Die Immobilienbranche gilt traditionell als eine der stabilsten und beständigsten Anlageklassen mit zuverlässigen Erträgen. Dennoch ist sie oft mit hohen Eintrittsbarrieren und geringen Liquiditätsflüssen verbunden. Die fortschreitende Digitalisierung und die Entwicklung der Blockchain-Technologie eröffnen eine neue, chancenreiche Dimension des Immobilienhandels: die Tokenisierung.
Vom Ziegelstein zum digitalen Token
Die Tokenisierung von Immobilien birgt das Potenzial, die Immobilienbranche grundlegend zu verändern. Durch erhöhte Liquidität, Zugang zu größeren Märkten, mehr Transparenz, Kosteneffizienz, Diversifikationsmöglichkeiten und schnellere Transaktionszeiten bietet sie Investorinnen und Eigentümern gleichermaßen erhebliche Vorteile. "Dieser innovative Ansatz hat das Potenzial, die Art und Weise, wie in Immobilien investiert wird, grundlegend zu verändern", erklärt Christian Sommer, Geschäftsführer von Engel & Völkers Wien Commercial.
Die Vorteile der Tokenisierung der Immobilienbranche
"Die Tokenisierung bezieht sich auf den Prozess, bei dem ein physisches oder digitales Asset in kleinere, handelbare Einheiten - sogenannte Token - zerlegt wird, die auf einer Blockchain-Plattform existieren", erklärt Sommer. "Im Kontext der Immobilienbranche bedeutet dies, dass eine Immobilie in eine bestimmte Anzahl von digitalen Token aufgeteilt wird, die jeweils einen Anteil des Gesamtwerts repräsentieren." Anschließend können diese Token, ähnlich wie Aktien an der Börse, gekauft, verkauft und gehandelt werden. Sommer: "Damit erweitert die Tokenisierung den Immobiliensektor nicht nur um ein alternatives Investitionsmodell, sondern ermöglicht den Akteuren auch gewinnbringende Geschäftsvorteile."
Liquiditätssteigerung und Flexibilität bei Immobilieninvestitionen
So ist die Liquiditätssteigerung einer der größten Vorteile der Tokenisierung. Traditionelle Immobilieninvestitionen sind häufig schwer liquidierbar, da sich der Verkaufsprozess einer Immobilie oft als langwierig und komplex gestaltet. "Durch die Tokenisierung können Käuferinnen und Käufer ihre Anteile schnell und unkompliziert über digitale Marktplätze handeln. Dies führt zu einer flexibleren und dynamischeren Vermögensverwaltung und ermöglicht es, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren", betont der Immobilienexperte.
Inklusiver Immobilienmarkt durch Tokenisierung
Außerdem eröffnet die Tokenisierung einen größeren Marktzugang und breite Immobilienportfolios. Anstatt einen hohen Geldbetrag für den Kauf eines einzelnen Objektes aufbringen zu müssen, können Interessenten durch die gesunkenen Eintrittsbarrieren auch kleinere Beträge investieren. Dies ermöglicht einer diverseren Investorengemeinschaft, von den Vorteilen der Immobilienanlage zu profitieren, wodurch der Immobilienmarkt inklusiver und zugänglicher für eine Vielzahl von Akteurinnen wird.
Schutz vor Betrug durch Transparenz
Die Blockchain-Technologie bietet laut dem Experten dem Immobilienmarkt ein hohes Maß an Transparenz und Sicherheit. Alle getätigten Transaktionen werden in einem öffentlichen, unveränderlichen Register auf dezentralen Computern aufgezeichnet. "Das verbessert die Nachverfolgbarkeit und schützt vor Betrugsfällen. Käufer können den gesamten Transaktionsverlauf und die Eigentumsverhältnisse von Immobilien-Token nachvollziehen. Die Transparenz stärkt nicht nur das Vertrauen in den Markt, sondern bietet gleichzeitig ein hohes Sicherheitsmaß für alle Beteiligten", nennt Sommer einen weiteren positiven Effekt auf den österreichischen Investmentmarkt.
Niedrige Transaktionskosten im Immobiliengeschäft
Neben den bereits genannten Faktoren birgt die Tokenisierung auch das Potenzial, die mit Immobiliengeschäften verbundenen Transaktionskosten deutlich zu senken. Häufig erfordern traditionelle Vertragsabschlüsse die Beteiligung von Maklerinnen, Notaren, Banken oder anderen, die zusätzlichen Gebühren nach sich zieht. Durch den Einsatz von Smart Contracts - selbst ausführende Verträge, die die Bedingungen der Vereinbarung direkt im Code festlegen und automatisch ausführen, sobald die vordefinierten Bedingungen erfüllt sind - werden viele dieser Zwischenhändlerinnen überflüssig, was zu einer maßgeblichen Kostenreduzierung führt.
Als weiterer Vorteil ermöglicht die Tokenisierung Interessenten zudem, kleinere Beträge in Objekte zu investieren und Immobilieninvestments einfacher zu diversifizieren. "Anstatt Kapital in eine oder wenige Immobilien zu investieren, kann es auf mehrere Immobilien verteilt werden. Das reduziert das Risiko und erhöht das Potenzial für stabile Renditen", betont Sommer.
Schnelle Immobilienkaufprozesse dank Blockchain-Technologie
Der Abschluss von Immobilienkaufprozessen zieht sich oft über Wochen oder sogar Monate hin. Durch den Einsatz von Blockchain-Technologie werden schnellere und automatisierte Transaktionen geschaffen, die sich innerhalb von Minuten oder Stunden abwickeln lassen. Das beschleunigt nicht nur maßgeblich den Investitionsprozess, sondern ermöglicht Käuferinnen zudem, rascher auf Marktveränderungen reagieren zu können.
"Mit einer Technologie, die sich rasant weiterentwickelt, und regulatorischen Verbesserungen, die Transparenz und Sicherheit verstärken, ist die Zukunft der tokenisierten Immobilien äußerst vielversprechend", erwartet Sommer. "Die Branche steht am Anfang einer neuen Ära, die den Immobilienmarkt zugänglicher, effizienter und attraktiver machen könnte. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, muss auch der österreichische Immobilienmarkt die Implementierung vorantreiben."
Lexikon: Die Tokenisierung ist...
... ein mehrschrittiger Prozess, dessen Bedeutung durch die fortschreitende Digitalisierung zunimmt. Er beschreibt die Umwandlung von realen Vermögenswerten wie Rohstoffen oder Immobilien und virtuellen Vermögenswerten - zum Beispiel intellektuellem Eigentum wie Musikrechten - in digitale Tokens. Ein Token wiederum bezeichnet einen Vermögenswert oder ein Wirtschaftsgut. Sie sind elementare Bausteine für Handlungen mit Kryptowerten. Token sind außerdem Voraussetzung für Transaktionen auf einer zugehörigen Blockchain.
