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Baumrindendämmung: Die Lärche war's …

Baumrinde als Abfallmaterial ist viel zu wertvoll, um verbrannt zu werden. An der FH Kuchl erforscht man Baumrindendämmung.

Pionierprojekt „Balthasar Volcano“ mit Lärchenrindenplatten in St. Wolfgang.
Pionierprojekt „Balthasar Volcano“ mit Lärchenrindenplatten in St. Wolfgang.
"In der Holzwirtschaft fallen große Mengen Rinde an, eine wertvolle Ressource."
Günther Kain
Holztechnikexperte

Die Haut der Bäume - also die Rinde - wird im Sägewerk abgenommen und landet meist als Brennstoff im Fernwärmewerk oder vielleicht noch als Rindenmulch in Gärtnereibetrieben. "In Wirklichkeit ist das traurig, denn Holzrinde ist eine wertvolle Ressource, die für andere Anwendungsgebiete eingesetzt werden kann", sagt Günther Kain, Holzbaumeister, Innenarchitekt und Tischler in Hallstatt, der sowohl an der FH in Kuchl als auch an der HTL in Hallstatt unterrichtet.

Rinde schützt Baum vor Gefahren. Auch Gebäude?

Er hat sich zuallererst die Frage gestellt, was die Rinde für einen Baum leistet: Sie bedeckt Stämme, Zweige und Wurzeln, schützt das darunterliegende Kambium (Gewebe, das für das Dickenwachstum zuständig ist, Anm.) und verhindert einen Wasserverlust des Baums. Sie schützt vor Hitze, Frost, Insekten und Feuer. "Ein sehr interessantes Material, weil es ein Optimum an Schutz bietet", sagt der Goiserer.

Diese Eigenschaften sind durchaus in Gebäuden relevant, weil sie ebenfalls eine Absicherung gegen die Umwelt darstellen - sinnvoll vor allem im Massivholzbau, wo die Rinde sozusagen nach außen transferiert wird. Daran hat Kain geforscht und sich durch seine Dissertation an der TU München weiter in die Materie vertieft.

Eugenia Mariana Tudor forscht an der FH Kuchl an Rindendämmung.
Eugenia Mariana Tudor forscht an der FH Kuchl an Rindendämmung.

Die Baumrinde ist für den Einsatz als Dämmmaterial geeignet. In Kuchl wird vor allem mit heimischen Hölzern gearbeitet und hier insbesondere mit Lärchenrinde. Die gebogenen Stücke, die nach der Entrindung anfallen, werden je nach gewünschtem Endprodukt in verschiedene Größen zerkleinert. "Dieses Material kann weiterverarbeitet werden, etwa als Nutzschichten zum Beispiel für Fußböden anstatt Kork", berichtet Eugenia Mariana Tudor, die an der FH Kuchl Studien und Experimente mit Baumrinde als nachhaltigem Rohstoff durchführt. Als Professorin am Department Design und Green Engineering hat sie sich mit ihren Arbeiten inzwischen habilitiert.

Rinde bietet nachhaltige Baualternative

"Durch das Mischen mit Mineralien, Ton oder Zement wird das Material feuerfest und kann als Feuerschutz verbaut werden." Hervorragend haben sich die akustischen Eigenschaften erwiesen und es ist daher bestens für Konzertsäle oder Schulräume geeignet. "Am besten wäre hier die Zirbe, aufgrund ihres Vorkommens ist sie jedoch nicht wirtschaftlich einsetzbar", bedauert sie: "Rinde ist die nachhaltige Alternative zu Holz im Bauwesen und in der Innenarchitektur. Außerdem haben Menschen sie schon seit Tausenden Jahren verwendet." Biomimetische (auf der Nachahmung biologischer Strukturen, Formen, Bauplänen oder Prozessen beruhend, Anm.) Produkte auf Rindenbasis werden für Wärme- und Schalldämmung, Fußböden und feuerfeste Wände entwickelt.

Verglichen mit anderen Dämmstoffen weist Baumrinde hinsichtlich Wärmeleitfähigkeit einen ähnlich geringen Wert wie Zellwolle auf. "Sie kann jedoch wesentlich besser recycelt werden als etwa Mineralwolle, je nach den verwendeten Klebstoffen. Holz enthält ja bereits Lignin, das als Holzklebstoff bzw. Bindemittel genutzt wird", erklärt sie.

Rindendämmstoffe reduzieren Emissionen erheblich

Hinsichtlich des ökologischen Fußabdrucks punkten Rindendämmstoffe zusätzlich, weil sie selbst kaum Emissionen aufweisen. Tests haben gezeigt, dass ein Kubikmeter Rinde rund eine Tonne CO₂ bindet. Kurze Transportwege aufgrund der regionalen Produktion und uneingeschränkte Kreislauffähigkeit addieren sich als Pluspunkte dazu.

Der Rohstoff wird nach Zerkleinerung, Zerfaserung und Trocknung mit den entsprechenden Klebstoffen vermischt und anschließend in Platten gepresst. "Wir testen schließlich auf mechanische und physikalische Eigenschaften, auch die thermischen Eigenschaften, wie Wärmeleitfähigkeit oder akustische Wirkungen, werden überprüft."

Start-up entwickelt innovative Isolierplatten

Die Marktfähigkeit steckt noch in den Kinderschuhen. Günther Kain hat mit dem Start-up Barkinsulation, das sich aus FH-Studierenden rekrutierte, Platten entwickelt und patentieren lassen. Im Prototyp verbaut sind sie aktuell in St. Wolfgang. Dort hat Mediendesigner und Fotograf Max Eisl gemeinsam mit seiner Partnerin Anna Winkler das Gästehaus "Balthasar Volcano" errichtet. Der etwas mystisch wirkende Name bezieht sich auf das Haus der Großeltern, das zuvor an diesem Ort stand. Er ist gebildet aus dem Vornamen des einen und dem Nachnamen des anderen Großvaters.

Beim Planen des neuen Hauses - fast alle Baumaterialien stammen aus einem Umkreis von maximal 50 Kilometern - hat der ausführende Architekt auf Günther Kain verwiesen, weil er es als gute Idee empfand, ein beabsichtigtes Vollholzhaus mit Lärchenrindenplatten zu dämmen. "Das fand ich interessant und sehr gut passend für uns, weil wir ohnehin auf der Suche nach möglichst innovativen Baumaterialien waren", erklärt Eisl. Er war sich bewusst, dass die Technologie zuvor erst im Labor funktioniert hatte, und ließ sich auf das Experiment ein, Außenwände im Erdgeschoß mit diesem neuartigen Dämmstoff zu dämmen.

Einfache Installation von Rindendämmplatten

Die Installation ist vergleichsweise einfach zu bewerkstelligen. Es werden jeweils zwei Platten mit je acht Zentimetern Stärke übereinandergelegt und sichtbar verbaut. "Ich wollte, dass man sie sieht, und ich finde, sie passen optisch sehr gut ins Gesamtbild." Bisher haben Eisl und Winkler beste Erfahrungen gesammelt. "Es sind verschiedene Messpunkte außen angebracht und die haben die Laborwerte eindrucksvoll bestätigt. Die Dämmwerte sind hervorragend, auch hinsichtlich Wärmedurchdringung von außen", freut sich der Werbefachmann. Das Haus mit vier Ferienwohnungen strahlt Nachhaltigkeit aus und ist von Holzduft erfüllt. Auch der Strom wird mit Photovoltaik auf dem begrünten Flachdach selbst erzeugt.

Ein weiteres Bauwerk mit Lärchenrindenplatten ist das Projekt Bauernbogen in Abtenau. Realisiert hat es ein kleines Team von Privatleuten mit Architekt Chris Precht (Studio Precht, Werfen). Außen wiederholt es die Struktur des im alpinen Raum üblichen Satteldachs, innen überzeugen viel Holz und eben Lärchenrindenplatten an den Wänden.