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Die Regierungskrise aus der Ferne betrachtet

Wie steht Österreich im Ausland da? Der Krimi-Autor Veit Heinichen berichtet von Kopf schüttelnden Italienern, der Kabarettist Ludwig W. Müller von schadenfrohen Münchnern und Fußball-Profi Sarah Zadrazil von entspannten Berlinern.

Veit Heinichen: „Es ist unfassbar, wie schlecht gekleidet er einer Dame gegenübertrat, von der er sich Macht und Profit versprach.“
Veit Heinichen: „Es ist unfassbar, wie schlecht gekleidet er einer Dame gegenübertrat, von der er sich Macht und Profit versprach.“

Veit Heinichen aus Triest

Veit Heinichen lebt seit 1997 in Triest, wo er seitdem stets politisch brisante Krimis über das organisierte Verbrechen und deren politische Hintergründe verfasst. Zuletzt etwa mit seinem Thriller "Borderless". Von den SN zu der österreichischen Regierungskrise befragt, antwortet er deshalb wie aus der Pistole geschossen: "Wir sind ja schon an vieles gewohnt. Aber das ist euer Problem. Wir haben unsere im eigenen Haus zu lösen." Ihm sei aber aufgefallen, dass Heinz-Christian Strache in diesem Video erstmals so richtig authentisch rüber gekommen ist. "Wenn Sie heute Bilder von Strache im Anzug sehen, dann wirkt er gar nicht mehr authentisch."
Womit er auch beim Hauptpunkt der Verwunderung und Kritik angekommen ist: "In Italien fragen sich alle, wie man nur so schlecht gekleidet einer Dame gegenüber treten kann, von der man sich Macht und Profit erhofft. Das ist unfassbar. Sogar Matteo Salvini von der Lega Nord hat so viel Stil, sich stets den Umständen entsprechend zu verkleiden."

Dass Enthüllungen wie das Ibiza-Video in der Luft lagen, das sei in Italien schon lange klar gewesen. "Die nach wie vor guten Umfragewerte der Lega Nord nehme ich den Instituten deshalb nicht ab." Heinichen spielt in diesem Zusammenhang auch auf die 49 Millionen Euro an, die von der Lega Nord am Fiskus vorbeigeschleust wurden. Oder die ominösen Spenden aus der Schweiz für die AfD. Auch Marie Le Pen soll sich von der EU sieben Millionen Euro erschlichen haben. "Schön langsam muss dieses Mosaik des Machtmissbrauchs für jeden zu sehen sein. Da dürften sich die Wähler der Rechtspopulisten schön langsam ein bisschen wie enttäuschte Geliebte oder betrogene Ehefrauen fühlen. Und die - glauben Sie mir das bitte, das ist nicht nur im Krimi so - die verzeihen nicht."

In Italien spreche man auch nicht nur verharmlosend von einem Ibiza-Video-Skandal. "Wenn sich mehr als zwei Personen zusammenfinden, um an den Gesetzen vorbei Geschäft zu machen, dann wird das bei uns organisierte Kriminalität genannt. So entsteht bei uns auch ein bisschen der Eindruck, dass man in Österreich alles machen kann. In Italien kann keiner machen, was er will. Daran ist schon Berlusconi gescheitert." Denn Italien, so Heinichen, sei das einzige Land mit einer unabhängigen Staatsanwaltschaft. "Bei uns gibt es anders als in Resteuropa kein Weisungsrecht der Politik." Deshalb sei auch der einzige Grund der anderen EU-Staaten, die Ermittlungsapparate nicht zu stärken, die Angst später selbst in die Schusslinie zu kommen.

Und das Krisenmanagement in Österreich? "Management?", fragt Heinichen noch einmal nach. "Wir meinen: In Österreich werden keine Tatsachen geschaffen. In Österreich gibt es derzeit nur Ankündigungen und Propaganda."


Ludwig W. Müller aus München

Der Kabarettist Ludwig W. Müller hat seinen Lebensmittelpunkt vor zehn Jahren nach München verlegt. Wir erwischen den Gewinner des "Salzburger Stier", während er im Büro seines Web-Grafikers sitzt. "Die Bayern sind da sehr kreativ", sagt er. Auf dem Bildschirm sei nämlich gerade eine Figur namens Sebastica Kurcic im Entstehen begriffen. Da wird der österreichische Bundeskanzler als Putzfrau hochstilisiert, weil er Herbert Kickl aus dem Ministerium warf. "Dieser Spin kommt den Münchenern natürlich komisch vor. So als ob Kurz im Vorfeld über die FPÖ nicht Bescheid gewusst hätte."

Ansonsten seien Auslandsösterreicher in München reichlich an Kummer gewöhnt: "Wir werden sehr oft auf die Skandale in der Alpenrepublik angesprochen. Die Deutschen lieben das - wir sind für sie wie eine Bühne, auf der alles ein bisserl schriller und bunter abläuft, und eben auch ein bisserl unseriös und inkorrekt."
Das könne aber ziemlich nervig sein. "Vor allem wenn der deutsche Zeigefinger erhoben wird. Ich denke, unser großer teutonischer Bruder hat mit sich selbst zuviel zu tun, um hier moralinsauer zu schulmeistern. Und Böhmermann sagt im Grunde das, was der Qualtinger schon in den Fünfzigern gesagt hat. Bloß hat Böhmermann leider überhaupt keinen Witz dabei. Und Satire ohne Witz - das funktioniert wirklich nur im ZDF. In Österreich brauchst da schon ein bisserl Schmäh."


Sarah Zadrazil aus Berlin

In Berlin wiederum gehe es so vielfältig zu, dass hier kaum ein Aufheben über die FPÖ gemacht wurde. Diesen Eindruck hat die Salzburger Profi-Fußballerin Sarah Zadrazil, die seit 2016 die Fußballschuhe für den 1. FC Turbine Potsdam schnürt. "Und innerhalb des Vereins ist Politik eigentlich nie ein Thema." Persönlich sei sie aber sehr enttäuscht gewesen, als sie das Ibizia-Video mit Strache sah. "Es ist niederträchtig, wenn Politiker ihre Macht missbrauchen - und das Vertrauen, das ihnen vom Volk geschenkt wurde." Sie meint aber auch, dass solche Skandale zu einer Reinigung führen können. Ihren geistigen Horizont hat sie übrigens schon vor ihrer Zeit in Berlin erweitert. "Da war ich vier Jahre in Tennessee." Und auch wenn sie sich immer freue, wenn sie fortkomme, so wie jetzt in den Urlaub, gebe es doch einen Beweis für die Großartigkeit Österreichs. "Es kommt ja wirklich jeder wieder gern zurück."