug sind, um den höheren Preis zu rechtfertigen. Selbst die optimistischsten Erwartungen der Autohersteller bedeuten nicht zwangsläufig, dass sich die Reichweiten über Nacht verdoppeln.

IMFS ONLINE-SESSION #3

Der komplette Stream des Expertengesprächs zum Thema "Wann kommt der Feststoffakku?" mit zusätzlichen Fragen und detaillierten Antworten von Marcus Jahn vom Austrian Institute of Technology (AIT) kann jederzeit im Relive unter www.SN.at/IMFS angesehen werden.