"Es war das Nein der Österreicher zum AKW Zwentendorf, das im November 1978 die Weichen in Richtung Wasserkraft stellte", erinnert sich der 96-jährige Johann Schmuck aus St. Martin zurück. "Den Landwirten hat man damals empfohlen, in Kleinwasserkraftanlagen zu investieren", erzählt er. "Mich hat die Idee sofort angesprochen. Die Voraussetzungen für so ein Projekt waren auf dem Thurngut ja ideal." Schon im März 1979 meldete sich der Landwirt bei der Salzburger Landesregierung. Sein Ziel war vorerst nur, Strom für den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb zu produzieren. "Bei den anschließenden Verhandlungen haben die Behörden dann aber verlangt, dass ein Werk größer dimensioniert werden müsste, als ich das geplant hatte", berichtet der Altbauer. Das Kraftwerk sollte auf 2000 kW Engpassleistung angelegt werden, auf 100 Tage Volllast berechnet.
Thurn-Saalach-Kraftwerk: 42 Jahre nachhaltige Energie aus Wasserkraft
Energie im Fluss: Seit 42 Jahren produziert das Thurn-Saalach-Kraftwerk in St. Martin bei Lofer Energie aus Wasserkraft. Mit dem produzierten Strom könnten - rein rechnerisch - rund 2500 Haushalte versorgt werden.
"Landwirten wurde empfohlen, in Kleinwasserkraft zu investieren."
"Die ersten Kostenvoranschläge für das Projekt beliefen sich auf 54 Millionen Schilling", blickt Schmuck zurück. "Das war mir allein dann doch zu riskant." Gemeinsam mit seinen Söhnen und drei weiteren Gesellschaftern wagte sich der Thurnbauer schließlich an die Umsetzung seines Kraftwerks. Als besondere Herausforderung erwies es sich, den Standort für das Krafthaus festzulegen, erinnert er sich: "Bei den Verhandlungen ging es - auch aus naturschutzrechtlichen Gründen - um jeden Meter, mit dem wir das Gefälle besser für uns nutzen konnten. Bei zehn Metern Gefälle bedeutete ein Meter schließlich ein Zehntel des Jahresertrags." Sein großer Einsatz war am Ende erfolgreich: Am 2. April 1982 fand die Bauverhandlung für den Kraftwerksbau statt. 1983, im August, nach gut einem Jahr Bauzeit, drehten sich das erste Mal die zwei Kaplanturbinen im Thurn-Saalach-Kraftwerk. Mit den in St. Martin produzierten 2000 kW Engpassleistung könnten rein rechnerisch betrachtet ungefähr 2500 Haushalte versorgt werden.
Natürliche Bedingungen schaffen Möglichkeiten
Das Thurn-Saalach-Kraftwerk ist eines von aktuell 487 Kleinwasserkraftwerken im Land Salzburg, die insgesamt 871 Millionen Kilowattstunden Ökostrom in das öffentliche Netz einspeisen. Rund 256.000 Haushalte können mit dieser Menge energieversorgt werden. Als Kleinwasserkraftwerk wird dabei jede Anlage definiert, die weniger als 10 MW, also 10.000 Kilowatt Engpassleistung, aufweist. "Unser Kraftwerk nutzt das natürliche Gefälle der Saalach", erklärt Johannes Schmuck, der Enkel des Kraftwerksinitiators. Seit letztem Jahr zeichnet der 29-Jährige für die technische Wartung der Anlage verantwortlich. "Neben einer ausreichend hohen Fallhöhe muss auch genug Wasser vorhanden sein, um wirtschaftlich zu arbeiten", fügt er hinzu. "Das sind Voraussetzungen, die künstlich nicht geschaffen werden können."
Das Thurnkraftwerk ist ein sogenanntes Ausleitungskraftwerk. Etwa einen Kilometer oberhalb des Krafthauses befindet sich im Flusslauf ein Wehr, an dem das Wasser gestaut wird. Mithilfe eines separaten, künstlich angelegten Kanals wird das Wasser in ein Maschinenhaus geleitet, wo die Bewegungsenergie des Wassers in Strom transformiert wird. Im ursprünglichen Flussbett verbleibt eine festgelegte Restwassermenge, die immer auf die jeweiligen Anforderungen des Flusses abgestimmt ist. "Der Restwasseranteil hat auch in wasserarmen Zeiten immer Vorrang, um das ökologische Gleichgewicht der Saalach nicht zu gefährden", betont der Kraftwerkswart. Derzeit liegt der vorgeschriebene Restwasseranteil je nach Jahreszeit bei einer Durchflussmenge von drei Kubikmetern pro Sekunde im Sommer und einem Kubikmeter pro Sekunde im Winter. Die Lebensräume oberhalb und unterhalb des Wehrs sind zudem durch eine Fischaufstiegshilfe miteinander verbunden, um es den Tieren zu ermöglichen, die Barriere im Gewässer zu überwinden.
Treibgut reduziert den Energieertrag
Am hydraulisch gesteuerten Wehr wird das Saalachwasser aufgestaut, mithilfe von Grobrechen gefiltert und in den Kanal umgeleitet. "Für uns ist es wichtig, die Kies- und Schotterablagerungen im Blick zu haben", betont Schmuck. "Alles, was den Zufluss blockiert, reduziert auch den Energieertrag", fasst er zusammen. "Je mehr Wasser, desto besser" ist somit nicht unbedingt ein Grundsatz für den Kraftwerksbetrieb. "Große Wassermengen verursachen auch einen höheren Aufwand." Am besten für die Stromproduktion sei Schmelzwasser, setzt er nach. "Saubere Wassermengen, die kein Geschiebe, also Schotter, Sand und Gestein, mit sich führen." Ein Hochwasser beschreibt er dagegen als extreme Herausforderung. "Das sind enorme Kräfte, die hier wirken."
Das Herz der gesamten Werksanlage ist das Krafthaus. Hier findet die Transformation der Bewegungsenergie statt. Bevor das Wasser die zwei Kaplanturbinen erreicht, passiert es eine automatisierte Rechenanlage. Fremdkörper, die hängen bleiben, werden entweder automatisch ausgekämmt oder müssen - unter Umständen - manuell entfernt werden. Über ein Gefälle von zehn Metern stürzen dann 24 Kubikmeter Wasser pro Sekunde auf die zwei axial ausgerichteten Turbinen. Die kinetische Energie des Wassers bringt dabei Schaufelräder in Bewegung, die wiederum Generatoren in Rotation versetzen. "Durch verstellbare Lauf- und Leitradschaufeln können Kaplanturbinen optimal der Wassermenge und der Fallhöhe angepasst werden", erklärt Schmuck. "Auf diese Weise kann ein hoher Wirkungsgrad erzielt werden." Mithilfe einer speziell konfigurierten Software werden die Steuerung der Turbine und das Zusammenspiel im Kraftwerk so optimiert, dass die größtmögliche Energieausbeute erreicht werden kann. Als letzter Schritt wird der erzeugte Strom vom Generator abgeleitet, transformiert und mit 50 Hertz ins Stromnetz der Salzburg AG eingespeist. Jährlich produziert das Thurnkraftwerk so einen Energieertrag zwischen neun und elf Millionen Kilowattstunden Strom.
Großes Potenzial in der Kleinwasserkraft
Davon, dass noch viel mehr an Potenzial der Kleinwasserkraft genutzt werden müsste, ist Paul Ablinger, Geschäftsführer des Vereins Kleinwasserkraft, überzeugt. "Kleinwasserkraft ist das Rückgrat der erneuerbaren Stromerzeugung in Österreich. Mehr als 4000 Kleinwasserkraftanlagen leisten schon jetzt einen beachtlichen Beitrag. Sie speisen etwa 6 TWh Strom in das Netz ein und versorgen so - rein rechnerisch - 50 Prozent aller österreichischen Haushalte."