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Zinshäuser in Wien: Eine gute Investition in Geschichte und Zukunft

Immer weniger Private besitzen ein Wiener Zinshaus. Den "Hausherrn" gibt es in Zeiten von Parifizierungen und Anlageobjekten immer seltener.

Zinshäuser prägen das Stadtbild von Wien ganz wesentlich.
Zinshäuser prägen das Stadtbild von Wien ganz wesentlich.

Es gibt wohl kaum einen Haustypus, der die Bundeshauptstadt Wien so sehr prägt wie das Zinshaus. Gut, es gibt dort auch Prachtbauten, Kaiserpaläste, Palais, Klöster und Dome. Aber das gesamte Stadtbild wird geprägt von den meist im Jugendstil gehaltenen, klassischen Altbauten. "Jedes ist ein einmaliges Objekt auf einer beschränkten Fläche, das es nur ein Mal an einem Platz gibt", sagt Clemens Riha. Er ist zusammen mit seinem Bruder Bernhard Inhaber von GR Real, einem Unternehmen, das in die Jahre gekommene Zinshäuser kauft, entwickelt und wieder verkauft.

Warum in Altbauten investieren lohnt

Die Berufswahl hat viel mit den persönlichen Vorlieben der beiden zu tun. "Ich finde Altbauten schöner als Neubauten, sie sind auch rechtlich anders", sagt Clemens Riha. "Und es ist auch ein tolles Ertragsobjekt, auch wenn es viele Einschränkungen wie das Mietrechtsgesetz gibt." Wer sich zum Kauf eines ganzen Hauses entschließt, könne auf ein sicheres Investment zählen. Und das auch in Zeiten wie jetzt, wo sich die Renditen nahe dem Nullpunkt befinden. "Denn mein Vater war ein Hausherr und ein Seidenfabrikant", heißt es in einem alten Wienerlied. Doch die Zahl solcher Hausherren ist laut Clemens Riha stark im Sinken: "Derzeit wird es wohl noch 10.000 Zinshäuser in Wien geben, die Privaten gehören. Jährlich werden ein paar Hundert verkauft." Im ersten Wiener Gemeindebezirk stünden gerade noch 40 im Besitz von Privaten.

Warum Zinshäuser in Zukunft teurer werden

Nach einem Kauf werden die Häuser meist parifiziert (also eigentumsmäßig in Wohnungen aufgeteilt) und weiterverkauft. "Ich wage die Prognose, dass es in 30 Jahren kaum noch private Hauseigentümer gibt. Das Zinshaus wird immer mehr zum Sammlerstück." Aber ein Zinshaus zu besitzen "hat was", sagt der Immobilienexperte. "Das ist wie ein van Gogh." Und es gibt nach wie vor Menschen, die eines kaufen, auch wenn die Rendite lange bei 0 Prozent lag und jetzt auf gerade einmal 0,2 Prozent gestiegen ist. Denn das Zinshaus werde noch einmal extrem interessant werden, prophezeit Riha: "Weil so wenige zur Verfügung stehen, werden sie in guten Lagen immer teurer." Mit ihrem Unternehmen sind die Riha-Brüder mittendrin in diesem Geschäft. "Wir sind Entwickler: Das heißt, wir kaufen ein Objekt, setzen es instand oder machen eine Komplettsanierung und verkaufen es dann wieder." In der Relation zwischen Mieteinnahmen und Preis bleibe wenig übrig. Wer ein Haus um beispielsweise 40 Mill. Euro kauft, kann mit monatlichen Mieteinnahmen von 300.000 bis 400.000 Euro rechnen, abzüglich Steuern und Kosten.

Warum Banken und Versicherungen in Immobilien investieren

Aber wer kauft dann solche Liegenschaften, wenn es kaum laufende Erträge gibt? "Für Banken oder Versicherungen ist das ein sicheres Investment, vor allem durch die Lage", erklärt Riha. "Die denken in erster Linie an die Wertsteigerung, die Rendite ist eher nebensächlich." Wenn Private kaufen, dann handelt es sich um eine Käuferschicht, die in der Regel das Geld hat und daher nicht auf Fremdfinanzierungen angewiesen ist und für die plötzliche Zinssteigerungen keine Rolle spielen. "Nur wenige davon sind auf einen Kredit angewiesen."

"Käufer denken zuerst an die Wertsteigerung"
Clemens Riha
Zinshaus-Entwickler

Wird ein Zinshaus parifiziert, dann ist es nach Rihas Definition auch kein solches mehr, sondern eine Wohneigentümer-Gemeinschaft. Doch was passiert, wenn das Haus dann am Ende seiner Lebenszeit angekommen ist? "Ein typisches Zinshaus ist in der Regel mindestens 100 Jahre alt und wurde immer wieder saniert. Die Häuser haben dicke Wände und wurden unfassbar gut gebaut", sagt der Experte. "Und eine ordentliche Hausverwaltung ist verpflichtet, ein Haus fit zu halten." Wenn es die Statik zulässt, ist auch ein Dachausbau möglich. "Wenn jemand das Haus laufend in Schuss hält, dann wird es noch lange halten." Für Häuser aus den 50er- oder 60er-Jahren würde er dies allerdings nicht behaupten.

Warum heißt ein Zinshaus Zinshaus?

Aber wieso heißt es eigentlich "Zinshaus"? "Weil der Mieter dem Hausherrn eben den Zins auf dessen Eigentum bezahlt hat", weiß Riha, der sich mit der Thematik schon in zwei Büchern auseinandergesetzt hat. "Das ist ein österreichisches Wort, in Deutschland sagt man einfach Mehrparteienhaus. Gebräuchlich ist auch das ,Gründerzeithaus' aus dem 19. Jahrhundert."

Herausforderungen beim Kauf eines Zinshauses

Womit ist man konfrontiert, wenn man nun ein solches Zinshaus kauft? Riha: "Wenn es vor 1943 gebaut wurde, dann fällt es unter die Vollanwendung des Mietrechtsgesetzes. Dieses sieht vor, dass nur gesetzlich vorgeschriebene Kategoriemieten bzw. Richtwertmieten verlangt werden dürfen. Daneben gibt es bei nach 1943 gebauten Häusern noch die Teilanwendung des MRG beziehungsweise bei Neubauten eine freie Mietzinsbildung." Im ersten Bezirk in Wien liegt der Richtwert derzeit bei zehn bis elf Euro Nettomiete pro Quadratmeter. Wer als Vermieter unbefristet vermietet, setzt sich dem Risiko aus, den Mieter nie mehr loswerden zu können. Deshalb wird meist befristet vermietet, was einen Mietabschlag von 25 Prozent zur Folge hat.

Relikte aus der Nachkriegszeit erklären niedrige Mieten

Bei der Vollanwendung des MRG sei es jedenfalls hilfreich, jeden Mietvertrag durch einen Fachjuristen prüfen zu lassen, zu kompliziert ist die rechtliche Lage. Und wie kommt es dann, dass es noch Bewohnerinnen und Bewohner gibt, die fast nichts für riesige Wohnungen in bester Lage bezahlen? "Das kommt aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg", erzählt Riha. In der wirtschaftlich schwierigen Lage habe man unbefristet vermietet. Die Wohnungen durften auch innerhalb der Familie weitergegeben werden, weshalb dieser "Friedenskronenzins" noch heute gilt. "Er wurde schon erhöht, aber nicht in angemessener Weise", sagt Riha. "So ein Mietvertrag ist sehr wertvoll. Ein neuer Eigentümer macht nicht selten ein hohes Angebot, damit der Mieter auszieht."