Geht es nach der Europäischen Union, so soll bis 2050 der Gebäudebestand in der EU dekarbonisiert sein. Mit entsprechender Sanierung und Renovierung will man erreichen, dass in privaten wie öffentlichen Gebäuden Energiekosten und Treibhausgasemissionen reduziert werden.
Neu gebaute öffentliche Gebäude sollen bereits ab 2027 emissionsfrei sein, sie dürfen nur wenig Energie verbrauchen, müssen vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden und dürfen vor Ort keine CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen emittieren. Der Energieausweis wird künftig auf Basis der Lebenszyklusemissionen erstellt. Immerhin seien Gebäude der größte Energieverbraucher in Europa, sagt die für Energie zuständige Kommissarin Kadri Simson. Sie verbrauchen 40 Prozent unserer Energie und verursachen 36 Prozent der Treibhausgasemissionen. 80 Prozent des Energieverbrauchs entfallen auf Heizung, Kühlung und Warmwasser der Haushalte.
Zu oft werde noch mit fossilen Brennstoffen geheizt; und hier muss schleunigst etwas passieren, da mehr als 85 Prozent der heutigen Gebäude im Jahr 2050 noch stehen werden, wenn Europa klimaneutral sein muss, wie Simson betont. In schlecht renovierten Gebäuden lebten oft die schutzbedürftigsten Menschen, die schon jetzt Schwierigkeiten hätten, die Energiekosten zu stemmen. Zudem kurbelten umfassende Renovierungsmaßnahmen auch die Baubranche an, wird seitens der Europäischen Kommission argumentiert.
Was bedeutet das für die Hausbesitzer? Reicht es, den Heizkessel zu tauschen oder die Gebäudehülle zu dämmen? Inwiefern kann hier Smart-Home-Technologie unterstützen? Wieland Moser von Käferhaus sieht einen rein technologiegestützten Wandel eher skeptisch. Beim Projekt Smart City Aspern habe man eine Studie durchgeführt, wie es um die Nutzung von Smart-Home-Maßnahmen bestellt ist. Von rund 200 Wohneinheiten wurden 111 Wohnungen mit einem "smarten" Bedienungssystem ausgestattet, deren User Interesse an der Technologie hatten.
Smart Home: Effekte verpuffen rasch
Das habe sich rasch geändert, erinnert sich Moser. "Obwohl die Menschen gute Werkzeuge gehabt hätten, um ihr eigenes Nutzungsverhalten zu analysieren und das Thema Energiesparen zu forcieren, wurden diese Möglichkeiten immer weniger genutzt." Dazu komme, dass smarte Technologien über eine hohe technische Dichte und Komplexität verfügen und ein gewisses Bedienungsinteresse voraussetzen. Wer also technisch nicht sonderlich affin ist, wird damit nicht viel anfangen können.
Selbst machte er die Erfahrung, dass eine smarte Anlage schon in wenigen Jahren nicht mehr bedienbar sein kann, weil Ersatzteile nicht mehr verfügbar sind. Menschen, so die Erkenntnis des Technikers, müssten vielmehr mit ihren "Urbedürfnissen" konfrontiert werden, und das sei Geld. Das trieb im Vorjahr doch viele Wohnungs-, Hausbesitzer und Unternehmer an, ihre Energiebilanz genauer zu inspizieren und die Sanierung ihrer Häuser voranzutreiben. Auch Banken werden von der EU künftig stärker angehalten, Geld für Sanierung und Renovierung lockerzumachen.
Was bedeuten die Dekarbonisierungsziele nun konkret?
Mit einer gedämmten Gebäudehülle und einem modernen Heizsystem habe man die Basis für die Erreichung der Ziele gebildet, betont Wieland Moser. Bei Bezug von Fernwärme beispielsweise verlagere sich die Dekarbonisierung sozusagen auf den Energieversorger, der bei der Strom- und Wärmeerzeugung von fossilen Energieträgern - sprich Gas - wegkommen muss. Was die Zielerreichung betrifft, so plädiert der Techniker Moser dafür, ein Gebäude als Ganzes zu betrachten und so Einsparpotenziale festzumachen: Wenn Haushalte durch ihr Nutzungsverhalten bis zu 30 Prozent der Wärmeenergie selbst beeinflussen können, obliege es auch ihnen, sich über ihr eigenes Nutzerverhalten und ihren Komfort Gedanken zu machen. Sprich: Ohne Energiesparen werde es nicht gehen. "Für einen wirklichen Ausstieg aus Öl und Gas brauchen wir vor allem Strategiepläne, wie wir bewohnte Gebäude zukunftstauglich machen", betont Wieland Moser. Gerade im städtischen Bereich, wo Eigentümer und Mieter unter einem Dach wohnen und sich der Umbau etwa von Heizsystemen über Jahre hinzieht, brauche es einen guten Plan. Menschen sollten zu Maßnahmen nicht gezwungen werden, sie brauchen eine Anleitung, wie ein Umstieg bestmöglich zu schaffen wäre.
Es braucht eine ganzheitliche Sicht bei Smart-Home-Anwendungen
Für Markus Leeb von der FH Salzburg sind smarte und vernetzte Systeme vorerst nur dort zu finden, wo Tüftler ihre eigenen Infrastrukturen aufbauten: smarte Geräte, die sich dann einschalten, wenn die PV-Anlage am Dach viel Strom produziert; das E-Auto, das automatisch bei Stromüberschuss aufgeladen wird. Der studierte Bauingenieur sieht Smart-Home-Anwendungen vor allem bei ganzheitlicher Betrachtung als sinnvoll an: Wenn sich ab einer bestimmten Raumtemperatur die Jalousien automatisch schließen und so auf aktive Kühlung verzichtet werden kann oder wenn die Wärmepumpe nur dann kühlt, wenn der Strom aus der PV-Anlage kommt. Geht es um Ressourcenschonung und Energieeinsparung, so nennt Markus Leeb das Stichwort "Energieflexibilität": Jedes Gebäude soll künftig als Speicher dienen. Je nach Dämmung oder Baumasse sollen intelligent gebaute Gebäude künftig für mehrere Tage vom Wärmenetz genommen werden können. "Wenn ich alle Gebäude der Welt als Speicher verwende, brauche ich weniger elektrochemische Speicher, vorausgesetzt, die Netzsicherheit ist gegeben", betont der Bauingenieur. Auch er setzt auf Energiesparen: Jede Kilowattstunde, die eingespart werden kann, muss man nicht erzeugen.
Für Markus Leeb bräuchte es auch vonseiten der Energieerzeuger neue Geschäftsmodelle wie den "stündlichen Tarif" für Abnehmer, die ihren Verbrauch flexibel verlagern können: Das E-Auto wird aufgeladen, wenn viel Strom produziert wird, der Stromanbieter gibt diese niedrigeren Preise direkt an den Verbraucher weiter. Wie Wieland Moser ist er überzeugt, dass es verständliche und durchdachte Lösungen braucht, um die Gebäudesanierungen voranzutreiben. "Ein Fensterhersteller wird dem Hausbesitzer zu neuen Fenstern raten und nicht zum Tausch des Heizkessels und umgekehrt", betont er.
Was am Markt fehlt, sind Anbieter von Gesamtlösungen, einschließlich der Lukrierung von Fördergeldern und Einholung von Finanzierungsangeboten, damit Menschen wissen, was bei der Sanierung konkret auf sie zukommt und mit welchen finanziellen Belastungen sie rechnen müssen. Es gebe genügend Fördermöglichkeiten, auf Landes- wie Bundesebene. Diese zu durchblicken und zu heben sei nicht einfach. Dieser Meinung ist auch Wieland Moser: "Die Fördersysteme sind zu intransparent und komplex."