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Gebäudeversicherung: Tipps gegen Unterversicherung und drohende Abschläge im Schadensfall

Wer unterversichert ist, riskiert neben dem Schaden noch zusätzliche Abschläge. Einige Tipps helfen, um nicht in die Falle zu tappen und der Schadensabdeckung vertrauen zu können.

Versicherungsverträge für Gebäude sollten alle zwei bis drei Jahre überprüft werden.
Versicherungsverträge für Gebäude sollten alle zwei bis drei Jahre überprüft werden.

"Das ist ein heikles Thema und im Moment besonders aktuell." Klaus Koban ist anzumerken, dass ihn ein wichtiges Thema der Versicherungswirtschaft bewegt. Koban ist Geschäftsführer der Koban Südvers Group GmbH und Präsident des österreichischen Versicherungsmaklerverbandes, der die 100 größten unabhängigen Versicherungsmakler vereint. Was ihm so am Herzen liegt: Unterversicherung im Gebäudebereich.

"Die Summen sind vom Makler mit dem Kunden zu besprechen."
Klaus Koban
Verband der Versicherungsmakler

Versicherungsschutz überprüfen und anpassen

"Am Ende hat der Kunde keinen ausreichenden Versicherungsschutz und muss im Schadensfall mit Abschlägen rechnen", sagt der Jurist, der seit 40 Jahren in diesem Sektor tätig ist und schon an der Universität Assistent für Versicherungsrecht war. "Unterversicherung ist ein riesiges Problem. Wenn der Gebäudewert zu niedrig festgestellt wurde, führt das zu einer anteilsmäßigen Reduktion der Schadenssumme." Dafür gibt es mehrere Gründe: Oft erfolgt keine Anpassung der Versicherungssumme, wenn Adaptierungen am Gebäude vorgenommen wurden. Oftmals werde auch der Wert des Gebäudes einfach ungeprüft aus Vorpolizzen übernommen. "Der Neuwert bezieht sich meist auf die Errichtungskosten, die aber oft nicht den tatsächlichen Baukosten entsprechen", sagt Koban. "Es gibt dann eine Lücke zwischen Versicherungswert und tatsächlichen Wiederherstellungskosten." Gerade während und nach der Coronazeit seien die Baukosten teils enorm gestiegen. Dies sei zu berücksichtigen.

Sachverständige bestimmen Versicherungssumme effektiv

Oft basiert die Versicherungssumme auch auf einer Verkehrswertschätzung der Banken als Kreditgeber. Koban: "Das passt aber nicht, weil für die Deckung die versicherungstechnischen Neubaukosten ausschlaggebend sind." Diese Summe werde benötigt, um im Fall des Schadens das Gebäude zum heutigen Marktpreis wiederaufzubauen.

Auf welcher Basis kann man also die Versicherungssumme festsetzen? "Ab zwei Millionen Euro eignet sich ein Neuwertgutachten eines Sachverständigen", sagt Koban. Dieses Verfahren werde in der Regel bei umfangreicheren Gebäudegrößen benutzt, auch bei Eigentumswohnanlagen oder im Gewerbe. Auch ein Sachverständiger kann natürlich danebenliegen, allerdings hat der Kunde den Vorteil, dass der Sachverständige dafür haftet.

Bei Einfamilienhäusern oder kleineren Einheiten wird die gesamte verbaute Fläche inklusive Keller (nicht nur die Wohnnutzfläche!) in Quadratmetern als Basis herangezogen. Die Versicherung verzichtet dabei auf die Geltendmachung einer Unterversicherung. Diese Berechnungsformel gilt in der Regel auch bei gebrauchten Immobilien. "Die Versicherer haben hier eine Bandbreite für die Werte pro Quadratmeter." Die errechnete Summe ist dann die Höchstleistung. Koban: "Wichtig ist, dass diese Summe mit dem Kunden besprochen wird und seine Einschätzung, ob die Summe reichen wird, einfließt." Im Bereich Eigenheim und auch der Haushaltsversicherung reiche zu 95 Prozent die Quadratmeterberechnung aus. "Trotzdem sollte man immer wieder schauen, ob die Summe ausreicht", empfiehlt er.

Bei höherwertigen Immobilien empfiehlt sich ein Neuwertgutachten

Anders ist das bei höherwertigen Immobilien. Da empfehle sich in jedem Fall ein Neuwertgutachten. "Wer über Kunst oder Schmuck verfügt, sollte eine echte Inventarisierung vornehmen und mit einem fixen Wert versichern." Wenn beispielsweise ein Bild mit 10.000 Euro versichert ist und beschädigt wird, bekommt man die Summe ohne Diskussion über den Wert des Bildes ausbezahlt. Das Inventarisieren und Festlegen fixer Werte würden oft vernachlässigt, weiß Koban. Im Zweifelsfall sollte ebenfalls ein Sachverständiger beauftragt werden.

Bei einer "normalen" Haushaltsversicherung wird der Wert hingegen erst im Nachhinein von der Versicherung bestimmt. Eine gewisse Form der Inventarisierung sollte man also auch hier vornehmen und besondere Stücke und vorhandene Rechnungen fotografieren und abspeichern. "Im Zweifelsfall muss der Kunde den Wert nachweisen." Auf diese Weise sind dann auch Gegenstände versichert, die in erster Linie einen persönlichen Wert haben, auch wenn sie derzeit kaum verkaufbar wären, etwa Pelzmäntel oder Perserteppiche. "Im Fall eines Schadens hat man dann trotzdem Recht auf einen Neuwertersatz."

Noch einmal anders verhält es sich beim Versicherungsschutz etwa von historischen Gebäuden wie Schlössern, Kirchen oder auch bei Kunstgegenständen. Koban: "Hier werden oft Höchsthaftungsversicherungssummen festgelegt. Im Schadensfall bekommt man die volle Summe ausbezahlt."

Warum ist das Thema Unterversicherung so aktuell?

"Die Kunden wissen oft nichts über solche Gefahren und wollen einfach die niedrigste Versicherungsprämie", erzählt Koban. "Deshalb sind Beratung und Aufklärung so notwendig, das sollte über einen Versicherungsmakler erfolgen." Dieser müsse nach dem Prinzip des Best Advice vorgehen, also jenes Produkt anbieten, das den besten Versicherungsschutz gewährleistet. Der Makler muss eine Haftpflichtversicherung für den Fall von Fehlern abgeschlossen haben.

Bei Augenmerk auf die Gebäudeversicherung sollte man auch auf so manche Zusatzpositionen achten, etwa indirekten Blitzschlag oder optische Schäden. "Erstrisikopositionen" nennt der Experte das, wenn etwa optische Schäden an Lamellen entstehen oder auch Hochwasserschäden. Solche Fälle sind in der Regel mit einer bestimmten Summe gedeckelt. "Der Kunde muss aber aufpassen, weil die Versicherungen da verschiedene Summen anbieten. Man sollte also genau auf die Höhe achten."

Versicherung sollte auch Fahrlässigkeit abdecken

Ebenfalls wichtig ist das Thema leichte beziehungsweise grobe Fahrlässigkeit, die mitversichert sein sollten. Eine brennende Kerze, etwa auf dem Adventkranz, die ein Feuer auslöst, kann durchaus im Nachhinein als grobe Fahrlässigkeit eingestuft werden. Umso wichtiger ist es, auch in diesen Fällen versichert zu sein. Zu den speziellen Fällen gehören beispielsweise auch Mietverlust oder die Kosten für eine Ersatzwohnung.

Gebäudeversicherungsverträge regelmäßig überprüfen lassen

Welche Tipps hat Koban gegen Unterversicherung? "Wer sein Gebäude gemäß Gutachten versichert hat, sollte das alle drei bis vier Jahre erneuern." Bei der Quadratmeterberechnung bleibe zwar der Unterversicherungsverzicht, es kann die Wiederherstellung aber trotzdem teurer als die Versicherungssumme sein. Denn auch neue Aspekte wie ESG (Environment, Social, Governance) erhöhen künftig die Baukosten.

Die Evaluierung des Versicherungsvertrags alle zwei bis drei Jahre sollte "Minimumstandard" sein, empfiehlt der Experte. Es gebe immer Veränderungen und Anpassungen. "Das ist zwar lästig, aber von großer Bedeutung." Und noch ein einfacher Tipp von Koban: "Versicherungsverträge sollten immer automatisch indexiert, also wertangepasst werden, um nicht in die Gefahr einer Unterversicherung zu kommen."