Erst letzte Woche gab es einen neuen Paukenschlag: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die konsumentenschutzrechtliche Bestimmung des § 6 Abs. 2/4 des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) (die eine Entgeltänderung in Mietverträgen in den ersten zwei Monaten nur bei individueller Vereinbarung erlaubt) für verfassungskonform erklärt. Die Aufregung war enorm, ging allerdings etwas am Thema vorbei. Denn inhaltlich hat der VfGH gar nichts entschieden, das obliegt dem Obersten Gerichtshof (OGH). "Der VfGH war hier sozusagen der ,Brandbeschleuniger'", bestätigt der Geschäftsführer des ÖVI (Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft), Anton Holzapfel, im SN-Interview.
OGH entscheidet über Mietrückforderungen
Ob und in welcher Weise es deshalb Rückforderungen geben kann, muss der OGH entscheiden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass, sollte im Mietvertrag nicht ausdrücklich festgehalten sein, dass in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss keine Mietanpassung erfolgt, solche Wertsicherungen rückgefordert werden können. Im Rahmen einer Verbandsklage wurde festgestellt, ob eine Wertsicherungsklausel KSchG-konform und nicht grob benachteiligend ist.
Eine Einzelfallprüfung kann Rückzahlungen vorschreiben, was für gewerbliche Vermieter zu millionenschweren Zahlungen bis zu 30 Jahre zurück führen könnte. Und das hat wiederum eine bundespolitische Debatte ausgelöst, bis in den Herbst die Verjährungsfrist in solchen Fällen auf fünf Jahre zu beschränken. Holzapfel: "Der OGH hat aber noch keine Entscheidung zu Rückforderungen getroffen, also auch nicht, ob sie drei Jahre oder 30 Jahre zurückreichen könnte."
Experte Anton Holzapfel erklärt Wertsicherungsklausel
Laut dem Experten ist die VfGH-Entscheidung jedenfalls kein "Freibrief für Mieter, Geld für 30 Jahre zurückzubekommen". Das sei auch eine Frage der Berechnungsbasis und quasi ein "Einfrieren" des Mietzinses auf einer "Uralt-, teils noch Schilling-Basis". Springender Punkt sei eine Formulierung in der Wertsicherungsklausel eines Mietvertrags, dass innerhalb der ersten zwei Monate keine Mietzinsanhebung erfolgt. "Ich gehe davon aus, dass jeder Vermieter seit 2023 einen solchen Passus in den Mietverträgen angeführt hat", sagt Holzapfel. Wichtig ist ihm festzuhalten, dass es in der Klausel dabei nicht um eine Wertsteigerung geht, sondern um eine Wertsicherung, die die Geldentwertung (Inflation) ausgleicht.
Gerichte beeinflussen Mietvertragsbedingungen
Es ist kein Einzelfall, dass oberste Gerichte in bestehende Mietverträge oder die gängige Vertragspraxis eingreifen. Schon vor Jahren wurde die übliche Berechnungsart der Teuerungsabgeltung anhand des Verbraucherpreisindex (VPI) infrage gestellt. Laienhaft gesprochen wird seither darüber diskutiert, ob der VPI und dessen Warenkorb die richtige Basis für die Wertsicherung von Mieten sind oder ob es einen anders definierten Index geben soll, der beispielsweise die Preissteigerungen bei Kosmetikartikeln oder Urlaubsreisen nicht enthält. Holzapfel: "Die Arbeiterkammer hat versucht, die gesetzliche Wertsicherung zu Fall zu bringen. Es wurde aber 2018 und noch einmal 2024 festgestellt, dass eine Wertsicherung nach VPI zulässig und nicht gröblich benachteiligend ist." Der VPI als Basis gilt also nach wie vor, allerdings bleibt die Frage, auf welcher Basis berechnet wird. Denn Werte aus der Vergangenheit kann man nicht verwenden, wird etwa ein Basis-Indexwert von vor zwei Jahren angeführt, gilt das als grob benachteiligend. Einen tagesaktuellen VPI-Wert der Statistik Austria gibt es aber nicht, der ist in der Regel zwei Monate alt.
Für Holzapfel ist diese Frage insofern bedeutend, weil alle Mieten, die unter das Richtwertsystem fallen, zusätzlich von diesem automatisch begrenzt werden.
OGH-Urteil ändert Betriebskostenregelung
Erst kürzlich erregte noch ein OGH-Urteil Aufsehen, in dem die Berechnung der Betriebskosten in einem Einzelfall aufgehoben wurde. Dem klagenden Mieter müssen rückwirkend bis zum Vertragsbeginn sämtliche Betriebskosten zurückerstattet werden und es dürfen künftig keine eingehoben werden, die SN berichteten exklusiv. Grund: Es muss im Mietvertrag ein genauer Betriebskostenkatalog angeführt sein. "Wenn darin das Wort ,insbesondere' vorkommt, gilt das schon als Intransparenz", erklärt Holzapfel. Hingegen wurde die Frage, ob die Überwälzung der Grundsteuer als Betriebskosten auch außerhalb der Vollanwendung des Mietrechtsgesetzes (MRG) zulässig ist, zum wiederholten Mal mit demselben Ergebnis entschieden: Diese Praxis ist zulässig.