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Lehmbaupionier Martin Rauch stampft Häuser aus dem Boden

Bewährte Baustoffe: Der Vorarlberger Martin Rauch ist Pionier im Lehmbau. Er zeigt seit 40 Jahren, wie aus dem nahezu überall verfügbaren Baumaterial beeindruckendes Wohndesign entstehen kann.

Im Schweizer Buchs steht das „Haus der Freunde“ der Caritas. Die zwei Mehrfamilienhäuser in Holz und Lehm entsprachen der philanthropischen Haltung der Auftraggeber.
Im Schweizer Buchs steht das „Haus der Freunde“ der Caritas. Die zwei Mehrfamilienhäuser in Holz und Lehm entsprachen der philanthropischen Haltung der Auftraggeber.

Die Erfolgsgeschichte des österreichischen Lehmbaupioniers begann in den Achtzigerjahren, als der Gymnasiast entschied, nicht mehr in die Schule gehen zu wollen. Martin Rauch, Sohn eines Malers und Bildhauers in Vorarlberg, besuchte stattdessen eine Keramikerschule im Burgenland und studierte im Anschluss an der Hochschule für angewandte Kunst. Mit neuen Erfahrungen und Plänen kehrte er ein paar Jahre später wieder in seine Heimat Vorarlberg zurück. Das Bundesland hatte sich schon damals einen Namen mit mutiger Architektur gemacht. Martin Rauch passte mit seiner neuen Idee gut dazu, für seinen Bruder plante und baute er sein erstes Haus aus Holz und Lehm. Das war zu einer Zeit, als man nur selten von emissionsarmem Bauen und Umweltschutz sprach.

Für Martin Rauch war Lehm schon immer ein vielseitiger Baustoff. Er besteht aus Sand und Ton, ist stets und günstig verfügbar und hat gute bauphysikalische Eigenschaften, die mittlerweile auch wissenschaftlich belegt sind. Dass ein Regenguss immer etwas Lehm von der Fassade nimmt, ist für den Unternehmer übrigens ein natürlicher Prozess, den man in gewisser Weise zulassen muss. Würden Lehmmauern gepflegt und habe das Haus ein gutes Dach über dem Kopf, halte es ewig. Der Vordenker hat es geschafft, die Nachhaltigkeit des Baustoffs mit Stil und Ästhetik gekonnt in Einklang zu bringen. Martin Rauch arbeitet mit Stampflehm, das ist verdichteter Lehm. Heute unterhält er das Bauunternehmen Lehm Ton Erde, in dem nicht nur geplant und gebaut wird, sondern auch Lehmelemente vorgefertigt werden. Diese schwere Handarbeit übernimmt seit wenigen Jahren die von Rauch selbst entwickelte Maschine "Roberta 1".

"Roberta" stellt den Stampflehm her

Um einem der Grundgedanken des Bauens mit Lehm - der Nutzung des Rohstoffs vor Ort - treu zu bleiben, vermietet er diese Maschine. Die "jüngere" Schwester, "Roberta 2", steht aktuell für 18 Monate in einem großen Weingut in Bordeaux und stellt dort für einen Neubau Stampflehmelemente her.

Holzkonstruktion und Stampflehm: Funktion trifft Raumdesign.
Holzkonstruktion und Stampflehm: Funktion trifft Raumdesign.
Im Schweizer Buchs steht das „Haus der Freunde“ der Caritas. Die zwei Mehrfamilienhäuser in Holz und Lehm entsprachen der philanthropischen Haltung der Auftraggeber.
Im Schweizer Buchs steht das „Haus der Freunde“ der Caritas. Die zwei Mehrfamilienhäuser in Holz und Lehm entsprachen der philanthropischen Haltung der Auftraggeber.

Die Regie hat ein ansässiges Bauunternehmen übernommen, das entsprechende Expertise besitzt.

Martin Rauch plant und errichtet Privathäuser, Firmengebäude, stattet Kirchen aus, macht Lehmfußböden oder erzeugt einzelne Lehmelemente als Stilmittel. Als er begonnen habe, erzählt er, habe man "seine" Bauherren noch an den Schafwollpullis erkannt, mittlerweile sind es namhafte Unternehmen wie Ricola oder Alnatura, die seine Bauexpertise und den Baustoff schätzen.

"Lehm ist arbeitsintensiv und dadurch etwas teurer. Wenn ich statt einer Doppelgarage eine einfache baue, habe ich die Kosten schon herinnen."
Martin Rauch
Lehmbaupionier

Was die Baukosten betrifft, sagt Rauch: "Lehm ist arbeitsintensiv und dadurch bei uns etwas teurer. Wenn ich bei einem Privathaus statt einer Doppelgarage eine einfache baue, habe ich die Kosten schon herinnen."

Die Zahl seiner Mitarbeiter ist in den vergangenen Jahren von 13 auf 40 gewachsen, darunter sind drei leitende Planer und zwischen fünf und sechs planende Architekten. Als sein bisher aufregendstes Projekt beschreibt er seine eigene Werkshalle in Schlins, 67 Meter lang, 24 Meter breit und 8 Meter hoch mit einem angegliederten zweistöckigen Bürotrakt. Das Projekt sei "zum Austoben" gewesen, wie er sagt. Er hat die Halle selbst geplant, "ich konnte mir mehr Experimente gönnen, die wichtig für Innovation, neue Erkenntnisse und Fortschritt waren". Der Baustoff stammte aus einem Umkreis von acht Metern, es handelt sich um Aushubmaterial. Als Hauptwärmequelle für die Bauteilaktivierung und somit als Heizung dient Sonnenenergie.

Lehmbaustoff: Klimawandel befeuert das Geschäft

Der Klimaaspekt, der erst im Laufe der vergangenen Jahre Bedeutung bekam, befeuert freilich sein Geschäft. Beim Bau des Alnatura-Campus in Darmstadt etwa, dessen Wandelemente vor Ort mit Erdaushub des Infrastrukturprojekts Stuttgart 21 hergestellt wurden, legte er zwischen die Stampflehmwand eine Dämmschicht aus verdichtetem Schaumglasschotter und eine weitere Schicht Stampflehm mit integrierter geothermischer Wandheizung.

Zugleich trat der Vorarlberger bei diesem Bauprojekt den Beweis an, dass er in puncto Lehmbaustoff bei Vorfertigung und Qualität durchaus mit konventionellen Produkten gleichziehen kann. "Langsam sickert durch, dass wir 45 Prozent des globalen Treibstoffausstoßes durch unsere Bautätigkeiten verursachen", sagt er. Mittlerweile klopfen auch große Baufirmen an und suchen nach Kooperationsmöglichkeiten, "sie wissen auch, dass künftig nachhaltiger gebaut werden muss und dass Lehm hier Riesenvorteile hat", betont Rauch.

Der Lehmbauexperte wird hier vor allem mit Know-how zur Seite stehen. Er ist auch in Ländern tätig, in denen Lehmbau bereits Tradition hat. "In Afrika beispielsweise baut man mit Lehm, weil man kein Geld hat. Man schämt sich aber dafür, trotz aller Vorteile des Baumaterials." Rauch organisiert Pilotprojekte quer über den afrikanischen Kontinent, um sichtbar zu machen, welches Potenzial der Baustoff bietet und vor allem: wie man "schön" baut. Rückblickend sieht er seinen Ausbildungsweg als gute Entscheidung, da es ihm mehr "Narrenfreiheit" ermöglicht habe. Um seine Visionen so frei wie nur möglich umzusetzen, suchte er damals nicht die Zusammenarbeit mit einem Bauunternehmen, sondern stellte selbst acht Leute an, die nach seinen Anweisungen arbeiteten.