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Gerhard Garstenauers Architektur: Quadratisch - praktisch - kompakt

Gerhard Garstenauer wäre am 22. Jänner 2025 100 Jahre alt geworden. Seine Industriebauten sind mittlerweile legendär, seine Wohnbauten werden noch immer geschätzt.

Die erste Siedlung mit Flachdach in Salzburg stammt von Architekt Gerhard Garstenauer.
Die erste Siedlung mit Flachdach in Salzburg stammt von Architekt Gerhard Garstenauer.

Die Mitarbeiterwohnanlage, die Garstenauer für den Unternehmer Hubert Pölz und seine Österreichische Fahrzeugbau AG (ÖFAG) errichtete, war die erste Siedlung mit Flachdach in Salzburg. 1989 war Marina Friehsinger eine junge Mutter und auf der Suche nach einem passenden Haus für ihre Familie. Als sie das damals bereits 25 Jahre alte Haus in der Siegfried-Marcus-Straße betrat, wusste sie sofort: Das ist es.

Marina Friehsinger wohnt heute noch im Garstenauer-Haus.
Marina Friehsinger wohnt heute noch im Garstenauer-Haus.

Sie schätzt noch heute die Offenheit des Hauses, die durch die großzügige Verglasung des Obergeschoßes entsteht. Im Winter reicht die Sonne bis an die Rückwand des Hauses. Im Sommer, wenn die Sonneneinstrahlung steiler ist, schützt der über die gesamte Vorderseite reichende Balkon mit Überdachung vor Überhitzung.

Architekt Garstenauer selbst berät bei Hausumbau

Diese intelligente Planung und die praktische Anordnung der Räume überzeugten sie sofort. Mit ihrem Mann erwarb sie das Haus und wollte es wieder näher an den Urzustand führen, denn die Vorbesitzerin hatte dunkle Kassettendecken einbauen lassen und auch sonst einiges verändert. Marina Friehsinger lud daher Gerhard Garstenauer ein, das Haus zu besichtigen und ihr mit Ratschlägen zur Hand zu gehen. Als junger Architekt hatte er einst mit seiner Familie im Haus nebenan gewohnt. Der Bauherr wollte damit sicherstellen, dass das neue Konzept für alle Bewohner zumutbare Wohnverhältnisse garantiert.

Marina Friehsinger schmunzelt noch heute, wenn sie sich an Garstenauers Besuch erinnert. Jedes Detail im Haus war von ihm wohldurchdacht, daher tat er sich mit Veränderungen schwer. Ende der 50er-Jahre sollten die Häuser vor allem günstigen Wohnraum für die Mitarbeiter der ÖFAG schaffen, und das erforderte auch damals schon eine gute Planung mit wenig Raumverlust, sparsamen Materialeinsatz und den Verzicht auf eine Unterkellerung.

Auch bei der Elektrik ging er unkonventionelle Wege: Alle Schalter sind direkt unter den Wandlampen angeordnet, Deckenleuchten waren nicht vorgesehen. Schlussendlich haben sich trotzdem nur zwei Mitarbeiter ein Haus in dieser Siedlung geleistet. Insgesamt entstanden im Norden der Sackgasse vier Einfamilienhäuser und südlich vier Doppelhäuser mit acht Wohneinheiten.

Sanitärzelle im Zentrum des Grundrisses

Im Zentrum des annähernd quadratischen Grundrisses liegt die Sanitärzelle. Sie besteht im Obergeschoß aus einem kleinen Bad mit separatem WC beziehungsweise im Erdgeschoß aus WC und anschließendem Heizraum. Diese Bündelung der Haustechnik brachte Ersparnisse bei den Baukosten und brauchte nur wenige Erschließungsflächen, da sich alle Räume um diesen Kern gruppierten.

Garstenauer trennt Garten und Zufahrt

Das Kernhaus, wie es Garstenauer bezeichnete, setzte er an den äußersten Rand des 750 Quadratmeter großen Grundstücks und trennte Zufahrt und Garten durch eine Mauer. Ungewöhnlich im ersten Moment, aber praktisch, meint Marina Friehsinger, denn Eingangsbereich und Parkfläche konnten somit offen zugänglich bleiben, der Garten mit dem Wohnbereich war hingegen abgeschlossen und geschützt.

Der charakteristische Zugang.
Der charakteristische Zugang.

Geht man die lange Zufahrt auf das Haus zu, leitet einen diese Wand ins Innere des Hauses und in den Vorraum mit der markanten einläufigen Treppe. Sie führt entlang des Sanitärkerns in das Obergeschoß, war ursprünglich frei schwebend und mit einfachem geraden Geländer ausgestattet. Heute ist sie aus Platzgründen mit einem abgetreppten Kasten verbaut.

Vom Vorraum führt ein Zugang auf die Terrasse, die geschützt vom auskragenden Balkon auch bei Schlechtwetter genutzt werden kann. Marina Friehsinger schätzt die kompakte Form des Gartens, die Ballspiele für Kinder und inzwischen Enkelkinder bietet und trotzdem Platz für Tomatenstauden und Gemüsegarten lässt. An den Vorraum schließen im Uhrzeigersinn zwei kleinere Wohnräume, die heute als Gästezimmer und Büro genutzt werden, an.

Den rückseitigen Teil des Hauses ließ Garstenauer einschütten. Das hatte den Vorteil, dass diese Räume als kühler Erdkeller genutzt werden können, aber nicht zur Wohnfläche zählen, was für die Bemessung der Wohnbauförderung notwendig war. Ursprünglich war im Grundriss auch noch die Garage integriert, die heute als Abstellraum Verwendung findet. Ein separates Carport wurde angebaut, denn auch die Autos sind in diesen 65 Jahren größer und vor allem breiter geworden.

Wohnbereich im Obergeschoss: Wohnzimmer bietet Entspannung und Aussicht

Der eigentliche Wohnbereich des Hauses ist das Obergeschoß. Hier erstreckt sich das großzügige Wohnzimmer mit der Balkonfront zum Garten. Eine schlichte Holzkonstruktion mit Glaselementen trennt den Raum vom restlichen Haus und sollte den Eltern nach getaner Arbeit Ruhe und Rückzug ermöglichen. Auf die Frage Marina Friehsingers, warum er das Wohnzimmer in das obere Stockwerk gelegt hatte, verwies Garstenauer auf den wunderbaren Untersbergblick. Aber bereits 1989 war diese Aussicht durch einen Gewerbebetrieb verstellt. Heute garantiert ein Nussbaum den Blick ins Grüne.

Auch auf dieser Wohnebene ist alles bis ins Kleinste durchdacht. Eine durchgehende Schrankwand fungiert als Raumteiler zu den drei Schlafzimmern im Westen. Sie wird noch heute aufgrund ihrer praktischen Einteilung geliebt und neben der Aufbewahrung von Winter- und Sommergarderobe auch für alle möglichen Näh- und Bastelsachen verwendet. Von den beiden neun Quadratmeter großen Kinderzimmern gelangt man über den einzigen Gang zum gegenüberliegenden "Kern", also zum Bad.

Auf der Rückseite des Hauses ist als langer schmaler Raum die Küche angeordnet. Viel Stauraum und Arbeitsflächen garantieren ein angenehmes Arbeiten. Die nordseitigen Fenster bieten gute Lichtverhältnisse, führen aber zu keiner Überhitzung. Das Esszimmer schließt die Runde ab.

Modernisierung verbessert Energieeffizienz des Hauses

Das Haus wurde in den 65 Jahren seines Bestehens nach und nach in Wärmedämmung gepackt, was bei der sparsamen Bemessung der Wandstärken dringend notwendig war, und mit neuen Fenstern versehen (aber mit den originalen Oberlichten). Die Ölheizung wurde auf Gas umgestellt und die Küche nach Vorbild der ursprünglichen Küche in Weiß mit den originalen schwarzen Fliesen erneuert.

Die Fliesen im Bad sind original.
Die Fliesen im Bad sind original.

Auch im Badezimmer sind diese kleinen quadratischen Fliesen noch erhalten, ebenso die Einteilung mit Badewanne und separatem Klo. Ein einfacher Hängekasten mit Schiebeelementen aus Glas rundet das 60er-Jahre-Ensemble mit den ursprünglichen Lampen ab. Auch sie quadratisch. Wie könnte es anders sein?

Ausstellungstipp

"Garstenauer Einhundert. Architekt ∙ Gestalter ∙ Denker",
Noch bis 12. Jänner 2026. Ein Gastspiel des Salzburg Museums in Kooperation mit dem Architekturhaus Salzburg. Dazu erscheint ein Begleitbuch.