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Architekturgeschichte in Aigen: Sommerhaus-Projekt von Gerhard Garstenauer

Ein Sanierungsprojekt mit Wertschätzung der Bausubstanz. Aber wie saniert man ein Haus, das von den Architekten Gerhard Garstenauer und Helmuth Freund stammt?

Richtungsweisende Wohnbauarchitektur von Gerhard Garstenauer und Helmuth Freund.
Richtungsweisende Wohnbauarchitektur von Gerhard Garstenauer und Helmuth Freund.

In einem der 18 Häuser in der Traunstraße in Salzburg-Aigen ist Nicoletta K. aufgewachsen. 2016 hat sie das Haus, in dem auch schon ihre Großmutter gelebt hatte, von ihrer Mutter geerbt und damit die Frage: Was macht man damit? Keine der klassischen Lösungen war für sie stimmig. Weder wollte sie ganz in das große Haus mit ihren beiden Kindern ziehen noch wollte sie das Haus verkaufen oder zur Gänze vermieten.

Eigennutzung optimiert ihre Investitionen

"Ich versuche vor einer Entscheidung, mir Zeit für eine genaue Analyse zu nehmen und spezielle Lösungen zu finden. So entstand die Idee des ,Sommerhauses', bei der ich mir dachte, dass ich die Einnahmen ins Haus stecken kann, denn es war klar, dass diverse Sanierungsmaßnahmen anstehen", erzählt sie. So wohnt sie nun im Juli und im August selbst im Haus und führt Sanierungsarbeiten durch. Die übrige Zeit ist es an Studierende vermietet. Das Obergeschoß mit seinen vier annähernd gleich großen Zimmern sowie einem Bad mit WC und Wanne eignet sich sehr gut dafür. Der Rest des Hauses steht zur gemeinschaftlichen Benutzung frei.

Fensterrenovierung steigert Wohnkomfort erheblich

Im Umgang mit dem Haus hat die Architektin und Künstlerin einen gewissen Anspruch an sich, aber nach und nach kommt "man in die richtige Reihenfolge beim Sanieren. Man muss sich gut überlegen, wie viel Zeit und Geld man investieren will, und sich fragen, was sind die eigenen, gegenwärtigen Bedürfnisse - und man sollte auch einen Blick in die Zukunft wagen." So wurde in einem ersten Schritt die Elektroinstallation des Hauses auf den neuesten Stand gebracht, dann der Keller entrümpelt und die Decke gedämmt. Dieses Jahr kamen die Garagenwände an die Reihe und wurden mit Wärmeschutz versehen. Auch die Holzfenster aus den 60er-Jahren wurden ausgetauscht. Lange hat sich Nicoletta K. Gedanken darüber gemacht, wie sie diesen so bestimmenden Teil des Hauses erneuern soll. Zusammen mit der Tischlerei Gruber aus Niederwölz entwickelte sie schlussendlich das Konzept und wagte den Schritt. Die dreifach verglasten Holz-Alu-Fenster - innen weiß lasiert, außen in warmem Grau beschichtet - bilden nun einen angenehmen Kontrast zur klaren, kühlen Architektur. Schiebeelemente, eine nach außen aufgehende Terrassentür und ein kleines Lüftungsfenster sind Zugeständnisse an zeitgemäße Bedürfnisse und zukünftige Bequemlichkeiten. Die originalen Lamellenheizkörper und das "Staberlparkett" blieben erhalten und kommen nun noch besser zur Geltung. Die Fenster in der Küche sind auch noch aus der Entstehungszeit, ebenso die Eingangstür mit Oberlichte und Vollholzrahmen.

60 Jahre alt und doch hochmodern

Die Wohnanlage mit 18 Einfamilienhäusern, alle in gekoppelter Bauweise ausgeführt, drei davon als Doppelhaus, wurde 1962/63 vom "Verein der Freunde des Wohnungseigentums" errichtet. Sie ist eine der ersten Wohnanlagen Salzburgs mit Flachdach. Die Häuser dieses verdichteten Flachbaus sind in drei Reihen angelegt und werden über Stichstraßen erschlossen. Jede Parzelle verfügt über eine gesamt nutzbare Fläche von 195,40 Quadratmetern, wovon die Wohnräume 102,6 Quadratmeter aufweisen. In dem fast 11 Meter breiten und 9,30 Meter tiefen Grundriss führt neben der integrierten Garage ein überdachter Zugang zur Eingangstür. Dahinter schließt ein kleiner, zentral gelegener Vorraum an. WC und Küche sind straßenseitig angeordnet und ermöglichen einen direkten Sichtkontakt zum Umfeld.

Wohn- und Esszimmer hingegen nehmen die gesamte Gartenseite ein. Schon bei der Errichtung des Hauses wurde die Trennwand zwischen den beiden Räumen herausgenommen, sodass sich ein langer Raum mit Glasfront zum großzügigen Garten öffnet. Diese starke Verschränkung schätzt Nicoletta K. sehr: "Ich bin sehr dankbar und weiß, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, einen solchen Kontakt zur Natur zu haben."

Historische Bauweise beeinflusst Wohnkomfort

Interessantes Detail der Bewerbungsbroschüre von 1962: "Es wurde (...) durch eine außergewöhnlich günstige Planung darauf Bedacht genommen, die Grundfläche so groß zu halten, daß bei jedem ein ausreichender Garten mit Wohnrasen vorhanden ist, ohne aber die künftigen Hausbesitzer durch zu große Gärten arbeitsmäßig zu belasten." Nicht das gesamte Erdgeschoß ist unterkellert, sondern nur jene Fläche, die auch das erste Obergeschoß einnimmt, daher ist der Boden im Erdgeschoß auch unterschiedlich temperiert. Eine frei schwebende Treppe mit originalen Terrazzostufen führt nach oben.

Der quer liegende Kubus ist im Grundriss fast um die Hälfte schmäler als das Erdgeschoß, kragt dafür aber auf beiden Seiten um 1,5 Meter aus, was der Wohnanlage ihren charakteristischen Rhythmus verleiht. Gartenseitig ist der Überstand als Balkon ausgeführt, der auch als Sonnen- und Regenschutz dient. Somit zeigt sich die Straßenseite weitestgehend geschlossen, die Gartenseite hingegen öffnet sich bis zum Boden. Wer durch die Siedlung geht, sieht viele verschiedene Möglichkeiten, mit dem Bestand umzugehen, und vor allem, welche Varianten diese Häuser zulassen. Trotzdem ist der Charakter der Siedlung erhalten geblieben.

Die Auseinandersetzung mit dem Haus, der Prozess ist für die Architektin das Interessante. Sie fühlt eine gewisse Verantwortung gegenüber dem Haus. Das hat aber nichts mit den prominenten Erbauern der Wohnanlage zu tun. Dieses genaue Hinschauen, die Suche nach der richtigen Antwort, verdient jeder Ort.

Hundertster Geburtstag Garstenauers

Gerhard Garstenauer würde am 22. Jänner 2025 100 Jahre alt werden. Er hat Salzburg und das Gasteiner Tal mit seinen Bauten geprägt und in die Moderne geführt. Seine frühen Bauten im Bereich des Wohnens sind weniger bekannt, vor allem die Partnerschaften mit verschiedenen Architekten gehören noch erforscht.

Dieser Aufgabe widmet sich gerade die Bauhistorikerin Jana Prinz, von der auch die Informationen zu dieser Siedlung stammen. Die frühen Wohnbauten Garstenauers zeigen aber, wie außergewöhnlich gut er über die internationale Architekturentwicklung seiner Zeit informiert war und wie sehr ihm daran lag, Wohnkomfort und moderne Bauweise zu vereinen.