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Die Küche der Zukunft: Mit Assistenz zum Meisterkoch

Im "Living Tomorrow"-Gebäude in Brüssel wird an der Zukunft geforscht. Miele hat hier eine Zukunftsküche eingerichtet. Ein Blick in die Kochpraxis von morgen.

Living Tomorrow“-Innovationscampus in Brüssel: Ein Rundgang durch sechs Zonen lässt erleben, wie das Leben nach 2030 aussehen könnte. Die Miele-Zukunftsküche spürt neuen Möglichkeiten des Kochens nach.
Living Tomorrow“-Innovationscampus in Brüssel: Ein Rundgang durch sechs Zonen lässt erleben, wie das Leben nach 2030 aussehen könnte. Die Miele-Zukunftsküche spürt neuen Möglichkeiten des Kochens nach.

Es ist ein Spielplatz", sagt Andreas Enslin, Chefdesigner von Miele, wenn er von der Rolle des "Living Tomorrow"-Gebäudes in Brüssel spricht. Dabei handelt es sich um ein Innovationszentrum, 80 Partnerunternehmen zeigen dort ihre Visionen vom Leben in der Zukunft. Miele hat im futuristischen Gebäude ein "Food Lab" installiert. Es verbindet digitales Hightech und künstliche Intelligenz mit aktuellen Miele-Küchengeräten.

Installationen zum Wohnen, zur Mobilität und zum Arbeiten im "Living Tomorrow"-Gebäude

Neben dem Food Lab sind Installationen zum Wohnen, zur Mobilität und zum Arbeiten live erlebbar, darunter auch ein Roboterservice ebenfalls von Miele. Den roten Faden des Campus bilden "digitale Zwillinge" der realen Welt.

Betritt man das Gebäude, in dem mit dem Voco auch ein Hotel der Zukunft untergebracht ist, fallen die erwähnten Roboter sofort ins Auge. Was hat Miele damit zu tun? "Die Roboter basieren auf der Industrieplattform GoCart. Wir sind an dem koreanischen Hersteller Yujin beteiligt", erklärt Enslin. Darauf aufbauend hat Miele zwei Robotertypen entwickelt, einer bringt das Gepäck aufs Zimmer, der andere kann warme oder kühle Essens- oder Getränkebestellungen liefern. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse, etwa über Navigation oder Kamerasysteme, nützt Miele beispielsweise schon jetzt in Staubsaugerrobotern. "Wir glauben, dass Roboter im Haushalt eine große Rolle spielen werden, vom Geschirrspüler-Ausräumen bis zum Bügeln." Das Know-how wird derzeit schon im Krankenhausbereich für Sterilprodukte eingesetzt, ebenso in der Miele-Fertigung in Gütersloh. "Im Hotel wollen wir schauen, was sie können und nützen", sagt Enslin. Oft sind es Kleinigkeiten, die eine Herausforderung darstellen, etwa Teppichkanten oder mit dem Lift zu fahren.

Doch der eigentliche "Spielplatz" von Miele ist die Küche der Zukunft

"Wir haben da viel Technik verbaut, die sieht man aber nicht", sagt der Chefdesigner. "Es geht vielmehr um Service und Hilfe." Man könne das hier mit menschlichen Nutzern ausprobieren. Viele hätten keine Lust auf Komplexität, das Kochen sollte einfach Spaß machen, die Technik sei die Assistenz.

Das fängt schon bei der Vorbereitung an. Einkauf und Lagerung erfolgen digital und auf Wunsch automatisch. Das Problem bei vielen Menschen sei, dass sie zwar gerne kochen würden, es aber an Hilfe und Wissen fehlt. Das geht in der Zukunftsküche digital. Miele hat beliebte Rezepte auf die eigenen Geräte hin adaptiert, dazu kommen Nutzerprofile, die etwa Geschmacksvorlieben berücksichtigen oder auch Allergien und Intoleranzen. Gemäß beispielsweise einem Wochenspeiseplan (50 Rezepte sind derzeit für die Versuchsküche programmiert) werden die Zutaten online bestellt und entweder geliefert oder selbst abgeholt. Ein Lagerassistent sorgt für die richtige Aufbewahrung in den einzelnen Zonen des Kühlschranks und berücksichtigt auch die Lagerperiode.

Das Wichtigste ist aber der Kochassistent

Kochen mit digitalen Assistenten könnte künftig zum Standard werden.
Kochen mit digitalen Assistenten könnte künftig zum Standard werden.

Vieles ist von der Robotik inspiriert, alle Geräte über ein Internet der Dinge (IoT) untereinander vernetzt. Dazu braucht es auch die Berücksichtigung, welche Geräte individuell in der Küche vorhanden sind. Weil es viel mehr technische Möglichkeiten und Informationen gibt, als die Nutzerin/der Nutzer braucht, übernimmt der Kochassistent die komplette Gerätesteuerung. Dem Assistenten kann man entweder per Tablet folgen, in der Zukunftsküche gibt es aber auch die Möglichkeit der Projektion auf den Küchentisch. Wischen und Touch-Funktionen sind obligat, wer das wegen schmutziger Finger nicht will, kann sich die Kochschritte vorlesen lassen und Anweisungen über einen Sprachassistenten geben.

Eingegeben sollte auch werden, wer die Nutzer sind, welche Vorlieben sie haben und welches Küchenwissen sie haben. Denn so manche Information kann man sich bei erfahrenen Personen ersparen, die Rezepte werden somit "unpräziser", um auch Freiraum zu lassen.

Auf diese Weise ist es beispielsweise möglich, dass vier Personen gleichzeitig individuelle Gerichte herstellen und alles am Schluss zur gleichen Zeit fertig ist.

In der Praxis ausprobiert bedeutet das: Jeder/jede Kochende hat ein eigenes Tablet, das Schritt für Schritt die nächsten To-dos erklärt. Das geht vom Marinieren der Hühnerbrust mit den vorbereiteten Zutaten über die notwendige Ruhepause bis zur weiteren Verarbeitung. Eine Zeitleiste oben im Bild zeigt die Schritte auch der anderen in einer Übersicht.

Praktisch: Der digitale Kochhelfer weiß nicht nur die Garzeit und -dauer etwa für den Reis, sondern auch, dass ein gelochtes Backblech im Dampfgarer zu verwenden und wann der Reis fertig ist. Wer bei manchen Schritten schneller oder langsamer ist als vorgesehen, muss sich auch keine Sorgen machen, denn das Programm rechnet sofort um, wenn sich im Zeitablauf etwas ändert. Besonders praktisch: Das Induktionskochfeld hat auch eine eingebaute Waage. So lassen sich die Zutaten direkt beim Kochen abwiegen und verarbeiten. Fazit des Selbstversuchs: Die Hühnerbrust mit Kokosreis, Dipsauce und Karfiol gelang wunderbar, das Fleisch war optimal durch, der Reis "al dente" und der Karfiol bissfest.

Assistenzsystem soll für Spaß beim Kochen sorgen

"Sprechen Sie nicht über Technik", wünscht sich Andreas Enslin. "Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt. Denn Kochen soll Spaß machen und dafür sorgt das Assistenzsystem." Das Schöne an diesem Spielplatz sei, dass man alles ausprobieren kann, Sinnvolles wird weiterentwickelt, Dinge und Abläufe, die sich nicht bewähren, wieder fallen gelassen.

Doch was hat der Designchef eigentlich mit der ganzen Produkt- und Systementwicklung zu tun? Enslin: "Ohne Design funktioniert Technik nicht. Es geht einerseits um die Bedienbarkeit, andererseits auch darum, dass die Technik dem Menschen dient. Und man darf nicht vergessen: Der Mensch muss die Technik akzeptieren." Heute könne man technisch aus dem Vollen schöpfen, also werde Design immer wichtiger, um Alltagsnutzen zu schaffen: "Der Designer muss sagen, welche Technik ich brauche."