Reden, bevor es zu spät ist: So klappt es mit den Nachbarn
"Nachbarn kann man sich nicht aussuchen", sagt Oksana Blotni. Die Salzburger Psychologin weiß, wie Kommunikation über Gänge und Gartenzäune hinweg funktioniert.


Wie gelingt gute Nachbarschaft? Oksana Blotni: Indem wir alle akzeptieren, dass Menschen eben unterschiedlich sind und verschiedene Bedürfnisse, Interessen und auch Meinungen haben. Klar, dass es in diesen Punkten Potenzial für Konflikte gibt. Dabei ist das Wort "Konflikt" für mich etwas Positives, weil darin die Chance steckt, Dinge zu verbessern und zu verändern. Zudem bringen sie die Möglichkeit mit sich, einander besser kennenzulernen. Letztendlich geht es um ein gutes Auskommen. Menschen sind soziale Wesen. Ihre Arten von Nähe und Distanz unterscheiden sich. Selbst das kann man in den Griff bekommen.
Ist es schlau, mögliche Streitpunkte sehr früh anzusprechen? Unbedingt. Denn spätestens, wenn Emotionen ins Spiel kommen und wir das Gefühl bekommen, dass der Ärger uns die Kehle zuschnürt, die Luft zum Atmen nimmt oder uns im Magen liegt, ist es Zeit, Dinge klar anzusprechen. Je früher das geschieht, desto einfacher ist es. Leichter Ärger ist nützlich, während angestaute Wut nicht mehr leicht zu handhaben ist. Dann empfehle ich eine Abkühlungsphase. Besser, man geht Konflikte mit ein paar Tagen Abstand und mit mehr Ruhe erneut an. Ich bin eine Frau, die lieber präventiv arbeitet, als Feuerlöscher zu spielen.
Der häufigste Grund für Nachbarschaftsstreit ist Lärm. Zu Recht, denn Lärm ist ein Stressor, egal, wo er herkommt. Wenn es dauernd laut ist, macht das etwas mit der Psyche eines Menschen. Wenn der Übeltäter der Nachbar ist, kann es krachen.
Lässt sich dieser Krach vermeiden? Meistens schon, denn ich kann Nachbarn freundlich informieren, wenn ich eine Familienfeier geplant habe und ein paar Menschen zu mir auf Besuch kommen. Das hat den Vorteil, dass sich mein Gegenüber wahr- und ernst genommen fühlt. Außerdem hat es die Chance, an diesem Abend etwas anderes zu unternehmen. Auswärts.
Und wenn die Nachbarin, der Nachbar lieber zu Hause bleibt und es um Punkt 22 Uhr nicht still ist? Manchen Menschen ist einfach nicht bewusst, wie dünn Wände sind. Mit Absicht sind wohl die wenigsten nachts oder auch tagsüber laut. Ich empfehle allen, die unter Lärm leiden, das Gespräch zu suchen. Das klappt mit den Methoden aus der gewaltfreien Kommunikation am besten. Das bedeutet, dass Dinge sachlich und konkret angesprochen werden. Je genauer das Problem benannt ist, desto besser. Ein guter Satz kann lauten: "Es ist nach 22 Uhr. Ich höre Ihre Musik in meiner Wohnung und kann nicht schlafen. Das frustriert mich, weil ich morgen arbeiten muss. Ich wünsche mir, dass Sie die Musik auf Zimmerlautstärke hören." Dann ist mit nicht anklagenden Ich-Botschaften und einem abschließenden Wunsch klargestellt, was Sache ist. Wenn ich von mir spreche, liefert das keinen Zündstoff.
Haben Sie selbst auch nervige Nachbarn? Sagen wir so, ich kenne es, wenn angetrunkene junge Leute um zwei Uhr nachts nach Hause kommen und Radau machen. Sie kamen vom Fortgehen und ich bin zu ihnen hinuntergegangen, um sie zu bitten, leiser zu sein, weil ich so nicht schlafen konnte. Damit sind die beiden richtig gut umgegangen und die laute Musik und das laute Lachen waren vorbei.
Was provoziert Nachbarschaftsstreit noch, abgesehen von Lärm? Cannabis- oder Zigarettengeruch, der im Wohnblock beim Fenster reinkommt, kann stören. Oder wenn Besuch die Einfahrt verparkt. Oder wenn manche Leute viel Besuch bekommen. Ein Weg ist, anzunehmen, dass Menschen unterschiedlich leben - und dann wahrzunehmen, welche Gefühle das in einem selbst auslöst. Gefühle sind Hinweisschilder und Ärger wird spürbar. Etwa durch ein innerliches Augenrollen und den Gedanken "Nicht schon wieder!"
Ihre Tipps für gelungene Nachbarschaft? Wer neu einzieht, kann sich wunderbar bei den Nachbarinnen und Nachbarn vorstellen. Im Hinterkopf sollte man haben, dass man selbst vielleicht auch nicht alles perfekt macht. Dazu lohnt es sich, dem Guten viel Aufmerksamkeit zu schenken und immer wieder netten Smalltalk zu führen mit den Menschen, die einem vor der Tür oder im Stiegenhaus begegnen. Die meisten von uns möchten respektiert und wahrgenommen werden. Vor allem jene, die schon länger in der Gegend oder im Haus wohnen.