Fenster, Türen und Lüftung, Licht und Wärme, die vernetzt und automatisiert gesteuert werden, ohne dass die Hausbesitzer auch nur an einem Knopf drehen müssen. Dachfenster, die schließen, sobald es zu regnen beginnt. Eine Heizung, die sich automatisch absenkt, wenn die Fenster geöffnet sind. Lichter, die abends erst angehen, wenn sie benötigt werden - und die Alarmanlage, sobald alles ruhig ist. Das definierte Ziel ist ein Gebäude, das für Heizung und Kühlung keine Energie von außen mehr benötigt, keinen Abfall produziert und möglichst lange nutzbar ist. Was auf dem Weg dorthin noch fehlt, erklärt Michael Grobbauer im Interview. Der Grazer Architekt, Leiter des Zentrums Alpines Bauen und Lehrender der FH-Studiengänge "Smart Buildings" und "Smart Buildings in Smart Cities" an der FH Kuchl, beschäftigt sich seit 15 Jahren mit Fassaden und intelligenten Gebäudehüllen.
Gemeinhin versteht man unter Smart Home ein automatisiertes Gebäude. Aber wann ist ein Haus wirklich smart? Michael Grobbauer: Die Stammfunktionen von Gebäudehüllen waren schon bisher Wärme-, Kälte- und Schallschutz, Feuchte- und Brandschutz. Im Zentrum Alpines Bauen geht es bei "Smartness" im Wesentlichen um Ressourcen- und Energieeffizienz. Bei einer multifunktionalen Fassade kommen technische Zusatzfunktionen dazu, die einen wesentlichen Beitrag zur Behaglichkeit im Innenraum leisten.
Warum ist dabei Automation so wichtig? Weil wir bei einem neuen oder sanierten Gebäude mittlerweile sehr komplexe haustechnische Systeme zum Heizen, Lüften und Kühlen haben, in die auch Speichermasse von Gebäuden einfließen kann (Anm.: Betonkern- und Massivholzaktivierung, Wandheizungen). Und weil diese Systeme bis zu zwei Tage Vorlaufzeit haben, muss beispielsweise auch die Wettersituation der kommenden Tage mit eingeplant werden. Diese Komplexität können die Nutzer nur mehr schwer durchschauen.
Wann werden intelligente Fassaden bei Neubauten finanzierbar und damit Standard sein? Das kann man aus heutiger Sicht noch nicht beantworten. Modulare durchgehende Systeme gibt es noch nicht, Einzelansätze wie fassadenintegrierte Photovoltaik, Tageslichtlenkungssysteme oder fassadenintegrierte Belüftung mit Wärmerückgewinnung sehr wohl. Was fehlt, ist die Kombination dieser Einzelsysteme zu einem Gesamtsystem mit der dazugehörigen Regelung und der Simulation im Vorfeld. Damit weiß man auch, wie sich die Systeme wechselweise untereinander beeinflussen und geregelt werden müssen.
Was wird am Campus Kuchl zum Thema smarte Gebäudehüllen erforscht? Wir haben seit dem Vorjahr ein neues Versuchsgebäude für Gebäudehüllen und Gebäudetechnik mit dem Namen Twin2Sim. Dort werden Bauteile der Gebäudehülle auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz geprüft. Die Fassaden des Versuchsgebäudes selbst sind auch Versuchsflächen, um beispielsweise gebäudeintegrierte Photovoltaik zu erforschen.
Gibt es auch smarte Fassaden für bestehende Gebäude? Ja, Ansätze gibt es beim seriellen Sanieren mit vorgefertigten Elementen, etwa im Holztafelbau (Anm.: die verbreitete Bauweise bei Fertighäusern). Einige Hersteller integrieren beispielsweise Solarthermie-Elemente in vorgefertigte Holzfassaden. Ein komplettes System dafür kenne ich aber noch nicht. Aber Forschungen in diese Richtung gibt es, etwa auch bei uns an der FH Salzburg und am Institut für Nachhaltige Technologien AEE in Gleisdorf. Da geht es darum, durch vorgefertigte Fassadenelemente die bestehende mineralische Außenwand thermisch zu aktivieren. Damit kann also über die Fassade geheizt und gekühlt werden.
Wenn Energie aus Fassaden gewonnen werden soll, ist das Dämmen dann hinfällig? Auf keinen Fall. Wenn es um Energieeffizienz geht, ist die erste Frage, wo ich Energie sparen kann. Und das kann ich am allerbesten, wenn Gebäude gut gedämmt werden. Regelungssysteme, Niedertemperaturheizsysteme oder auch die Bauteilaktivierung funktionieren nur dann, wenn die Gebäudehülle gedämmt ist. Die Wärmeverluste sind weitaus geringer als bei einer ungedämmten Gebäudehülle und eine automatisierte Regelung ist nur bei einem gedämmten Gebäude effizient möglich.
Sind Fassaden mit großen Glasfronten ein Problem beim Dämmen? Grundsätzlich nicht. Was nicht mehr zeitgemäß ist, sind reine Glasfassaden, die im Sommer hochwirksame Sonnenschutzbeschichtungen benötigen. Aber bei Sonnenschutz-, Wärmeschutzglas und bei Glasbeschichtungen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel getan. Fenster haben zwar noch immer den vier- bis fünffachen Wärmedurchgangswert gegenüber Außenwänden. Die auf der Innenseite in der Nacht kalte Glasscheibe gehört im Neubau jedoch der Vergangenheit an, wenn das richtige Glas verwendet wurde: also Dreifachverglasung, Wärmeschutzbeschichtung und Scheibenabstandhalter mit Schaumkunststoff. Drei Scheiben bedeuten zwar weniger Lichteintrag, was aber gerade bei großen Scheiben kein Nachteil ist, weil damit Erwärmung und Kühlbedarf reduziert werden.
Können Fassadenelemente in Zukunft für Photovoltaik genutzt werden? Es gibt bereits Lösungen für alle Teile der Gebäudehülle und fürs Dach. Üblicherweise werden für die Fassade geeignete Glasmodule mit einem nicht transparenten Backsheet in hinterlüfteten Fassaden verwendet. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind mittlerweile sehr groß. Es kann aber Brandschutzprobleme geben. Da wird derzeit noch viel geforscht und an den baurechtlichen Bedingungen gearbeitet.
Wo liegt die Lösung auf dem Weg zu einem Gebäude, das für Heizung und Kühlung keine Energie von außen benötigt? Wir benötigen mehr Systembau (Anm.: Bauen mit vorgefertigten Bauteilen) aufgrund des Facharbeitermangels, der höheren Fertigungsqualität im Werk und der rascheren Montage. Im Zentrum Alpines Bauen wurde ein Holzbausystem mit 80 Bauteilvarianten und 312 Konstruktionsdetails für die urbane Nachverdichtung entwickelt, die statisch vordimensioniert, schallschutz- und brandschutztechnisch beurteilt wurden und der Baubranche kostenfrei zur Verfügung stehen. Solche Systembauteile brauchen wir für alle Bauaufgaben mit einem gewissen seriellen Charakter, etwa im Wohn- und im Bürobau. Und das alles gilt für die smarte Gebäudehülle noch mehr, weil hier die Komplexität größer ist und damit eine noch höhere Fertigungsqualität benötigt wird.