Die Vorstellung davon, dass plötzlich alle Lichter ausgehen und über weite Strecken kein Strom mehr zur Verfügung steht, scheint fast schon surreal. Expertinnen und Experten weisen jedoch immer wieder darauf hin, dass es sich um eine reale Bedrohung handelt.
So auch Herbert Saurugg, der einst für das österreichische Bundesheer arbeitete, Cyber-Sicherheit studierte und sich in weiterer Folge als Blackout- und Krisenvorsorgeexperte selbstständig machte. Im SN-Interview berichtet er über aktuelle Risiken, die zu einem Blackout führen könnten, wie sich dem vorbeugen lässt und welche Vorkehrungen jede und jeder Einzelne treffen sollte.
Wie könnte es Ihrer Einschätzung nach in der nächsten Zeit zu einem Blackout kommen? Herbert Saurugg: Was mich beunruhigt, ist, dass ich in den letzten Jahren eine Häufung von kritischen Situationen beobachte. Der Worst Case wäre natürlich ein gezielter Angriff von außen, doch auch ohne einen solchen laufen wir immer häufiger Gefahr, einen Blackout auszulösen. Seit Jahren beobachte ich mit einem internationalen Expertenteam die Entwicklungen im europäischen Verbundnetz. Auffällig sind z. B. die immer wiederkehrenden abrupten Frequenzänderungen zum Stundenwechsel, wenn große Mengen der vorgehaltenen Reserven für Kraftwerksausfälle eingesetzt werden müssen, ohne dass Kraftwerke ausgefallen sind. Erst kürzlich ist die Frequenz wieder sprunghaft auf ein Niveau gefallen, das in den letzten fünf Jahren nur sechs Mal erreicht wurde. Oder die deutliche Zunahme kritischer Netzeingriffe: Diese stiegen in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten von einer einstelligen Zahl im gesamten Jahr auf 12.400 im Jahr 2022, dann auf 15.200 im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr sind es bereits 6000.
Wie kommt es zu diesen Frequenzabweichungen? Das hängt wahrscheinlich mit dem Fahrplanwechsel der Kraftwerke zusammen. Wenn diese nicht genau aufeinander abgestimmt sind, entstehen Lücken, die aber nicht so groß sein sollten. Eine mögliche weitere Störung kann dann zu einem Kaskadeneffekt führen. Das größte Problem ist, dass die Energiewende nicht systemisch umgesetzt wird. Es wird zwar immer mehr auf die Stromerzeugung aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen gesetzt, aber es fehlt ein ganzheitliches Energiemanagement, Speicher und Netzanpassungen, um Erzeugung und Verbrauch jederzeit im Gleichgewicht zu halten. Das Grundproblem: Die Regulierung setzt nicht die richtigen Anreize.
Was muss passieren, damit die Stromversorgung stabiler wird? Wir müssen wieder ins systemische Denken und Handeln, in eine gesamtheitliche Betrachtung kommen. Wir können uns das von der Natur abschauen: Dort hat sich alles bewährt, was in zellulären Strukturen aufgebaut ist. Das ist auch der Ansatz, den wir für unsere Stromversorgung brauchen. Wir brauchen viele funktionale Einheiten, Energiezellen, die alle miteinander verbunden sind und sich gegenseitig ausgleichen können. Zwar gibt es aktuell bereits Energiegemeinschaften, doch es handelt sich dabei um reine Abrechnungseinheiten. Es geht darum, echte Gemeinschaftsnetzwerke herzustellen, beispielsweise für einen Ortsteil, die wiederum mit anderen Netzwerken verbunden sind. Es gibt Regionen, die mehr Strom produzieren, als sie brauchen, und andersherum. Wenn das dezentral ausbalanciert wird und sich Regionen gegenseitig aushelfen, kippt die Gefahr, dass es großflächig zu Ausfällen kommt. Wir brauchen Kooperationen, bei denen nicht nur der betriebswirtschaftliche Profit, sondern die Sicherheit im Vordergrund steht.
Wie gut sind wir im zentraleuropäischen Raum im Falle eines Blackouts gerüstet In Österreich sind wir heute besser vorbereitet als noch vor wenigen Jahren. In vielen anderen Ländern kaum oder gar nicht. Das Grundproblem: Selbst bei einem großflächigen Stromausfall von nur wenigen Stunden würde es Tage dauern, bis die Grundversorgung wieder funktioniert. Es gibt einfach zu viele Abhängigkeiten und Unbekannte. Wir wissen aber, dass sich immer noch zu viele Menschen darauf verlassen, dass der Staat schon für sie sorgen wird. Fehlende Eigenvorsorge kann aber niemand ersetzen. Deshalb sollte jeder von uns in der Lage sein, sich für mindestens 14 Tage mit dem Nötigsten selbst zu versorgen.
Was gehört alles zu dieser Eigenversorgung dazu? Wasser für mehrere Tage, sollte es einen Ausfall in der Wasserversorgung geben, haltbare Lebensmittel, Erste-Hilfe-Ausrüstung und wichtige Medikamente. Letzteres ist natürlich insofern schwierig, als viele Medikamente nicht einfach auf Lager verschrieben werden. Ich empfehle, mit der Ärztin oder dem Arzt zu sprechen, wie man sich individuell am besten vorbereiten kann. Bei den Lebensmitteln eignen sich Nudeln, Reis, Nüsse, getrocknete Früchte und Konserven. Um 14 Tage zu überbrücken, braucht es nicht so viel, wie meist befürchtet wird. Man braucht ja keine vollen Portionen, es geht nur darum, den Hunger einzubremsen. Physisch wären wir in der Lage, auch 14 Tage ohne Nahrung auszukommen. Natürlich muss auch die Versorgung von Kleinkindern, pflegebedürftigen Menschen und Haustieren bei den Vorkehrungen berücksichtigt werden. Neben der persönlichen Vorsorge ist auch jene auf Gemeindeebene wichtig: die Wasser- und Abwasserversorgung wie auch die Gesundheits- und Lebensmittelnotversorgung. Jede Gemeinde sollte für sich gut aufgestellt sein, manche Dinge sollten aber auch überregional vorbereitet werden. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich zudem unbedingt individuell für ihren Betrieb überlegen, was im Blackout-Fall zu tun ist.